Kurz an Rendi-Wagner:

„Unsere Konzepte sind meilenweit auseinander“

Österreich
18.09.2019 22:23

Am Mittwoch sind am Wiener Küniglberg die letzten ORF-Wahlduelle über die Bühne gegangen. Wie schon in den ersten beiden Wochen standen auch diesmal wieder fünf Duelle am Programm. Eröffnet wurde der Abend von FPÖ-Chef Norbert Hofer und NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger. Danach stieg SPÖ-Joker Jörg Leichtfried gegen Peter Pilz in den Ring, bevor ÖVP-Chef Sebastian Kurz auf Meinl-Reisinger traf. Im vorletzten Duell kam es zum Aufeinandertreffen von FPÖ und Grünen: Hofer traf auf Werner Kogler. Den Höhepunkt lieferte schließlich das Duell zwischen Kurz und SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner.

Schon im ersten Duell des Abends ging es teilweise recht hitzig zur Sache. Wie erwartet zeigte sich Meinl-Reisinger gegenüber Hofer und seiner FPÖ recht angriffig. Kritk übte sie am „Mantra“ der aufgelösten türkis-blauen Koalition, wonach man die erste Regierung seit 44 Jahren gewesen sei, die keine weiteren Schulden gemacht hat. „Ganz ehrlich: Ein Hydrant hätte dieses Budget zusammengebracht“, wies die 41-Jährige darauf hin, dass die gute wirtschaftliche Situation die Regierung begünstigt habe. „Die Einnahmen haben gesprudelt und Sie haben bei den Ausgaben gar nichts gemacht. Österreich hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem.“

Beate Meinl-Reisinger ließ kaum ein gutes Haar an der türkis-blauen Regierungsarbeit. (Bild: ORF)
Beate Meinl-Reisinger ließ kaum ein gutes Haar an der türkis-blauen Regierungsarbeit.

Nachdem man kurz über das Thema Sicherheit sprach (Hofer: „Die Frage der Sicherheit wird sich in den nächsten Monaten wieder vermehrt stellen“), kam man auf Parteifinanzen zu sprechen. Hofer musste sich hier einiges an Kritik gefallen lassen und versuchte Meinl-Reisinger mit einigen Zwischenrufen aus der Fassung zu bringen. „Sie wollen mir erklären, wie wir mit unseren Parteifinanzen umgehen müssen? Ernsthaft?“, antwortete diese auf den Vorwurf, dass die NEOS für ihre geringe Parteigröße einen recht hohen Schuldenstand hätten.

Pilz: „Die SPÖ wird auf ihre Art nie etwas durchsetzen“
Das Duell zwischen Peter Pilz und dem stellvertretenden SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried gestaltete sich bei Weitem ruhiger als das vorangegangene. Beim ersten Thema - Sozialleistungen für arbeitslose Jugendliche - war man sich oft einig. Einziger Unterschied: Pilz plädiert dafür, die zahlreichen Sozialleistungen verschiedener Einrichtungen zu bündeln. „Der Peter will immer alles zentral zusammenfassen. Österreich ist halt einmal eine föderalistische Republik. Das alles so über einen Kamm zu scheren, würde mir nicht so gut gefallen“, so Leichtfried darauf. „Es sind die Rädchen, die ineinandergreifen müssen. Wir müssen die Mieten verringern, die Löhne erhöhen und die Sozialleistungen erhöhen.“

Peter Pilz und Jörg Leichtfried waren sich oft einig. Beim Weg zum gemeinsamen Ziel trennte sie aber doch einiges. (Bild: ORF)
Peter Pilz und Jörg Leichtfried waren sich oft einig. Beim Weg zum gemeinsamen Ziel trennte sie aber doch einiges.

Das nächste große Thema in der Diskussion war wie schon so oft der Klimaschutz. Dass Leichtfried hier immer wieder europäische Lösungen ins Spiel brachte, gefiel Pilz ganz und gar nicht. „Diejenigen, die in Österreich bremsen, sind in Brüssel noch viel stärker. Wenn wir auf Brüssel warten, wird es oft zu spät sein.“ Der JETZT-Gründer störte sich daran, dass die SPÖ oft zustimme, dann aber nichts umsetzen, sondern auf die EU warten wolle: „Jörg, das ist zu wenig!“

Meinl-Reisinger: „Deutschklassen sind eine Bevormundung“
Im nächsten Duell trafen jene beiden Parteien aufeinander, die hauptsächlich im bürgerlichen Wählerteich fischen. Sebastian Kurz und Beate Meinl-Reisinger diskutierten hauptsächlich über die Themen Asyl und Integration. Bei der Frage der Asylwerber in Lehre sprach sich die pinke Frontfrau klar für „Ausbildung statt Abschiebung“ aus. Kurz hatte bei aktuell in Ausbildung befindlichen Asylwerbern kürzlich eingelenkt und will, dass diese ihre Lehre nun fertigmachen dürfen. Ab sofort sollen aber Asylwerber keine Ausbildung mehr starten dürfen, bis sie wissen, ob sie bleiben dürfen. „Wir haben 30.000 Asylberechtigte, die jeden Tag einen Job anfangen dürfen“, wies er auf diejenigen hin, die schon einen positiven Asylbescheid haben.

Beate Beate Meinl-Reisinger übte Kritik an den Deutschklassen. (Bild: ORF)
Beate Beate Meinl-Reisinger übte Kritik an den Deutschklassen.

Nach den Asylwerbern in Lehre ging es um jüngere Zuwanderer. Nämlich um jene, die von der türkis-blauen Regierung in Deutschklassen gesetzt wurden. Dafür hatte Kurz von vielen Kritik geerntet. „Die wirkliche Ghettoisierung ist, wenn man Kinder, die nicht Deutsch können, einfach in die Schule steckt und sie dem Unterricht nicht mehr folgen können“, so der Altkanzler. Meinl-Reisinger sprach von einer Bevormundung der Lehrer, die selbst besser wüssten, welcher Schüler welche Forderung brauche.

Hofer: „Das Bundesheer muss ordentlich finanziert sein“
Die Meinungen von Norbert Hofer und Werner Kogler waren wie erwartet bei so gut wie jeder Frage konträr. Erstes großes Thema der Diskussion war das Bundesheer und seine Finanzierung. Während Hofer ganz der Meinung von Verteidigungsminister Thomas Starlinger war und in vielen Bereichen Nachholbedarf sieht, will Kogler bei gewissen Bereichen einsparen, um in anderen effizienter sein zu können. Cybercrime ist ihm beispielsweise wichtig, während er auf Panzer und Ähnliches verzichten will. „Nicht einmal ich glaube, dass uns Orban mit Panzern angreifen wird“, so der Chef der Grünen. Und: „Solange der Katastrophenschutz im Bundesheer und Verteidigungsministerium sitzt, wird’s dort mehr brauchen.“ Der FPÖ-Chef wiederum stellte klar, dass sich die Freiheitlichen nicht an einer Koalition beteiligen wollen, „wenn das Bundesheer nicht ordentlich finanziert ist“.

Norbert Hofer und Werner Kogler diskutierten hauptsächlich über das Bundesheer und dessen Finanzierung. (Bild: ORF)
Norbert Hofer und Werner Kogler diskutierten hauptsächlich über das Bundesheer und dessen Finanzierung.

Beim Thema Bildung gingen die Meinungen ebenso auseinander. Hofer etwa bestritt vehement, dass Bildung vererbt werde, wie das oft gesagt wird. Gemeint ist damit, dass Kinder oft nicht über den Bildungsstand der Eltern hinauskommen. Kinder von Handwerkern hätten demnach selten eine Chance auf eine akademische Karriere. „Ist es so negativ, wenn jemand einen Handwerksberuf erlernt, oder brauchen wir nur Psychologen?“ wollte Hofer wissen. Kogler verneinte, betonte aber, dass die umgekehrte Möglichkeit fast nie eintrete.

Kurz: „Sie haben mich abgewählt und nicht ich mich selbst“
Das letzte Duell wurde mit Spannung erwartet. Wie würden Ex-Kanzler Kurz und SPÖ-Chefin Rendi-Wagner miteinander umgehen? Deutet sich bereits eine mögliche Koalition der beiden (ehemaligen) Großparteien an? Dieser Eindruck ist am Mittwochabend nicht entstanden. Die beiden Spitzenkandidaten schenkten einander nichts und warfen mit wechselseitigen Vorwürfen nur so um sich. Rendi-Wagner erklärte etwa, dass Kurz zwei Gesichter habe. „Eines für die Kamera und eines für persönliche Gespäche.“ So habe sie etwa nur kurz nach vertraulichen Gesprächen mit ihrem Gegenüber schon in den Medien darüber gelesen. Sie stellte Kurz die Frage, was er aus dem Ibiza-Video und zahlreichen rechtsextremen „Einzelfällen“ beim Ex-Koalitionspartner FPÖ gelernt habe. „Spaltung, Hetze und Einzelfälle“ hätten die türkis-blaue Regierung ausgezeichnet. Erreicht worden sei aber nicht sehr viel. „Sie haben mich abgewählt und nicht ich mich selbst“, reagierte der Ex-Kanzler. „Am ehrlichsten hat Hans Peter Doskozil die Situation beschrieben“, so Kurz weiter. Der burgenländische Landeshauptmann hatte erklärt, dass es der SPÖ beim Misstrauensvotum gegen Kurz nur um Parteitaktik gegangen sei.

Kurz und Rendi-Wagner haben einander nichts geschenkt. (Bild: ORF)
Kurz und Rendi-Wagner haben einander nichts geschenkt.

Harte Kritik übte Rendi-Wagner auch an der Sozialversicherungsreform. Anstatt eine Milliarde Euro einzusparen, wie von der abgewählten Regierung behauptet, sei diese Summe aus dem Gesundheitssystem „herausgezogen“ worden. „Da ist sehr viel zerstört worden. Das ist eine Zerschlagung von Strukturen, die jahrzehntelang funktioniert haben.“ Nicht einig war man sich - wenig verwunderlich - auch beim Migrationsthema. „Der schwierigste Punkt ist der unterschiedliche Zugang in der Migrationspolitik, insbesondere mit dem politischen Islam. Da sind unsere Konzepte meilenweit auseinander“, so Kurz.

Porträt von Thomas Zeitelberger
Thomas Zeitelberger
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