Peter Seisenbacher schrieb österreichische Sportgeschichte: Am 9. August 1984 wurde der gelernte Goldschmied in Los Angeles als erster Judoka aus Österreich Olympiasieger und verteidigte seinen Titel vier Jahre später. 1980 hatte er bei den Heim-Europameisterschaften in Wien mit Silber seine erste Medaille erobert. Im Herbst 2013 wurde der einstige Sportstar aber zum Tatverdächtigen - und am Donnerstag beim illegalen Grenzübertritt von der Ukraine nach Polen aufgegriffen, nachdem sich der heute 59-Jährige mehr als zweieinhalb Jahre seinem Verfahren wegen Missbrauchs in Wien entzogen hatte.
Seisenbacher hatte seinen Olympia-Titel am 29. September 1988 in Seoul erfolgreich verteidigt und damit seine Laufbahn gekrönt. Nur einen Monat nach der zweiten Olympia-Goldmedaille wurde der vom aktiven Sport zurückgetretene Seisenbacher als Sporthilfe-Chef vorgestellt. Noch bevor er das Amt des Generalsekretärs mit 1. Jänner 1989 antrat, war er zum dritten Mal nach 1984 und 1985 als Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet worden.
Im Juni 1991 musste sich Seisenbacher, um sein Amt zu behalten, beim damaligen Sportminister Harald Ettl (SPÖ) entschuldigen. In seiner Funktion als Verbandskapitän des Österreichischen Judoverbandes (ÖJV) hatte er beim Turnier in Leonding einem Grazer Judoka nach einer Meinungsverschiedenheit eine Ohrfeige verpasst. Vom ÖJV fasste er ob der Unbeherrschtheit eine einjährige Sperre aus, später legte er nach Differenzen seine Funktion zurück. Im Oktober 1993 trat der Vater von zwei Kindern als Sporthilfe-Generalsekretär ab.
Zuletzt als Trainer zweimal Olympia-Silber mit Aserbaidschan
Seisenbacher blieb dem Judosport, mit dem er im Alter von sechs Jahren begonnen hatte, aber stets verbunden, vor allem als Trainer, zuletzt als Chefcoach von Georgien (2010 bis 2012) und Aserbaidschan (2012 bis 2013). Im September 2015 wurde er erneut zum Judo-Nationaltrainer in Aserbaidschan bestellt. Der Wiener betreute das Team auch bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, wo es zwei Silbermedaillen für Aserbaidschan gab.
Damals ermittelte in Österreich bereits die Staatsanwaltschaft wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gegen ihn. Seisenbacher soll sich in seinem Wiener Judo-Verein zwischen 1997 und 2004 an zwei damals noch unmündigen Mädchen vergangen haben. Eine weitere Jugendliche wehrte ihn laut Anklage ab, als er zudringlich wurde - die Staatsanwaltschaft hatte dieses Faktum als versuchten Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses angeklagt.
Im Sommer 2017 klickten in Kiew die Handschellen
Drei Jahre nach Beginn der Ermittlungen entzog sich Seisenbacher seiner Verhandlung im Wiener Straflandesgericht. Nachdem er am 19. Dezember 2016 unentschuldigt fehlte, wurde er mit Europäischem Haftbefehl gesucht und nach längeren Ermittlungen in Kiew am 1. August 2017 festgenommen. In der ukrainischen Hauptstadt hatte sich der Doppelolympiasieger eine kleine Wohnung gemietet, die er die nächsten Monate über kaum mehr verließ, um die Fahnder nicht auf seine Spur zu bringen. Über seinen Anwalt Bernhard Lehofer wies er nach seiner Festnahme Berichte zurück, wonach im Gefängnis für ihn Schutzgeld bezahlt worden sei.
Nachdem die ukrainischen Behörden eine Auslieferung abgelehnt hatten, weil das Delikt laut ukrainischem Recht verjährt war, wurde Seisenbacher auf freien Fuß gesetzt. Seisenbacher behauptete damals, in Österreich würde ihn kein faires Verfahren erwarten: „Die österreichischen Behörden sind nicht fähig, Seisenbacher vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, da sie selbst Akteure seiner illegalen Strafverfolgung sind“, zitierte das Gerichtsurteil eine Erklärung des Ex-Judokas, der sich zudem über „psychische Gewalt“ durch Medienberichte beklagte.
Beim illegalen Grenzübertritt erwischt
Nach Ratifizierung eines Zusatzprotokolls des europäischen Auslieferungsübereinkommens durch die Ukraine im Frühjahr 2019 hätte er nun doch ausgeliefert werden können. Jetzt soll Seisenbacher versucht haben, illegal von der Ukraine über die Grenze nach Polen zu reisen. Dabei wurde der Ex-Judoka erwischt und am Donnerstag nach Wien überstellt. Peter Seisenbacher schrieb österreichische Sportgeschichte - und schreibt nun auch österreichische Kriminalgeschichte.
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