Nachdem FPÖ-Stadträtin Ursula Stenzel am Samstag in Wien mit einem provokanten Gastauftritt bei einem Fackelzug der rechtsextremen Identitären die Wogen hochgehen ließ und dafür umgehend Kritik erntete, zeigten sich am Sonntag auch ihre politischen Konkurrenten empört. Die SPÖ etwa teilte mit, dass „Rechtsextremismus“ in der Bundeshauptstadt „nichts verloren“ habe. Die ÖVP erwartet vom blauen Parteichef Norbert Hofer wiederum einen „Durchgriff“ und den Ausschluss Stenzels aus der FPÖ, die am Samstagabend auf Distanz zur 73-Jährigen ging. Einen Rücktritt erwarten sich auch NEOS und JETZT. Stenzel selbst teilte am Sonntag mit, sie habe „nicht gewusst, dass auch Identitäre anwesend waren“, und schloss einen Rücktritt aus.
Die Identitären wollten ursprünglich mit dem Fackelzug der Niederlage der Osmanen am 12. September 1683 am Wiener Kahlenberg gedenken. Wegen Gegenprotesten waren im strömenden Regen Hunderte Polizisten vor Ort, Schutzzonen wurden eingerichtet, die Veranstaltung schließlich in die Wiener Innenstadt verlegt. Dort meinte dann Stenzel in ihrer Rede, man habe „ein Zeichen gesetzt“ und sie halte es „für wahnsinnig wichtig, dass besonders junge Leute dieses Geschichtsbewusstsein heute haben“.
Die FPÖ-Stadträtin verwies dabei auch auf die jüngsten Aussagen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der die EU in der Flüchtlingsfrage „unter Druck setzt“. Dies sei „ein Symptom für die Bedenkenlosigkeit vieler europäischer Regierungen“, mahnte sie. Der Auftritt einer führenden FPÖ-Politikerin vor Identitären drei Wochen vor der Nationalratswahl gilt als bemerkenswert, hat sich die FPÖ doch nach dem Christchurch-Attentat um eine strikte Abgrenzung und Distanzierung von der rechtsextremen Bewegung bemüht.
FPÖ verzichtet auf personelle Konsequenzen
In FPÖ-Kreisen ging man noch am Samstagabend vorerst auf Distanz. Die Partei habe mit der Veranstaltung „nichts zu tun“. Zudem wurde bestritten, dass Stenzel Stadträtin sei: Sie sei „ein einfaches Parteimitglied“. Am Sonntag hieß es jedoch von FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky, Stenzel eine Nähe zu den Identitären zu unterstellen, „wäre mehr als absurd und geht völlig an der Faktenlage vorbei“. Er bestreitet, dass es sich um eine Veranstaltung der Identitären gehandelt habe. Stenzel habe „an einem Gedenken der Ereignisse von 1683“ teilgenommen, alles andere sei „eine böswillige Unterstellung“. Die FPÖ will deshalb keine personellen Konsequenzen ziehen. Im kommenden Jahr wollen die Blauen „wieder eine eigene Veranstaltung zum Gedenken an das Ende der Türkenbelagerung im Jahr 1683“ abhalten.
Stenzel entschuldigt sich für Auftritt
Stenzel selbst teilte mit, sie sei - wie in den vergangenen Jahren auch - eingeladen worden, habe aber nicht gewusst, dass auch Vertreter der Identitären Bewegung anwesend seien. Andernfalls hätte sie die Veranstaltung nicht besucht. „Ich entschuldige mich dafür und möchte meine klare Ablehnung der Identitären zum Ausdruck bringen“, so Stenzel, die mit den Worten „das ist lächerlich“ ihren Rücktritt ausschloss.
Entsetzen bei politischen Mitbewerbern
Am Sonntagvormittag meldeten sich auch die politischen Kontrahenten zu Wort. Entsetzt zeigt sich Landesparteisekretärin der Wiener SPÖ, Barbara Novak: „Abgesehen davon, dass rechtsextreme und antidemokratische Ideologien in Wien einfach nichts verloren haben, zeigt die FPÖ einmal mehr, dass sie nicht regierungsfähig ist“, kritisierte Novak. Stenzel sei reif für einen Rücktritt: „Der Auftritt vor der Identitären-Bewegung ist absolut inakzeptabel. Ursula Stenzel muss alle Funktionen zurücklegen und zurücktreten. In Wien gibt es keinen Platz für Rechtsextremismus.“ Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner twitterte: „Frau Stenzel, es ist Zeit für Ihren Rücktritt!“
Nehammer: „Hofer muss durchgreifen“
„Der Auftritt von Stenzel ist inakzeptabel. Parteichef Norbert Hofer kann nun unter Beweis stellen, wie ernst es ihm mit dem Durchgriffsrecht in seiner Partei ist. Wir erwarten uns den Ausschluss von Ursula Stenzel aus der FPÖ und ihren Rücktritt“, so ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer. Er bekräftigte, dass es „gegenüber radikalen Gruppierungen wie den Identitären keine Toleranz gibt und diese aufgelöst werden müssen. Gruppierungen wie die Identitären, die hetzen, spalten, extreme Inhalte verbreiten und Kontakt zu Massenmördern wie jenem von Christchurch haben, dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben.“
„Treten Sie zurück, Frau Stenzel“
„Norbert Hofer hat offensichtlich die Kontrolle über die FPÖ verloren“, stellte JETZT-Gründer Peter Pilz angesichts Stenzels Auftritt fest. Auch er forderte einen Ausschluss Stenzels aus der FPÖ. NEOS-Wien-Klubobmann Christoph Wiederkehr teilte mit: „Wer mit den Rechtsextremen marschiert und dort auch noch Reden hält, hat in der Politik nichts verloren! Schon gar nicht in einer Regierungsfunktion. Treten Sie umgehend zurück, Frau Stenzel!“ Ähnlich sehen es die Grünen: Birgit Hebein, Parteivorsitzende in Wien, sagte am Sonntag, Stenzel sei „als Stadträtin völlig untragbar“.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.