Wahlkampf ohne Ende

Propaganda im Netz: So manipuliert uns die Politik

Digital
27.09.2019 11:34

Der Offline-Wahlkampf mag so gut wie zu Ende sein, der Kampf der Meinungen im Internet endet aber nie. Staaten, NGOs, politische Parteien und parteinahe Vereine oder Organisationen stecken beträchtliche Ressourcen in die Manipulation der öffentlichen Meinung. Das Ziel: Politische Gegner diskreditieren, Themen setzen, den gesellschaftlichen Diskurs bestimmen. Dass das längst kein Phänomen autoritärer Staaten wie China mehr ist, zeigt ein neuer Report der Uni Oxford. Ihre Forscher haben auch in Österreich Desinformations- und Propagandakampagnen geortet.

„Arbeiter-Zeitung“, „Volksblatt“, „Volksstimme“: Politisch gefärbte Information - man könnte auch von Propaganda sprechen - war in Österreich bis zum Anfang der Neunziger durchaus en vogue. Sozialdemokraten, Bürgerliche und Kommunisten hatten allesamt ihre eigenen Zeitungen.

Mit wenigen Ausnahmen wie dem „Neuen Volksblatt“ gibt es diese nicht primär der Objektivität, sondern einem gewissen Weltbild verpflichteten Druckwerke heute nicht mehr. Die Leser machten einen Bogen um die Parteizeitungen, letztlich rentierten sie sich nicht mehr. Die Parteizeitungen starben großteils aus - zumindest sah es so aus.

(Bild: APA/dpa/Daniel Reinhardt)

Soziale Medien: Goldene Zeiten für Propaganda
Das Internet hat die Karten in den letzten Jahren neu gemischt: Wer heute Propaganda verbreiten will, braucht dafür keine teure Druckerei und keinen kostspieligen Rundfunk mehr. Er braucht nur einen Server anzumieten, eine einer Zeitung nicht unähnliche Seite darauf zu stellen und kann seine Inhalte über die sozialen Medien in alle Himmelsrichtungen verteilen.

Diese Möglichkeiten werden gern für politische Ziele genutzt - über die Parteigrenzen hinweg. Bei manchen Portalen ist die Parteilichkeit sofort ersichtlich. Das FPÖ-nahe Internetportal unzensuriert.at gibt sich selbst den Stempel „selbstverständlich parteilich“, das SPÖ-Portal kontrast.at erklärt sich als „sozialdemokratisches Magazin“. Das junge Portal zackzack.at erklärt sich im Impressum als Portal der Partei Jetzt - Liste Pilz.

(Bild: APA/Hans Punz, ZackZack.at, krone.at-Grafik)

Nicht jedes Portal bekennt sich klar zu Parteien
Es gibt aber auch Medien, die sich nicht klar einer Partei zuordnen lassen, deren Inhalte oder Werbekunden aber eine Nähe zu gewissen Strömungen nahelegen. Vor allem im rechten politischen Spektrum gibt es einige Akteure, die in kleiner Auflage auch als Zeitung oder Magazin unters Volk gebracht werden - etwa den „Wochenblick“ oder das Magazin „Info Direkt“ in Oberösterreich. Beide richten sich an „Patrioten“, wettern gegen die „Mainstream-Medien“ und bringen auffallend oft Titelgeschichten und Interviews mit FPÖ-Politikern, sind laut Impressum aber nicht direkt der FPÖ zuzuordnen.

Dass im Hintergrund Geld von der FPÖ fließt, wird beim „Wochenblick“ dementiert. Einblicke in die Finanzierung gab es 2018 bei einem Prozess in Wels, als der Grünen-Politiker Thomas Rammerstorfer das Magazin, bei dem es personelle Verflechtungen mit den Identitären und FPÖ geben soll, wegen übler Nachrede klagte. Laut den „Oberösterreichischen Nachrichten“ wollte der Richter vom „Wochenblick“-Geschäftsführer wissen, wie sich sein Projekt finanziere. Der habe eingeräumt, dass ein Großteil der Gelder von geheimen „Sponsoren“ stamme.

Der „Wochenblick“ will sich als Gegenpol zu den „Mainstream-Medien“ positionieren, enthält auffällig viel Werbung und Berichte rund um die FPÖ, dementiert aber, von selbiger finanziert zu werden. (Bild: Screenshot wochenblick.at)
Der „Wochenblick“ will sich als Gegenpol zu den „Mainstream-Medien“ positionieren, enthält auffällig viel Werbung und Berichte rund um die FPÖ, dementiert aber, von selbiger finanziert zu werden.

Auf die Frage, ob man für besagte Sponsoren auch Auftragsarbeiten erledige, antwortete der Geschäftsführer: „Ja, unter anderem.“ Als dieser Artikel entstand, prangten auf der Website des Portals Werbebanner für die FPÖ-Spitze: Norbert Hofer und Herbert Kickl.

Erst die sozialen Medien bringen die Reichweite
Während Medien mit politischer Färbung vor der Social-Media-Revolution Minderheitenprogramm deklarierter Unterstützer der Parteien waren, buhlen sie im Zeitalter der „Likes“ um die Aufmerksamkeit der breiten Masse und versuchen auf einer gesamtgesellschaftlichen Basis, den politischen Diskurs zu lenken. Linke prangern Ungleichheit an, Rechte warnen vor Migration - und zahlen mitunter viel Geld an Unternehmen wie Facebook, um die Inhalte der angepeilten Zielgruppe zu präsentieren. Gern werden Beiträge parteinaher Medien dabei auch über die Facebook-Kanäle der jeweiligen Spitzenkandidaten gepusht.

Gerade im laufenden Wahlkampf entsteht so, zusätzlich zu den wahlwerbenden Politikern, die ebenfalls Millionen in Facebook pumpen, eine zweite Ebene unter der Oberfläche. Ein Meinungskampf, in dem jede Partei versucht, die eigenen Positionen zum Top-Thema zu machen. Einer, der sich vor einer Wahl intensiviert, aber nach der Wahl nicht endet. Das zeigt sich auch, wenn man die Ausgaben für politische Werbung auf Facebook betrachtet, die auf einer vom sozialen Netzwerk eigens eingerichteten Website bis März zurückverfolgt werden können.

(Bild: thinkstockphotos.de)

kontrast.at um 42.000 Euro auf Facebook beworben
Neben den politischen Parteien, NGOs und politischen Vorfeldorganisationen, sind darin auch einige der neuen digitalen „Parteizeitungen“ enthalten. Das SPÖ-nahe Portal kontrast.at beispielsweise schafft es mit über 42.000 Euro für Facebook-Werbung inmitten des laufenden Wahlkampfes auf Rang zwölf der größten Investoren in Facebook-Werbung. Das Liste-Pilz-Magazin zackzack.at wurde um fast 20.000 Euro auf Facebook beworben, der „Wochenblick“ mit immerhin fast 9000 Euro, unzensuriert.at schaltete 25 Werbeanzeigen um rund 4300 Euro.

Alles kein Vergleich zu den offiziellen Facebook-Seiten der Spitzenkandidaten, für die - etwa bei der SPÖ - bis zu einer Viertelmillion Euro in die Hand genommen wurde. Trotzdem zeigen die Investitionen, dass die neuen Partei- und parteinahen Medien im Kampf um die Meinungs-Vorherrschaft eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.

Quelle: Facebook-Werbebericht; Stand: 24. September 2019 (Bild: APA/ROLAND SCHLAGER, APA/GEORG HOCHMUTH, APA/HANS KLAUS TECHT, APA/HERBERT NEUBAUER, )
Quelle: Facebook-Werbebericht; Stand: 24. September 2019

Polit-Propaganda im Social Web boomt weltweit
Das gilt nicht nur für Österreich, sondern weltweit. Das geht aus einem Report der Universität Oxford hervor, die sich die Manipulation der öffentlichen Meinung global angesehen und auch in Österreich Propagandakampagnen festgestellt hat. Während im Gegensatz zu Ländern wie China die Regierung hierzulande keine Rolle bei Propaganda und Desinformation spielt, tun es Parteien und - im geringeren Umfang - private Investoren sehr wohl.

Sie nutzen die Möglichkeiten im Internet, um politische Gegner zu attackieren, die eigene Meinung zu stützen und abweichende Meinungen zu unterdrücken, geht aus dem Report hervor. Angewandt werden dabei Methoden der Desinformation, zielgerichtete datenbasierte Reklame für bestimmte Wählergruppen, sogenannte Trolle - also Social-Media-Unruhestifter - zur Lenkung der Debatte und die Stärkung der zuvor erwähnten parteinahen Medien, um die eigene Position zu untermauern.

Stimmungsmache mit „Parteisoldaten“ und Bots
Stimmung gemacht wird etwa mit falschen Profilen in sozialen Medien, die in Debatten Partei für oder gegen eine Position ergreifen und Themen größer machen, als sie sind. Dabei handelt es sich entweder um bezahlte „Parteisoldaten“, die online Stimmung machen, oder um gar keine Menschen, sondern sogenannte Bots - Computer, die automatisch die zuvor einprogrammierte Meinung in die sozialen Medien tragen.

Dass solche Kampagnen mittlerweile Alltag sind, zeigt sich daran, dass die Forscher der Uni Oxford sie in 70 Ländern um den Globus nachweisen konnten - und zwar nicht nur in Ländern wie China, dem Iran oder Russland, sondern durchaus auch in westlichen Staaten wie den USA, Deutschland, Spanien, Italien - oder eben Österreich.

(Bild: stock.adobe.com)

China soll bis zu zwei Millionen Manipulatoren haben
Bei den genutzten Mitteln gibt es deutliche Unterschiede. Da gibt es Länder, die viel in ihre Propaganda investieren - und solche, die ihre Manipulatoren mit geringeren Mitteln ausstatten. In China zum Beispiel soll ein Heer von 300.000 bis zwei Millionen Manipulatoren in Politbüros sitzen, in Russland gibt es die berüchtigten „Trollfabriken“, in Vietnam soll es 10.000 Manipulatoren geben, in Israel etwa 400, in der Türkei laut früheren Berichten bis zu 6000. Manche Länder kaufen einschlägige Dienste auch zu - etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, die einen zweistelligen Dollar-Millionenbetrag in Propaganda gesteckt haben sollen.

Wo die Meinung nicht vom Staat gemacht wird, werden Privatfirmen zurate gezogen. Ein gutes Beispiel ist hier Großbritannien, wo im Zuge der Brexit-Kampagne die Befürworter eines EU-Austritts 3,5 Millionen britische Pfund ins spätestens seit dem großen Facebook-Datenskandal international berüchtigte Unternehmen Cambridge Analytica und zielgerichtete Reklame investiert haben. Der Ausgang der Abstimmung ist hinlänglich bekannt.

(Bild: APA/HANS KLAUS TECHT, APA/GEORG HOCHMUTH, APA/ROLAND SCHLAGER, thinkstockphotos.de, krone,at-Grafik)

Heimische Politik überweist Millionen an Facebook
Österreich ist dagegen ein kleiner Fisch, hierzulande werden die Kapazitäten zur Meinungsmanipulation von den Forschern als eher gering eingeschätzt. Konkrete Zahlen, was die Zahl der Manipulatoren oder die investierten Mittel angeht, fehlen für Österreich. Betrachtet man auch zielgerichtete Reklame in sozialen Medien als Maßnahme zur Meinungsmanipulation, dürften aber auch hierzulande Millionen investiert werden.

Allein auf Facebook haben politische Parteien und parteinahe Akteure seit März über 2,5 Millionen Euro ausgegeben. Bei Google wurden seit 20. März 2019 1083 Inserate im Wert von rund 660.000 Euro geschaltet. Die größten Einzelinvestitionen kamen von der FPÖ und den Grünen.

Gehen Sie mit offenen Augen durchs Netz!
Und was bedeutet das alles nun für den Einzelnen? Ganz einfach: Gehen Sie mit offenen Augen durchs Netz, und zwar nicht nur in Wahlkampfzeiten. Hinterfragen Sie, was Ihnen zu welchem Zweck auf Facebook, Twitter oder dem unbekannten neuen Polit-Blog präsentiert wird, welche Interessen der Urheber verfolgen und wem er politisch nahestehen könnte. Gerade auf Websites mit sehr einseitiger Berichterstattung sollte Vorsicht geboten sein. Ein Blick ins Impressum oder auf den gleich neben der Annonce aufgeführten Urheber einer Facebook-Reklame ist da oft sehr aufschlussreich.

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