In der Politik soll man mit Kampfbegriffen vorsichtig sein. Doch im kommenden Jahr wird in der Bundeshauptstadt Wien gewählt. Was sind die Folgen des Strache’schen Rosenkriegs in der FPÖ?
Große Veränderungen bei Traditionsparteien möglich
In der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl ist es denkmöglich, dass alle drei Traditionsparteien - SPÖ, FPÖ und ÖVP - Gewinne oder Verluste im zweistelligen (!) Prozentbereich erfahren. Wenn nämlich die SPÖ von knapp 40 Prozent und die FPÖ mit ihren mehr als 30 Prozent abstürzen. Die ÖVP könnte ihr Katastrophenergebnis von unter zehn Prozent 2015 verdoppeln. Derart große Gewinne oder Verluste im „Triplepack“ gab es in Österreich seit 1945 noch nie.
Verluste der FPÖ wegen Strache-Rauswurf absehbar
Strache raus! Die Verluste der FPÖ sind absehbar. Heinz-Christian Strache war 15 Jahre lang Wiener Parteichef und Spitzenkandidat der Blauen. 94 Prozent der Blau-Wähler nannten ihn einst als Wahlmotiv. Das ist Geschichte, nachdem er sich in Ibiza und mit seinen Spesen als moralische Niete erwiesen hat. Ob rechtlich was dran ist oder nicht. Also warf man ihn aus der Partei. Aber egal, wie viele oder wenige Stimmen Strache in der Wien-Wahl bekommt, sie gehen auf Kosten der Blaupartei.
Blaues Glaubwürdigkeitsproblem beim „kleinen Mann“
Schleierhaft bleibt, warum der Rauswurf nicht längst geschehen ist. Denn Straches Ex-Partei FPÖ hat ein Glaubwürdigkeitsproblem für den „kleinen Mann“. Für Spesengelder braucht es immer zwei. Einen, der viele Euros bekommt, also Strache. Und einen zweiten, der sie ihm zahlt. Das war die FPÖ. Hier geht es gar nicht um gefälschte Belege, sondern, was alle Beteiligten zugeben: zum Beispiel 2500 Euro Mietkostenzuschuss im Monat! Angeblich für berufliche Einladungen daheim. Doch wurde der Betrag monatelang weiterbezahlt, als Strache seit Mai gar kein Amt mehr innehatte.
Weniger Wahlbeteiligung oder Wahl des kleinsten Übels
Hartgesottene Blau- und Strache-Fans jammern immer, dass andere Politiker um nichts besser wären. Was ist das bitte für ein Argument? Niemand darf Untaten damit rechtfertigen, dass andere angeblich genauso viel anstellen. Durch das Image der Politiker „Die sind alle so!“ wird bei der Wien-Wahl entweder die Wahlbeteiligung sinken oder das kleinste Übel gewählt. Was demokratiepolitisch ein Alarmzeichen ist.
Verfestigte Nichtwähler bleiben frustriert zu Hause
Es sind sozial schwache Wenigverdiener, die frustriert zu Hause bleiben. Jene, die eine sinkende Lebensqualität in Wien empfinden, waren bisher zu zwei Dritteln blau. Fühlt man sich von der FPÖ verraten, was tun? Da gibt es viele, die weder mit dem blauen Streithaufen noch Spesenritter Strache etwas anfangen. Es fördert nicht die Beliebtheit der drei außerhalb der HC-Fanszene unbekannten Gemeinderäte Baron, Kops und Handler, dass sie für ihre Abspaltung eine Million Euro für ihren Klub plus Fortbildung bekommen. So entsteht das, was die Wahlforschung etwas holprig verfestigte Nichtwähler nennt.
Kaum realistische Chancen für Neugründung durch Altgediente
Eigentlich hätte eine neue Partei durchaus große Chancen. Aber kaum als Neugründung altgedienter „Ich kann nicht sein, ohne Politiker zu sein!“-Typen wie Strache. Würde Frank Stronach erst 2020 politisch auftauchen und hätte sich nicht inzwischen lächerlich gemacht, müsste man ihm bis zu 20 Prozent zutrauen. Klar, überzeugte Strache-Anhänger sehen diesen als armen Verfolgten und glauben an ein solches Ergebnis für seine Partei. Realistisch ist es nicht, wie uns ja kurioserweise nun die FPÖ mit Herbert Kickl & Co. an der Spitze durchaus richtig erklärt.
Dominik Nepp kennt fast kein Mensch
Apropos Kickl: Er dementiert jedwede Absicht und will nicht als Verantwortlicher sichere Verluste erklären müssen, doch im Grunde wäre er der beste Wien-Kandidat der FPÖ. Denn Dominik Nepp kennt fast kein Mensch. Damit ist nicht die namentliche Bekanntheit gemeint, die bekommt man durch Medienauftritte schnell. Es geht um ein Imageprofil, warum ihn irgendwer wählen soll. Das hat Kickl und Nepp nicht.
Dreierbeziehungen sind kompliziert
Wie immer die Sache ausgeht, die Koalitionsspiele werden spannend. Wenn die FPÖ sich spaltet und die SPÖ schwächelt, wer profitiert? Genau. Es kann sich theoretisch in Wien für ÖVP, Grüne und NEOS ausgehen. Dreierbeziehungen sind kompliziert. Im Privatleben und in der Regierung. Doch für den Wechsel der Parteifarbe eines Landeshauptmanns und Wiener Bürgermeisters lässt man sich auf alles ein.
Blaue Zerfleischung hilft der politischen Konkurrenz
Ach ja, und alle Nicht-FPÖ-Parteien sollten sich überlegen, warum sie in diesem Artikel gut wegkommen. Nicht, weil sie so toll sind! Sondern weil sich die Blauen zerfleischen. Für die SPÖ ist es ein Armutszeugnis, dass Wähler der FPÖ nicht zu ihr zurücklaufen. ÖVP-Stadtchef Gernot Blümel ist kein Stimmenbringer, die Struktur seiner Partei bestenfalls im Wiederaufbau. Die berühmten Döblinger Regimenter der Türkisen sind eher ein paar Leutchen beim Heurigen. Man surft bloß auf der Kurzwelle mit. Da bleibt allen Parteien bloß die Hoffnung, dass sich 30 Prozent der Wien-Wähler erst in den letzten Wochen (um-)entscheiden werden.
Peter Filzmaier, Kronen Zeitung
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