Differenzen zum Trotz

Auch ÖVP einstimmig für Verhandlungen mit Grünen

Österreich
11.11.2019 12:31

Knapp zwei Wochen lang haben sich Türkis und Grün nun bei Sondierungsgesprächen „beschnuppert“ - jetzt haben die Parteigremien sowohl bei den Grünen als auch bei der ÖVP einstimmig beschlossen, dass man in Regierungsverhandlungen geht. ÖVP-Chef Sebastian Kurz betonte allerdings, dass es sich bei den Verhandlungen nach wie vor um einen „ergebnisoffenen Prozess“ handle. Die doch sehr unterschiedlichen Positionen, etwa in Sachen Klimaschutz, seien „kein Hindernis“, solange man sich gegenseitig respektiere. 

„Wir haben genau das getan, was wir vor der Wahl versprochen haben: mit allen Parlamentsparteien Gespräche geführt“, eröffnete Kurz am Montag sein Statement. Ihm sei bewusst, dass sich „viele Menschen jetzt schon Gewissheit wünschen, wer unser Land regieren wird“. Diese Gewissheit könne es aber derzeit noch nicht geben, so der ÖVP-Chef: „Was ich heute liefern kann, ist ein Zwischenschritt zur Regierungsbildung.“ Der Auftrag zur Regierungsbildung sei „eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, und wir versuchen, dieser mit Demut nachzukommen“.

ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz

Mit Hofer „nach wie vor gute Gesprächsbasis“
Kurz dankte anschließend allen Vertretern der Parlamentsparteien und betonte seine nach wie vor gute Gesprächsbasis mit FPÖ-Chef Norbert Hofer, der aber „bedauerlicherweise“ schon gleich nach der Wahl entschieden hatte, keine Sondierungsgespräche zu führen. Hofer bezeichnete die Entscheidung der ÖVP, mit den Grünen zu verhandeln, am Montag als „Auslieferung Österreichs“. Die SPÖ dagegen habe „sehr klare Positionen auf den Tisch gelegt“ und erklärt, dass sie für Regierungsgespräche zur Verfügung stünden. Mit den NEOS habe man zwar gesprochen, allerdings wäre mit den Pinken leider keine Mehrheit möglich gewesen, so Kurz.

Sebastian Kurz (ÖVP), Norbert Hofer (FPÖ) (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Sebastian Kurz (ÖVP), Norbert Hofer (FPÖ)

„Kreativität wird notwendig sein“
Mit den Grünen habe man sich anschließend aufgrund der doch teilweise sehr unterschiedlichen Positionen für längere Sondierungsgespräche entschieden. Auch seien die Grünen ja noch nie in einer Regierung auf Bundesebene gewesen, betonte Kurz: „Sollten wir eine Vereinbarung mit den Grünen zustande bringen, wird da auf jeden Fall ein Stück weit an Kreativität notwendig sein müssen.“ Da und dort werde es daher eine neue Form des Regierens sein bzw. sein müssen.

Sebastian Kurz (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Sebastian Kurz

Wie lange die Koalitionsverhandlungen laufen könnten, ließ Kurz offen. „Es kann auch länger dauern“, meinte er und stellte klar, dass die zwei Monate mit der FPÖ 2017 diesmal wohl nicht zu schaffen sein würden. Sicher ist laut Kurz: „Wir haben nicht vor, Parallelverhandlungen zu führen.“ 

ÖVP entschied einstimmig für Verhandlungen
Mit den Bünden und den Ländervertretern hatte sich der ÖVP-Chef bereits am Wochenende beraten. Doch während Grünen-Chef Werner Kogler die Zustimmung des Parteivorstandes brauchte, um in Regierungsverhandlungen zu gehen, hätte ÖVP-Chef gemäß dem türkisen Parteistatut sogar alleine diese Entscheidung treffen können.

Doch allzu große Bedenken dürfte es selbst bei alteingesessenen ÖVP-Granden nicht gegeben haben: Wie Kurz am Montag mitteilte, sei der Beschluss, mit den Grünen in Regierungsverhandlungen zu starten, einstimmig gefallen. Ein erstes Gespräch der beiden Parteivorsitzenden zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen wird es schon am Dienstag geben.

Ländervertreter positiv gestimmt
Jene Ländervertreter der Grünen, die bereits mit der ÖVP regieren, hatten sich zuvor von den anstehenden Verhandlungen durchaus angetan gezeigt, betonten aber, dass die Dinge nicht vergleichbar seien. Schließlich sei die Landesebene weniger ideologisch aufgeladen, meinte etwa der oberösterreichische Grünen-Landesrat Rudi Anschober. Von einer „anderen Liga“ sprach auch der Vorarlberger Landesrat Johannes Rauch. Er meint aber, dass man durchaus Erfahrungen aus den Ländern wie etwa das Vorarlberger Mindestsicherungsmodell für den Bund übernehmen könnte.

Der Bundessprecher der Grünen, Werner Kogler (Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)
Der Bundessprecher der Grünen, Werner Kogler

„Verhandlungen sind kein Selbstläufer“
Die immer wahrscheinlicher werdende türkis-grüne Koalition erfreut sich indes immer größerer Beliebtheit: Fast jeder Zweite wünscht sich laut Umfragen mittlerweile eine solche Regierung. Die einstimmige Zustimmung des Erweiterten Bundesvorstandes der Grünen ist insofern nicht verwunderlich. Ein „Selbstläufer“ seien die Verhandlungen dennoch nicht, so Kogler am Sonntag: „Das ist natürlich ein Wagnis, aber wir wollen den Schritt wagen“.

Johannes Hahn (Bild: AFP)
Johannes Hahn

EU-Kommissar Hahn „teilt Euphorie“
Auch der österreichische EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) wünscht sich, angesprochen auf die türkis-grünen Verhandlungen, „im Interesse Europas eine stabile Regierung, eine Regierung die logischerweise auch eine starke pro-europäische Ausrichtung hat, eine Regierung, die nicht nur in einer Periode denkt, sondern auch längerfristige Projekte angeht. Ich kenne noch nicht die Details, aber nachdem alle euphorisch sind, habe ich nichts dagegen, diese Euphorie zu teilen“, sagte Hahn am Rande des EU-Außenministerrates in Brüssel am Montag.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (Bild: APA/HANS PUNZ)
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner

Rendi-Wagner fordert Tempo
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner bezeichnete die Koalitionsverhandlungen zwischen Türkis und Grün am Montag in einer ersten Reaktion als „erwartbar“. Rendi-Wagner fordert ÖVP und Grüne auf, nun umgehend in Verhandlung zu treten und rasch eine neue Regierung zu bilden. „Die Inszenierungen und Verzögerungen müssen ein Ende haben. Es muss mehr Tempo geben.“ Österreich brauch „eine handlungsfähige, stabile Regierung“.

In dieselbe Kerbe schlägt auch NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die die Aufnahme von Regierungsverhandlungen zwischen den beiden Parteien begrüßt: „Jeder Tag, der ohne handlungsfähige Regierung vergeht, fehlt, um tragfähige Konzepte für die Zukunft zu bauen.“ Abzuwarten bleibe nach Ansicht aber, „ob sich dabei echte Reformen für übermorgen ausgehen werden, oder doch nur eine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners übrig bleibt“.

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