Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) spricht über den Spagat zwischen Klimaschutz und Industrie, ihren digitalen Intelligenztest und Garteln im Mondschein.
Am Stubenring 1 haben Rudolf Anschober (Soziales), Elisabeth Köstinger (Landwirtschaft) und Margarete Schramböck die Büros. Die Wirtschaftsministerin, zuständig für 3700 Mitarbeiter, hat ihres seit unserem letzten Besuch noch farbenfroher gestaltet. An den Wänden hängen jetzt vier korrespondierende Bilder von Alice Blum-Mavrogordatoder, es könnten Bäume oder Blumen oder auch Gefäße sein. Die österreichische Künstlerin ist vor den Nazis geflüchtet und hat die Werke später der Republik vermacht.
„Die Serie heißt Metamorphosen“, erklärt Schramböck, die Bilder waren früher in verschiedenen Botschaften, unter anderem in New York, ausgestellt. „Jetzt hängen sie das erste Mal wieder gemeinsam. Ich mag die Farbgestaltung, sie wirken einfach beruhigend. Man hat eh so viel Stress und so hole ich mir mein Garteln ins Büro.“ Am Boden stehen Orchideen, der Tisch ist mit einer Speck- und Käseplatte gedeckt. „Alles aus Tirol“, lacht die Ministerin, nur der Kaffee wird in Wiener Neustadt geröstet.
„Krone“: Wie war es, nach der Angelobung wieder in „Ihr“ Ministerium zurückzukommen?
Margarete Schramböck: Es ist natürlich nicht „mein“ Ministerium, ich habe es für eine bestimmte Zeit geliehen bekommen. Zurückzukommen zum Team, zu den Menschen, die dieses Haus letztendlich ausmachen und tragen, war sehr berührend.
Wie haben Sie die Zeit nach der Abwahl der Regierung erlebt?
Aus dem Parlament auszuziehen war ein schwerer Moment. Es war für mich unverständlich, wie zwei Parteien - SPÖ und FPÖ - sich plötzlich zusammentun können und für Österreich dieses Risiko eingehen. Das habe ich als wenig verantwortlich empfunden. Aber ich bin jemand, der immer nach vorne blickt. Deshalb habe ich alles noch geregelt und übergeben und dann bin ich gleich nach Tirol gefahren. Tal auf, Tal ab habe ich dort wahlgekämpft, auf Hochrädern und Traktoren. Das Zusammensein mit vielen unterschiedlichen Menschen hat mir Kraft gegeben. „Ihr schafft das!“, habe ich oft gehört. Und das war dann auch so.
Und für Ihren Wahlkampf in Tirol hat der ÖVP-Chef Sie mit einer zweiten Amtszeit belohnt?
Ich freue mich sehr über das Vertrauen, das er in mich hat. Als Belohnung würde ich das nicht sehen. (Lacht.)
Nun regieren Sie mit den Grünen: Welchen Unterschied macht es in Ihrem Bereich, ob der Juniorpartner blau oder grün ist?
Wir stärken die Wirtschaft und kümmern uns gleichzeitig um die Menschen und die Umwelt. Das heißt ökosoziale Marktwirtschaft, daran hat sich nicht viel geändert. Wie die Zusammenarbeit mit den Grünen sein wird, werden wir erst sehen, wir stehen ja noch ganz am Anfang. Die Verhandlungen waren sehr respektvoll, deshalb gehe ich davon aus, dass auch die Zusammenarbeit so sein wird.
Aber macht es inhaltlich einen Unterschied?
Natürlich macht es einen Unterschied. Das beginnt bei der Gewichtung der Themen. Klimaschutz ist jetzt deutlich stärker gewichtet. Auch innerhalb unserer eigenen Reihen, das sind einfach die Zeichen der Zeit.
Wie grün wird die Wirtschaft?
Das Regierungsprogramm hat aus Wirtschaft und Industrie positives Feedback bekommen. Gerade Klein- und mittelständische Betriebe investieren ohnehin sehr stark in Umweltprojekte, in erneuerbare Energien. Die Voest mit ihrem Wasserstoffprojekt zum Beispiel. Die Unternehmen setzen sehr stark auf das Thema „Corporate Social Responsibility“. Wir betonen stärker unsere Innovationskraft und unsere Fähigkeiten, zum Umweltschutz beizutragen. Da haben wir ganz viele Unternehmen. In Tirol zum Beispiel das Start-up „ummadum“, eine Art private Mitfahrbörse. Denn eines unserer großen Probleme ist, dass sehr viele Autos unterwegs sind, aber in jedem sitzt nur eine Person drinnen oder zwei.
Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz - Green Deal -, geht das zusammen?
Das geht zusammen! Wir brauchen dazu aber die Unterstützung der Europäischen Union. Ein Beispiel: Wenn wir Gütertransport von der Straße auf die Schiene bringen wollen, dann braucht es einheitliche Regeln. Da kann es nicht sein, dass der Zug an jeder Grenze stehen bleibt, umrüsten, Schilder, Mannschaft austauschen muss. Für die Unternehmen ist der Zeitfaktor oft störender als die Kosten.
Ihre Aussage, dass Sie sich als „Dienstleister für Unternehmen“ verstehen, hat für Aufregung gesorgt. Würden Sie das wieder so sagen?
Ich habe gleichzeitig gesagt, ich bin Dienstleister an den Organisationen und an den Österreicherinnen und Österreichern, also Dienstleister für alle. Vor allem mit dem Digitalen Amt, das wir noch viel stärker ausbauen werden.
Ab welchem Zeitpunkt wird man alles in Österreich nur noch digital abwickeln können?
Das ist ein stufenweiser Prozess. Aber so, wie Sie es fragen, wird es nie stattfinden. Wir bieten immer auch den analogen Weg, das Persönliche an.
Die Digitalisierung hat unser Leben schon enorm verändert. Der Philosph Richard David Precht sagt, in Zukunft würden diese Veränderungen ohne ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht mehr zu schaffen sein. Glauben Sie das auch?
Der Herr Precht hat mich mal als seine „Lieblingsfeindin“ bezeichnet, das empfinde ich als Ehre. Wir haben in Alpbach schon einige Male miteinander diskutiert. Unsere Ansichten sind sehr unterschiedlich. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird nicht notwendig sein. Denn durch die Digitalisierung fallen zwar Jobs weg, aber es entstehen auch ganz neue Berufe, ganz neue Möglichkeiten. Ich bin da optimistisch. Nehmen wir als Beispiel das „Fräulein vom Amt“: Es gab in den 50er-Jahren ungefähr 3000 Fräuleins vom Amt. Heute gibt es mehr als 200.000 Menschen, die in der IT- und Telekom-Branche arbeiten. Diese digitalen Kompetenzen müssen wir mit Bildung vermitteln. Auch die Lehre für Erwachsene werden wir sehr schnell umsetzen.
Zu wie viel Prozent sind Sie selbst digitalisiert?
Als ich 1995 zu arbeiten begonnen habe - ich war als Assistentin in der internen Revision für Osteuropa zuständig -, hatte ich kein mobiles Endgerät, meine E-Mails also nicht dabei. Heute ist mein Büro dort, wo ich bin. Aufgabe des Digitalministeriums ist es, auf diesem Weg der Veränderung alle mitzunehmen, vor allem die Erwachsenen in den digitalen Kompetenzen zu stärken. Darum haben wir den digitalen Kompetenzcheck geschaffen.
Was soll das sein, ein digitaler Intelligenztest?
(Lacht.) Ein digitaler Kompetenzcheck, den jeder machen kann. Sie sehen dann, wo Sie ansetzen müssen und wo es noch Aufholbedarf gibt.
Kennen Sie Ihre tägliche Bildschirmzeit?
Ehrlich gesagt nein. Die verfolge ich nicht. Aber was ich schon mache: Wenn ich mit Menschen rede - und das ist ja eine meiner wichtigsten Aufgaben und eine meiner schönsten -, dann schalte ich das Handy auf lautlos und lege es weg. Im Übrigen tut regelmäßige digitale Auszeit jedem gut.
Wo verbringen Sie die?
Im Garten. Ich gehe jeden Abend in den Garten, egal wie spät es ist. So wie ich nach Hause komme, schnapp ich mir die Taschenlampe und drehe meine Runden. Gemüse ernten, Blumen schneiden, Unkraut jäten.
Was erlebt man da so?
Da ist einiges los! Die meisten Insekten sind nachtaktiv, man begegnet auch Kröten und Käfern und Würmern. Und Hummeln, das sind meine Lieblingstiere, weil sie so fleißig und so mutig sind. Eine Hummel kann sogar eine Maus in die Flucht schlagen.
Managerin der Digitalisierung
Geboren am 12. Mai 1970 in St. Johann in Tirol. Promotion an der Wirtschaftsuniversität Wien, die sie zur „Managerin des Jahres 2017“ wählte. Schramböck ist auch Ehrenmitglied im „Club Tirol“. Führungsfunktionen bei Alcatel, NextiraOne, Dimension Data Austria und A1 Telekom Austria. 2017 wurde sie Wirtschaftsministerin im Kabinett Kurz 1 und 2020 im Kabinett Kurz 2. Verlobt mit Marcel, das Paar lebt in einem Haus mit großem Garten (Schramböcks Hobby) in St. Andrä-Wördern, Niederösterreich.
Conny Bischofberger, Kronen Zeitung
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