Die Kritik am FPÖ-Historikerbericht reißt auch einen Tag nach der Präsentation nicht ab. Der Medienwissenschaftler Stefan Weber erhob am Dienstag nun sogar einen Plagiatsvorwurf. So hätten Beiträge Übereinstimmungen mit Wikipedia-Artikeln. Kritik kommt auch von einer namhaften Historikerin.
Konkret habe Weber nach einer Schnellanalyse der ersten drei Beiträge in jenem des Historikers Michael Wladika über die NS-Vergangenheit von Funktionären der FPÖ und ihres Vorläufers, des Verbandes der Unabhängigen (VdU), „zahlreiche Übereinstimmungen“ mit Wikipedia-Artikeln gefunden.
Hier können Sie den gesamten FPÖ-Historikerbericht lesen.
„Mangelnde selbstkritische Auseinandersetzung“
Die Historikerin Heidemarie Uhl von der Akademie der Wissenschaften kritisierte wiederum eine mangelnde selbstkritische Auseinandersetzung im Historikerbericht. Uhl meinte am Dienstag im ORF-„Morgenjournal“, sich selbstkritisch auseinanderzusetzen sei offenbar nicht das zentrale Ziel der FPÖ mit diesem Bericht gewesen. Die gesamte zeitgeschichtliche Forschung sei offensichtlich negiert worden. Für die Expertin fehlt durchgängig ein klares Bekenntnis, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit auch für die Zukunft eine klare Grenzziehung von „sogenannten Einzelfällen“ und Antisemitismus bedeute.
FPÖ-Historiker: „Es gibt Nähe zum Nationalsozialismus“
Die FPÖ hatte nach mehrmaliger Ankündigung am Montag - einen Tag vor dem Heiligen Abend - ihren 668 Seiten dicken Historikerbericht zur Aufarbeitung der Parteigeschichte vorgelegt. Für den 668 Seiten langen Bericht war eine Reihe von FPÖ-nahen Wissenschaftlern, aber auch einigen parteifernen, angetreten, um einen Bogen vom FPÖ-Vorgänger VdU über das „Liedgut des Farbstudententums“ bis hin zu den „Einzelfällen“ in der FPÖ zu spannen. „Herausgekommen ist eine Serie von Studien, die die Geschichte des freiheitlichen Lagers unter besonderer Berücksichtigung eines Naheverhältnisses zum Nationalsozialismus beleuchten. Ein solches gibt es, das ist kein großes Geheimnis und historisch erklärbar“, sagte Historiker Thomas Grischany.
FPÖ-Chef Norbert Hofer, der der Präsentation fernblieb, räumt in seinem Vorwort ein, die Partei habe sich mit ihrer Geschichte - „und zwar mit jenen Aspekten, die auch Belastung für uns sind“ - zu lange „nicht auseinandergesetzt“.
Video: FPÖ präsentierte Historikerbericht
„Keine Einzelfälle, sondern das Wesen der FPÖ“
Scharfe Kritik kam bereits wenige Stunden nach der Präsentation von SPÖ und SOS Mitmensch. Der Veröffentlichungstermin sei ein „durchschaubares Manöver“, meinte die SPÖ-Abgeordnete Sabine Schatz. Offenbar wolle die FPÖ eine öffentliche Debatte und Kritik verhindern. Schatz kritisierte auch das Auslassen der FPÖ-Verbindungen zu Burschenschaftern und Identitären und die „seltsamen Rechtfertigungen rechtsextremer Einzelfälle“ in einem Beitrag von FPÖ-Generalsekretär Hafenecker. „Es sind keine Einzelfälle, es ist auch nicht der gern von FPÖ-Politikern zitierte ‚Narrensaum‘ der FPÖ, sondern es ist schlicht und einfach das Wesen dieser Partei“, hieß es aus dem Parlamentsklub der Sozialdemokraten.
Politberater ortet „PR-Trick“
Beinahe gleichlautend äußerte sich SOS Mitmensch auf Twitter: „Der Bericht soll offenbar über Weihnachten in der Versenkung verschwinden.“
Politberater Thomas Hofer ortete einen „PR-Trick“. Es gehe wohl darum, „eine kritische Diskussion darüber möglichst geräuschlos vor Weihnachten zu versenken, das ist offensichtlich“, sagte er. Hafenecker dagegen beteuerte, der gewählte Termin sei weder „Schikane der Journalisten“ noch „taktisches Manöver“.
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