Der Kampf zwischen Österreich und der EU-Kommission um die Indexierung der Familienbeihilfe, die ins Ausland fließt, geht weiter: Im Streit um die von Österreich beschlossene Anpassung an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten bleibt auch die derzeitige Bundesregierung hart. Brüssel hat in der Angelegenheit bereits zwei Mahnschreiben an Österreich geschickt - und muss nun darüber entscheiden, ob es den Europäischen Gerichtshof anruft. Danach müssten die Richter in Luxemburg entscheiden, ob die österreichische Regelung zulässig ist oder nicht. Kritik am Festhalten der Regierung an der Indexierung kam am Dienstag von den Grünen.
Österreich habe eine Stellungnahme an die EU-Kommission übermittelt, mit der „die bisherige österreichische Position untermauert und im Detail nochmals ausgeführt“ worden sei, erklärte die für das Familienministerium zuständige Pressesprecherin Ursula Schimpl am Dienstag. „Es wird herausgearbeitet, dass die Familienbeihilfe in ihrem Ursprung eine bedarfsbezogene Sachleistung ist, die auf den jeweiligen Bedarf von Kindern abzielt“, heißt es in der Stellungnahme weiter. „Die Entscheidung liegt nun bei der EU-Kommission.“
Bereits zwei Mahnschreiben aus Brüssel an Österreich
Die EU-Kommission hat in der Angelegenheit bereits zwei Mahnschreiben an Österreich geschickt. Die EU-Behörde muss nun darüber entscheiden, ob sie den Europäischen Gerichtshof anruft. Wann dies geschehen werde, konnte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag nicht sagen. Man werde die Argumentation der Stellungnahme zunächst analysieren, hieß es.
Gemäß der türkis-blauen Regelung wird die Familienbeihilfe für in Österreich tätige Arbeitnehmer, deren Kinder im EU-Ausland leben, seit Jahresbeginn indexiert. Demnach wird der Betrag der Kaufkraft im jeweiligen EU-Land angepasst. Während sie in Hochpreis-Ländern dadurch höher wird, bringt sie für Arbeitnehmer aus osteuropäischen Ländern teils empfindliche Einbußen mit sich. Indexiert wird auch der Kinderabsetzbetrag. Die für die Anpassung zuständige Ressortchefin war damals Julia Bogner-Strauß (ÖVP). Sie hatte bereits in ihrer Antwort auf das erste Mahnschreiben der EU die Position der Volkspartei verteidigt: „Die Zahlung nicht den Lebensbedingungen anzupassen, wäre eine Ungleichbehandlung der Kinder in der EU.“
Indexierung laut EU-Sozialkommissarin „zutiefst unfair“
Die zuständige EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte zum Start des Vertragsverletzungsverfahrens im Jänner die Indexierung hingegen als „zutiefst unfair“ bezeichnet. Die Maßnahme, die von der türkis-blauen Bundesregierung gesetzt wurde, verhindere nicht einen „Sozialtourismus“, sondern treffe diejenigen Menschen, die zum österreichischen Sozialsystem beitragen. Die EU-Kommission habe immer klargemacht, dass es gleiche Leistungen für gleiche Beiträge am selben Platz geben müsse. Vor allem in den osteuropäischen Ländern führt die Indexierung demnach zu einer deutlichen Kürzung der Familienbeihilfe.
Im Wahlkampf hatte der ehemalige - und wohl auch nächste - Bundeskanzler, ÖVP-Chef Sebastian Kurz, angekündigt, auch eine „Taskforce Sozialleistungen“ für Zuwanderer implementieren zu wollen. In dieser sollen alle sozialen Leistungen erfasst, besser vernetzt und so potenzieller Missbrauch identifiziert werden. Bei 130.000 Kindern gehe die Familienbeihilfe derzeit ins Ausland, so Kurz im September: „Und für uns ist schwer festzustellen, ob es diese Kinder überhaupt gibt.“ Angesprochen auf die Indexierung der Familienbeihilfe, hatte Bundespräsident Alexander Van der Bellen zuletzt darauf verwiesen, dass die Frage nun auf europäischer Ebene liege.
Grüne kritisieren Festhalten an Indexierung
Kritik am Festhalten der Bundesregierung an der Kürzung der Familienbeihilfe für Kinder in Osteuropa kam am Dienstag von den Grünen. „Es ist absolut unverständlich, warum die Übergangsregierung weiterhin an der Indexierung der Familienbeihilfe festhält, obwohl sie offensichtlich EU-Recht widerspricht“, sagte die Delegationsleiterin der Grünen im Europaparlament, Monika Vana. Die Freizügigkeit und die Nicht-Diskriminierung von Arbeitnehmern seien Grundsätze der EU, die nicht aufgeweicht werden dürften, betonte Vana.
Österreich ist übrigens mit überdurchschnittlich vielen Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission konfrontiert. Von 1571 offenen Verfahren in allen 28 EU-Ländern per Jahresende 2018 liefen 66 gegen unser Land. Damit lag Österreich an neunter Stelle, was die Häufigkeit von Beanstandungen seitens Brüssel anbelangt. In 34 der 66 heimischen Fälle beklagte die Kommission eine zu späte Umsetzung von EU-Vorgaben. Der Rest teilt sich auf nicht korrekte Implementierungen von Unionsregeln sowie regelwidrige Regulierungen und Entscheidungen des eigenen Landes auf.
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