„Wie im Krieg“, sagen Passanten, die nahe dem klaffenden Loch in der Gebäudezeile stehen. Dort, wo sich noch wenige Stunden zuvor ein Supermarkt befand, ehe eine gewaltige Gasexplosion, wie auch der Energieversorger Tigas nun bestätigte, am späten Montagvormittag St. Jodok in Tirol erschütterte. Elf Menschen wurden bei der Tragödie verletzt, einer davon schwer. Eine 91 Jahre alte Frau gilt immer noch als vermisst.
Kurz nach 11.20 Uhr ging bei der Polizei der Anruf ein: Explosion mit starker Rauchentwicklung in St. Jodok am Brenner. „Die Feuerwehr und das Rote Kreuz wurden gleichzeitig alarmiert“, schildert der polizeiliche Einsatzleiter, Burkhard Kreutz, gegenüber der „Krone“, wie sich innerhalb kürzester Zeit so viele Kräfte wie möglich ins Wipptal aufmachten. Kreutz traf als einer der Ersten am Unfallort ein. Das Gebäude stand bereits in Vollbrand. „Am Anfang war die Situation sehr chaotisch“, erzählt er. Es versammelte sich aber rasch ein Großaufgebot an Einsatzkräften: Die Feuerwehr war mit 200, das Rote Kreuz mit über 30 und die Polizei mit 25 Mann im Einsatz.
Die Helfer arbeiteten mit Hochdruck, mehrere Menschen galten zunächst als vermisst. Insgesamt wurden bei der Explosion elf Menschen teils schwer verletzt, neun von ihnen mussten in Krankenhäuser eingeliefert werden.
Sohn versuchte noch, seine Mutter zu retten
Doch eine Person blieb weiter vermisst: eine 91-jährige Frau, die in einer der Wohnungen in dem Gebäude lebt. „Ein Mann hatte noch versucht, die Frau zu retten, deshalb wissen wir, dass sie noch in dem Gebäude sein musste“, sagte ein Polizist. Dem Vernehmen nach soll es sich um den Sohn der betagten Frau handeln und um den Betreiber des Supermarktes, in dem es zur Explosion kam. Die Frau war aber eingeklemmt und das Gebäude stand bereits in Vollbrand, weshalb der Rettungsversuch abgebrochen werden musste.
An besagter Stelle, an der die Frau vermutet wurde, trugen Helfer im Laufe des Nachmittags Schutt und Trümmer zwar nach und nach ab, „man hat aber nichts gefunden“, so der Sprecher weiter. Die Suche nach der Vermissten wurde fortgesetzt. Für die 91-Jährige gibt es aber nahezu keine Hoffnung mehr.
Tigas: Vorfall ist „sehr bedauerlich“
Indes laufen die Ermittlungen zur Unglücksursache auf Hochtouren. Sechs bis sieben Meter von dem Haus entfernt fanden jedenfalls vorbereitende Bohrungen für eine Gasleitung statt. In einer ersten Stellungnahme noch am Montag zeigte sich die Tigas betroffen - man stehe aktuell selbst noch vor einem Rätsel, sagte Geschäftsführer Philipp Hiltpolt zur „Krone“. „Der Vorfall ist sehr bedauerlich und gibt uns momentan ein großes Rätsel auf.“
Mittlerweile steht fest: Zum Zeitpunkt des Unglücks waren in der Nähe Bauarbeiten im Gange. „Es ging darum, von der anderen Seite unter dem Bach rund 20 bis 25 Meter durchzubohren, um das bestehende, rund fünf Jahre alte Leitungsnetz zu verlängern. Das erfolgte aber in großer Tiefe, um einen Kontakt zum bestehenden Gasleitungsnetz zu verhindern.“ Der eigentliche Kontakt bzw. Anschluss wäre für die kommenden Tage geplant gewesen.
„Arbeiter nahmen plötzlich Gasgeruch wahr“
„Obwohl die Position des Bohrkopfs immer genau lokalisierbar war, nahmen die Bauarbeiter plötzlich Gasgeruch wahr“, schildert Hiltpolt die entscheidenden Minuten. Sofort wurde die Evakuierung der nahen Gebäude, die über keinen Gasanschluss verfügten, in die Wege geleitet. Rund zehn Minuten später kam es zur Explosion. Denkbar sei, dass die Position des Bohrkopfs falsch angezeigt worden war, vermutet Hiltpolt. „Die genaue Ursache wird aber Gegenstand von Untersuchungen sein.“
Die Ermittler der Polizei gingen am Dienstagmorgen ebenfalls von einer angebohrten Gasleitung als Ursache für die Explosion aus. Die Leitung sei am späten Abend freigelegt worden, präzisierte die Exekutive gegenüber dem ORF. Der Bohrkopf hatte tatsächlich die Leitung getroffen. In der Folge entwich daras Gas und drang durch den Boden in das Haus ein. Nur ein Funke genügte danach, um eine Explosion herbeizuführen.
„Unbegreiflich und doch Realität“
Der entstandene Sachschaden bei der Explosion ist gewaltig. Der Supermarkt ist komplett zerstört, das betroffene Gebäude muss wohl abgerissen werden. Durch umherfliegende Trümmer wurden auch Fahrzeuge in der Nähe beschädigt. Die Betroffenheit in dem kleinen Ort ist nach der Tragödie jedenfalls groß. Mehr als das Wort „schlimm“ kommt den meisten nicht über die Lippen.
Man glaube immer, das treffe einen nicht, bis man davorsteht, sagt Bürgermeister Klaus Ungerank zur „Krone“. „Emotionen lassen sich schwer ausdrücken. Es ist unbegreiflich und doch Realität“, betont der Ortschef. „Damit müssen wir umgehen und schauen, dass wir das Beste daraus machen. Ich konnte mich schon öfter auf alle Einrichtungen, auf alle Einsatzkräfte verlassen und bin guter Dinge, dass wir das wieder schaffen.“
Anna Haselwanter und Mirjana Mihajlovic, Kronen Zeitung/krone.at
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