AK und ÖGB entsetzt

Kassenreform hält vor dem Verfassungsgerichtshof

Österreich
13.12.2019 12:03

Die Reform der Sozialversicherung hat im Wesentlichen vor dem Verfassungsgerichtshof gehalten. Sowohl die Strukturreform mit einer starken Reduktion der Träger als auch die paritätische Besetzung der Gremien zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern wurden vom VfGH in einer am Freitag verkündeten Entscheidung für verfassungskonform befunden.

Dass die Zusammenlegung der neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) nicht verfassungswidrig sei, begründete VfGH-Vizepräsident Christoph Grabenwarter mit dem rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Dieser benötige nicht in jedem Fall einen äußeren Anlass, um „eine wenn auch bewährte Organisationsform durch eine ihm günstiger scheinende zu ersetzen“. Dass durch die Reform eine sparsame, wirtschaftliche und zweckmäßige Verwaltungsführung nicht mehr gewährleistet wäre, sieht der VfGH nicht zwangsläufig.

VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter (Bild: APA/Hans Punz)
VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter

VfGH begründet Urteil auch mit Sozialversicherungsgesetz
Ähnlich argumentiert der VfGH in seinem Urteil, das gut 500 Seiten umfasst, bezüglich der Änderung bei der Zusammensetzung der Sozialversicherungsorgane. Dass die Arbeitnehmer etwa in der ÖGK nur noch die Hälfte und nicht mehr vier Fünftel der Vertreter stellen, sieht er durch den „erheblichen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers“ in dieser Frage gedeckt. Außerdem seien nach dem Konzept des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) nicht nur Dienstnehmer, sondern auch Dienstgeber Angehörige der Sozialversicherung. Zusätzlich erinnerte der VfGH an sein ähnlich lautendes Erkenntnis aus dem Jahr 2003 zur Reform des Hauptverbands.

Die Verfassungsrichter (Bild: APA/Hans Punz)
Die Verfassungsrichter

Verfassungswidrig ist hingegen die geplant gewesene Übertragung der Sozialversicherungsprüfung von den Kassen an die Finanz. Auch die Bestimmungen über den neuen Eignungstest für die Kassenfunktionäre wurden aufgehoben. Zur Übertragung des Sozialversicherungsprüfung an die Finanzbehörden heißt es: „Ein Regelungssystem, das einem im eigenen Wirkungsbereich entscheidenden Selbstverwaltungskörper praktisch jeden Einfluss auf Art und Umfang des Ermittlungsverfahrens nimmt, ist unsachlich und widerspricht den verfassungsrechtlichen Organisationsprinzipien der Selbstverwaltung.“

(Bild: APA)
(Bild: APA, krone.at-Grafik)

Zufriedenheit bei ÖVP und FPÖ
Die FPÖ sprach von einer „guten Entscheidung für unser Gesundheitssystem“. Die geplante Zusammenlegung der 21 Sozialversicherungsträger auf fünf könne nun „endlich unbeschwert vonstattengehen“, frohlockte Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. ÖVP-Klubobmann-Stellvertreter August Wöginger sah im Wesentlichen eine Bestätigung der Sozialversicherungsreform und „ein klares Bekenntnis zu einer modernen Selbstverwaltung“.

ÖVP-Klubobmann Wöginger (re.) mit Parteichef Sebastian Kurz (Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)
ÖVP-Klubobmann Wöginger (re.) mit Parteichef Sebastian Kurz
FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch (Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)
FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch

NEOS: „Kein Verfassungsbruch bedeutet noch nicht gute Politik“
NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker wies darauf hin, dass die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Reform „nicht in Frage stand“, doch „nur weil etwas nicht die Verfassung bricht, muss es nicht gute Politik sein“, stellte er klar. Zudem versichere die neue Österreichische Gesundheitskasse weiterhin „nur einen Teil der Bevölkerung“. Öffentlich Bedienstete würden weiterhin Besserstellungen gegenüber den ÖGK-Versicherten genießen.

NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker (Bild: APA/Herbert Pfarrhofer)
NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker

AK: „Neue Parität in der Sozialversicherung ist ungerecht“
Sowohl die SPÖ als auch Krankenkassen und Arbeiterkammern hatten Beschwerde gegen das türkis-blaue Prestigeprojekt eingelegt. Arbeiterkammer und ÖGB warnten davor, dass nun Selbstbehalte bei Arztbesuchen drohten. Zudem würde medizinischer Fortschritt nicht mehr allen zugutekommen. Denn durch die Parität in den Gremien könnten die Arbeitgebervertreter entscheiden, was mit den Beiträgen der Dienstnehmer geschieht.

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl blieb auch am Freitag dabei: „Die neue Parität in der Sozialversicherung ist ungerecht. Unsere Befürchtungen sind weiter aufrecht, denn die Interessenslagen von Arbeitnehmern und Unternehmen sind in weiten Bereichen gegensätzlich. Das hat sich zuletzt auch an den Vorstellungen der Wirtschaft zu schärferen Kontrollen von Krankenständen gezeigt.“

AK-Chefin Renate Anderl (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
AK-Chefin Renate Anderl

Sicherheitspaket vom VfGH aufgehoben
Doch die Anfechtung war weniger erfolgreich als im Fall des „Sicherheitspakets“, das am Mittwoch aufgehoben worden war.

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