Im bereits seit Jahren andauernden Ermittlungsverfahren um mutmaßlich verdeckte Parteienfinanzierung durch die Firma Mediaselect an die ÖVP hat die Staatsanwaltschaft Wien jahrelang auf einen Sachverständigen gebaut, der bemerkenswerte Berührungspunkte mit der Volkspartei aufweist. In der Causa geht es um Hunderttausende Euros, die von staats- und parteinahen Firmen an die ÖVP geflossen sein sollen.
Gutachter Georg Jeitler ist nicht nur ehemaliger Schulkollege des aktuellen ÖVP-Bundesgeschäftsführers Axel Melchior, sondern - eigenen Angaben zufolge - auch mit Parteichef Sebastian Kurz sowie Ex-Ministerin Elisabeth Köstinger bekannt. Außerdem sitzt seine Ehefrau Carmen Jeitler-Cincelli seit November 2017 für die Türkisen im Nationalrat. Mit ihr ist Jeitler zudem wirtschaftlich über eine gemeinsame Firma verbunden, berichtet das „profil“.
Trotz Naheverhältnis keine Abberufung
Die Staatsanwaltschaft berief den Gutachter trotzdem nicht ab. Eine Sprecherin erklärte auf Anfrage, dass Jeitler diese Umstände offengelegt habe. Es habe aber zu keiner Zeit im Verfahren Anhaltspunkte für eine Befangenheit gegeben.
Seit 2012 geht die Justiz dem Verdacht nach, große Unternehmen hätten über die Agentur Mediaselect verdeckte Parteispenden zugunsten der ÖVP geleistet. Jeitler wurde 2013 als einer von zwei Gutachtern bestellt. Im Oktober 2018 lieferte er sein schriftliches Hauptgutachten ab. Die Ermittlungen sind in der Zwischenzeit abgeschlossen, die Staatsanwaltschaft Wien hat einen sogenannten Vorhabensbericht erstellt, der nun von den Oberbehörden geprüft wird.
Verdeckte Parteispenden an Volkspartei?
Über die Agentur Mediaselect sollen verdeckte Parteispenden von staats- und parteinahen Firmen in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro an die ÖVP geflossen sein. Außerdem soll die Volkspartei bei Aufträgen mitgeschnitten haben, die von ÖVP-geführten Ministerien an Mediaselect vergeben wurden - und zwar in Form von „Gutschriften“, die auf ein eigenes Konto der Partei bei der Agentur geflossen sind. Somit hätte die ÖVP davon profitiert, wenn schwarze Ministerien über die Mediaselect Inserate schalteten.
In einem Gutachten des zweiten Sachverständigen Matthias Kopetzky ist laut der Recherche-Plattform „Addendum“ von Zahlungen im Ausmaß von einer Million Euro an die Agentur die Rede. Ein Verfahren gegen den früheren ÖVP-Generalsekretär Reinhold Lopatka in dieser Causa war 2017 wegen Verjährung eingestellt worden. Die ÖVP hat eine Rückzahlung der Gelder in mehreren Raten bis 2024 vereinbart.
Sebastian Kurz hat zwar versprochen, mit diesem System Schluss zu machen, doch die ÖVP bucht weiterhin bei der Nachfolgerin der Mediaselect, die denselben Namen trägt.
„Unerträglich“: Pilz verlangt Abberufung Jeitlers
JETZT-Gründer Peter Pilz verlangte am Samstag in einer Reaktion auf den „profil“-Bericht jedenfalls die Abberufung Jeitlers als Gutachter. Es sei „unerträglich“, dass der Ehemann einer ÖVP-Abgeordneten als Sachverständiger tätig sei.
„So wie es unüblich ist, Familienmitglieder von Bankräubern in die Bankenaufsicht zu setzen, so kann ein ÖVP-Ehemann nicht Gutachter in einem für die ÖVP gefährlichen Verfahren sein“, kritisierte Pilz. Zudem kündigte er an, diesen Fall ins Zentrum einer Sondersitzung und Dringlichen Anfrage an Justizminister Clemens Jabloner zu stellen.
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