Österreichs Gastronomen tasten nach dem Glimmstängel-Verbot in Lokalen im Nebel unklarer Gesetzgebung herum. Szene-Wirt Heinz Pollischansky und Wirtschaftskammer-Vize Matthias Krenn zu nicht verrauchten Sorgen.
„Mehr als 2000 Pubs haben in Großbritannien nach dem Verbot, zum Pint eine Zigarette zu rauchen, zugesperrt“, sagt Wiens legendärer Szenegastronom Heinz Pollischansky und er befürchtet Parallelen zu Österreich. Auch wegen den Shisha-Bars, die im Gegensatz zum Nachbar Deutschland, vor dem Aus stehen. Wie es für ihn gelaufen ist in den ersten nikotinfreien Tagen? „Das Fortgeh-Wochenende war noch gut. Doch Montag herrschte in meinem ,Vino‘ Flaute. Das war erst der Anfang.“
„Wirte am Nasenring herumgeführt“
Ähnlich düstere Zeiten sieht der engagierte Wirtschaftskammer-Vize Kommerzialrat Matthias Krenn, auch Bürgermeister der Kärntner Gemeinde Bad Kleinkirchheim, auf die Gastronomie zukommen. „Dieses überbordende Gesetz ist eines der schärfsten in ganz Europa“, kritisiert der Hotelier. Drastisch formuliert: „Unsere Wirte werden hier von der Politik am Nasenring herumgeführt.“
Ärger geht erst los
Nichtraucher Pollischansky glaubt, dass das Ungemach so richtig erst ab 15. November losgeht, wenn die offizielle Schanigartenzeit endet und Raucher-Freiflächen gegen die Kälte mit Plastikplanen geschützt werden müssen: „Wegen der unsicheren Rechtslage könnte es Strafen hageln, weil es sich solcherart um geschlossene Räume handelt. Und für die gelten ja per Gesetz Verbote.“
Krenn sieht auch schon Dutzende „Waste Watcher“ ausschwärmen, um Jagd auf Sünder zu machen: „Viele Lokale haben ja gar keinen eigenen Platz für Zonen draußen, das Qualmen muss also zwangsweise auf öffentlichem Raum stattfinden. Durchaus möglich, dass dann Wirte sogar für achtlos weggeworfene Tschick haften müssen.“
Probleme werden zudem für die Christkindl- und Adventmärkte befürchtet: „Wir sehen schon die Raucher-Sheriffs in Scharen ausschwärmen, wenn sich die Besucher bei oder unter dem Dach eines Standls eine Zigarette anzünden.“
Marcin Gorski: „Umstellung war die beste Entscheidung“
Während unter Wirten über das Rauchverbot heiß diskutiert wird, schwor Marcin Gorski vom Café „Tachles“ in der Wiener Leopoldstadt schon vor Jahren dem Qualm ab und sieht heute nur Positives: „Einige Raucher blieben zuerst aus, viele hörten mit der Sucht auf, und neue Besucher kamen dazu.“ Dabei waren 90 Prozent der Stammgäste Raucher.
Man nützte die Gelegenheit, um sich mehr in ein Restaurant mit qualitativ hochwertigen Speisen zu entwickeln. Auch seine Angestellten sind dem Chef für den Schritt dankbar. Bis Sonntag wurden übrigens 1425 Lokalkontrollen in Wien durchgeführt. Es gab nur elf Raucher-Anzeigen bzw. acht wegen fehlender Kennzeichnung.
krone.tv-Reportage: Rauchverbot: Das war‘s!
Stummel vergiften Umwelt
Mit dem neuen Gesetz wächst die Gefahr, dass Zigarettenstummel vor den Lokalen achtlos weggeworfen werden. Diese sind hochgiftig! Weltweit werden jährlich geschätzte 4,5 Billionen Zigarettenstummel weggeworfen. In Wien sind es 850 Millionen dieser toxischen Giftcocktails, die mehr oder weniger achtlos entsorgt werden.
Substanzen können ins Grundwasser gelangen
Jede dieser aus Papier und Tabakresten bestehenden Kippen bedroht die Umwelt mehr, als wir denken. Denn die robusten Filter brauchen bis zu 15 Jahre, bis sie auf natürlichem Weg verrotten. Außerdem enthalten sie - so die WHO - bis zu 7000 verschiedene Chemikalien, wovon viele giftig für die Umwelt sind und mindestens 50 krebserregend sind.
„In Zigarettenfiltern sammelt sich ja ein Großteil der im Tabakrauch enthaltenen Schadstoffe, vor allem das Nikotin“, gibt Helmut Belanyecz vom Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz zu bedenken. Seine berechtigte Sorge: Dass die krebserregenden und erbgutverändernden sowie toxischen Substanzen über den Boden ins Grundwasser, sodann in Flüsse, Bäche und Meere gelangen.
„Jeder Raucher macht sich mitschuldig an Zerstörung des Planeten“
Der Experte appelliert aber auch an das Ökogewissen eines jeden Rauchers: „Jeder, der an einer Zigarette zieht, macht sich in gewisser Weise mitschuldig an der Zerstörung der grünen Lunge des Planeten. Denn für die Plantagen werden Regenwälder gerodet.“ Laut Greenpeace sind übrigens schon die Tabakblätter massiv mit Giften belastet - in ihnen finden sich Spuren von Blei, Arsen und sogar das radioaktive Element Polonium-210.
Mark Perry und Stefan Steinkogler, Kronen Zeitung
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.