Der Auftritt von Ursula Stenzel bei einer Veranstaltung der rechtsextremen Identitären in Wien (siehe auch Video oben) schlug am Wochenende hohe Wellen in der heimischen Politik. Die Folge: Nicht nur der Rücktritt der nicht amtsführenden Stadträtin der FPÖ wird jetzt gefordert. „Unsere Demokratie muss vor jenen geschützt werden, die sie untergraben wollen“, signalisierte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner, ein Verbot des Vereins zumindest prüfen lassen zu wollen, nachdem die ÖVP das Aus für die Identitären gefordert hatte. FPÖ-Chef Norbert Hofer warnte in diesem Zusammenhang am Montag allerdings vor einer „Gesinnungsdiktatur“ und sieht sich auf einer Linie mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sieht ein Verbot des Vereins skeptisch.
„Dass auch Vertreter der Identitären Bewegung anwesend gewesen sein sollen, war mir nicht bewusst“, hatte Stenzel am Sonntag um Entschuldigung für ihre Teilnahme an dem Fackelzug in Gedenken an die Niederlage der Osmanen am 12. September 1683 am Wiener Kahlenberg inklusive provokanter Rede gebeten. Stenzel bekundete weiters ihre „klare Ablehnung der Identitären Bewegung“. Die Forderungen nach ihrem Rücktritt bezeichnete sie hingegen als „lächerlich“.
ÖVP will Antrag auf Verbot der Identitären einbringen
Doch nicht nur Stenzel, sondern auch der rechtsextreme Verein geriet durch den umstrittenen Auftritt der FPÖ-Politikerin zum wiederholten Male in die Schlagzeilen. So will die ÖVP die jüngste Causa zum Anlass nehmen und die Identitären verbieten lassen.
„Ich hoffe jedoch, dass es für die SPÖ nicht nur bei einer Prüfung des Verbots bleibt, sondern dass die SPÖ im September auch tatsächlich unserem Antrag zustimmen wird. Nur so können wir sicherstellen, dass die Identitären sofort verboten werden“, betonte ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer am Montag in einer Aussendung, nachdem SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner zuvor in einer Aussendung bzw. via Twitter wissen ließ, dass auch die SPÖ nun ein Verbot des Vereins prüfen lassen will, um die Demokratie vor jenen zu schützen, „die sie untergraben wollen“.
Die SPÖ-Chefin forderte Justiz- und Innenminister auf, ein Verbot der Identitären zu prüfen bzw. eine Änderung des Vereinsgesetzes unter Wahrung der Grundrechte vorzuschlagen. Dieser Schritt müsste demnach vor der Wahl erfolgen, hieß es.
Hofer warnt vor Eingriff ins Grundrecht
Eine andere Position bezog am Montag FPÖ-Chef Norbert Hofer. Er betonte, im Vereinsgesetz sei schon jetzt festgehalten, dass Vereine aufgelöst werden können, „wenn gegen Strafgesetze verstoßen und der statutenmäßige Wirkungskreis überschritten wird“. Laut FPÖ sehe der Vereinsrechtsexperte Maximilian Kralik eine Auflösung als „unwahrscheinlich“ an. Die Vereinsfreiheit sei in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert, die in Österreich im Verfassungsrang steht. Daher sei jeder Eingriff in die Vereinigungsfreiheit auch gleichzeitig ein Grundrechtseingriff.
„Meine Haltung zu den Identitären ist mehr als bekannt“, verwies Hofer auf seine in der Vergangenheit immer wieder geäußerte Ablehnung gegenüber der Gruppierung. „Trotzdem warne ich vor einer Gesinnungsdiktatur. Sollte die ÖVP die Menschenrechtskonvention ignorieren und trotzdem ein Verbot beschließen wollen, so wären in weiterer Folge unzählige Vereine, die ich gar nicht länger nennen möchte, von einer derart überschießenden Maßnahme betroffen.“
Hofer verweist auf Van der Bellen: „Dreimal überlegen“
Darüber hinaus erklärte der designierte FPÖ-Chef, er schließe sich in der Frage des Verbots der Identitären „der Argumentation des Bundespräsidenten und des Justizministers inhaltlich an“. Hofer verwies diesbezüglich auf ein Zitat Van der Bellens von Ende März: Damals hatte der Präsident gemeint, er würde sich ein Verbot „dreimal überlegen“, da die Auflösung eines Vereins „eine juristisch sehr heikle Angelegenheit“ sei.
Und auch mit Justizminister Clemens Jabloner sieht sich Hofer auf einer Linie. Dieser hatte in einem „Presse“-Interview Ende August erklärt, er sei „prinzipiell der Meinung, dass man die Grundrechte auch dort nicht einschränken soll, wo es um zutiefst unsympathische Gruppen geht wie die Identitären“, und er würde auf den ersten Blick „diesseits des Strafgesetzbuchs wenig Raum für eine Umschreibung eines Vereinsverbotes, das der Europäischen Menschenrechtskonvention entspräche“, sehen.
Hofer plädierte dafür, „trotz der Wirren des Wahlkampfes mit Augenmaß und Vernunft und im Sinne der Verantwortung der Verfassung richtige und nicht kopflose Entscheidungen“ zu treffen.
Kickl: „Forderung nicht zu Ende gedacht“
Der Verfassungsschutz habe bereits festgestellt, keine Handhabe gegen das Symbol der Identitären zu haben - und wenn man schon keine Handhabe gegen das Symbol habe, wie solle man dann eine gegen den Verein haben, kann auch Parteikollege und Ex-Innenminister Herbert Kickl einem Verbot der Identitären nichts abgewinnen. „Wenn die ÖVP allerdings neue Erkenntnisse hat, dann soll sie die auf den Tisch legen“, erklärte Kickl und warf der ÖVP vor, die von ihr geforderte Änderung des Vereinsrechts nicht zu Ende gedacht zu haben.
Auch Wiens Bürgermeister Ludwig sieht Verbot skeptisch
Auch Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig steht einem Verbot der Identitären skeptisch gegenüber. „Bei einem Eingriff ins Vereinsrecht sollte man sehr sensibel vorgehen und alle verfassungsrechtlichen Bestimmungen einhalten. Denn wenn man einmal bei einer Organisation beginnt, ist die Frage, wo das endet“, gab Ludwig am Rande einer Pressekonferenz am Montag zu bedenken. Vielmehr hält der Bürgermeister die „scharfe Beobachtung der Identitären in Verbindung mit strafrechtlichen Tatbeständen“ für wichtig. Diese müsse seitens der Polizei verstärkt werden - vorrangig was Wiederbetätigungsdelikte anbelange.
Grüne sehen FPÖ-„Doppelspiel“ mit Identitären
Die Grünen sehen im Vorgehen der FPÖ mit den Identitären indessen ein „Doppelspiel“: „Ein sich gemäßigt gebender Norbert Hofer soll ÖVP-FPÖ-Wechselwähler ansprechen, gleichzeitig sollen Rechtsverbinder wie Kickl und Stenzel die extreme Rechte bei Laune halten“, so Grünen-Chef Werner Kogler am Montag via Aussendung. Kritik übte er auch an der ÖVP, deren Verbots-Rufe er als „Antragsaktionismus“ kritisierte.
Peter Pilz (Liste JETZT) betonte, „dass alle extremistischen Vereine schon heute aufgelöst werden können“, nämlich dann, wenn deren Tätigkeit dem Vereinszweck widerspricht oder wenn sie gegen das Strafrecht verstoßen. „Das alles ist bei den Extremisten von Identitären bis zu politischen Islamisten gegeben“, so Pilz.
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