146 Menschen, darunter auch sieben Frauen, verbüßen derzeit in Österreich die höchste Strafe - lebenslänglich. Einzigartig ist, dass Geschworene dieses Urteil mitfällen müssen.
Die Kärnterin, die aus Habgier einen Mord und Brandstiftungen in Auftrag gegeben haben soll; das brutale Attentat auf einen Beamten im Sozialamt von Dornbirn; ein erstickter 82-Jähriger in der Steiermark: Alle diese Aufsehen erregenden Prozesse um schreckliche Bluttaten endeten in den vergangenen Wochen, wie berichtet, mit Schuldsprüchen und lebenslänglicher Haft (nicht rechtskräftig). Doch was bedeutet die Höchststrafe in Östereich in der Realität? Müssen die Straftäter wirklich ausnahmslos bis zu ihrem eigenen Tod hinter Gittern bleiben?
Verurteilte durchschnittlich 19,2 Jahre in Haft
„Nein. Gesetzlich ist der früheste Entlassungszeitpunkt nach 15 Jahren“, so Julia Rieder vom Justizministerium. Paragraf 46.6 regelt es genau: „Ein zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe Verurteilter darf nur bedingt entlassen werden, wenn er mindestens 15 Jahre verbüßt hat und anzunehmen ist, dass er keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde.“ Das Vollzugsgericht entscheidet darüber, auch die betroffene Justizanstalt muss einverstanden sein. Durchschnittlich verbüßen Lebenslange in Österreich 19,2 Jahre, wie eine Auswertung der bedingten Entlassungen zwischen 2012 und 2018 ergeben hat.
Derzeit sitzen 146 Menschen lebenslänglich. „Darunter befinden sich mit Stichtag 1. Jänner auch sieben Frauen“, so Rieder. Am bekanntesten unter ihnen ist wohl Estibaliz C., die schöne „Eislady“, die ihre Liebhaber eingemauert hat. Sie ist nach einer spektakulären Flucht seit bald neun Jahren in Haft, schreibt auch Bücher über ihr Schicksal.
Unvergessen auch die „schwarze Witwe“ Elfriede Blauensteiner, die Männer vergiftet hatte – sie starb nach sieben Jahren Haft. Und die als Mordschwestern von Lainz berüchtigten Pflegerinnen wurden nach 19 Jahren unter strengen Auflagen entlassen.
Mord, Vergewaltigung, Missbrauch und Raub mit Todesfolge
All ihre Geschichten zeigen, dass lebenslänglich nur in den grausamsten Verbrechen verhängt wird: bei Mord, bei Vergewaltigung oder Missbrauch, wo die Opfer getötet werden, bei schwerem Raub mit Todesfolge, bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Es ist auch keine Strafe, die leichtfertig erfolgt – und eine, mit der viele leben müssen: Denn die Geschworenen – immerhin großteils juristische Laien – bemessen sie nach ihrer geheimen Beratung gemeinsam mit den drei Berufsrichtern (siehe Interview unten).
Das Justizministerium hat für die „Krone“ auch Zahlenmaterial ausgehoben: Seit dem Jahr 1990 gab es jedes Jahr zwischen drei (2002) und 17-mal (1993) lebenslänglich. Für 187 Häftlinge endete zwischen 2001 und 2017 eine lebenslange Freiheitsstrafe - bei 30 durch den Tod, 31 wurden ausgeliefert, vier sind geflüchtet, bei acht gab es einen Aufschub und 113 wurden bedingt entlassen. Interessanterweise waren auch unter diesen 187 Menschen, mit denen sich eine Arbeitsgruppe näher befasst hat, exakt sieben Frauen.
„Lebenslang muss von allen mitgetragen werden“
Gerichtssprecher Christian Liebhauser, selbst erfahrener Strafrichter, sprach mit der „Krone“ über die acht Geschworenen und ihre große Aufgabe.
„Krone“: Wie kommt Lebenslang als Urteil zustande?
Christian Liebhauser: Die acht Geschworenen entscheiden alleine nach vorangegangener Belehrung durch den 3-Richter-Senat über die Schuldfrage. Sie sitzen in einem eigenen Raum und kommen erst zu den Richtern, wenn sie fertig sind. Dann wird gemeinsam das Strafmaß ausgemessen - eine lebenslängliche Freiheitsstrafe muss von allen mitgetragen werden.
Müssen Geschworene ihre Entscheidung zur Schuldfrage begründen?
Nein, der Wahrspruch ist die Begründung. Als Korrektiv können die Berufsrichter diesen aussetzen, wenn sie alle der Ansicht sind, dass sich die Geschworenen geirrt haben. Dann muss das Verfahren an einem anderen Gericht neu durchgeführt werden.
Sind Laien bei komplexen Sachverhalten nicht auch überfordert?
Es gibt seit Jahren Überlegungen, das Geschworenengericht zu ersetzen - durch einen größeren Schöffensenat, bei dem Berufsrichter auch über die Schuld miteinscheiden dürfen. Aber das ist eine rechtspolitische Entscheidung.
Daten und Fakten
Kerstin Wassermann, Kronen Zeitung
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