Im steirischen Mellach steht das letzte Kohlekraftwerk des Landes. In wenigen Wochen endet aber auch hier die Stromerzeugung. Viele Mitarbeiter waren vom Beginn in den 1980ern weg dabei. Der Standort bleibt vorerst als eiserne Energiereserve.
In zugigen 80 Metern Höhe werden die Dimensionen so richtig erkennbar. Vom „Balkon“ des Kesselhauses lässt sich das Kraftwerksareal am durch die Mur getrennten „Drei-Gemeinden-Eck“ (Fernitz-Mellach, Wildon und Werndorf) überblicken. Das große Kohlelager im Freien ist bereits weitgehend aufgebraucht, etwa 100.000 Tonnen liegen hier noch.
Früher, da gab es östlich der Bahnschienen ein zweites, gleich großes Lager. Dort steht längst das neue Gaskraftwerk des Energiekonzerns Verbund.
Kohle-Euphorie in den 1980er-Jahren
Der Beginn von „früher“ ist noch gar nicht so lange her. Im Jahr 1986 ging das Kohlekraftwerk Mellach in Betrieb. Nachdem die Österreicher bei der Zwentendorf-Abstimmung der Atomkraft die rote Karte gezeigt hatten, galt Kohle als Energieträger der Zukunft. In den 1980er-Jahren entstanden mehrere große Kraftwerke, etwa in Voitsberg. Nach dem Aus in Dürnrohr (NÖ) im Vorjahr ist nur noch Mellach übrig geblieben. Es ist das letzte Kraftwerk seiner Art in ganz Österreich.
175 Meter hoher Kamin prägt die Landschaft
„Es entspricht heute noch dem Stand der Technik“, betont Christof Kurzmann-Friedl, der stellvertretende Leiter am Standort. Damals sei man seiner Zeit sogar voraus gewesen, habe sehr viel Wert auf Umweltschutz gelegt. Ein Großteil der Anlage dient der Entstickung, Entstaubung und Entschwefelung, erst dann wird das Rauchgas aus dem 175 Meter hohen Kamin, der den Blick im Grazer Feld prägt, geblasen. Bei diesem Prozess entsteht auch Gips und so genannte Flugasche, beides ist bei der Zementindustrie sehr gefragt.
Auf unserem Rundgang treffen wir Mitarbeiter auf Kontrollgang. „Kesselflüsterer“ nennt sie Kurzmann-Friedl voller Respekt, denn ihr Gehör ist außergewöhnlich. „Sie erkennen an Geräuschen, wo es ein Problem geben könnte.“ Angesichts der Lärmkulisse klingt das für Laien unglaublich.
Einige Arbeiter gehen mit Kraftwerk in Pension
140 Mitarbeiter gibt es am gesamten Standort, mehrere von ihnen sind seit Beginn an dabei, hatten quasi ein berufliches Kraftwerksleben und gehen nun mit der Anlage in Pension. Entsprechend verbunden sind sie mit ihrem Arbeitsplatz. Als am 15. November die letzte Steinkohlelieferung per Zug aus Ostrava (Tschechien) eintraf, wurde das zelebriert. Jeder konnte ein paar kleine Stücke nach Hause nehmen.
Fernwärmeversorgung fällt weg
An welchem Tag tatsächlich die letzte Kohle verfeuert wird, ist noch offen. Ende März oder Anfang April dürfte es soweit sein. Das Aus für das Mellacher Kohlekraftwerk hat aber auch Auswirkungen auf die steirische Landeshauptstadt, war es doch bisher ein Stützpfeiler für die Fernwärmeversorgung von Graz. Nun läuft der Liefervertrag aus. Kalt sollen die Grazer Wohnungen aber nicht bleiben, Alternativen - etwa Abwärme von der Sappi in Gratkorn - wurden geschaffen.
„Feuerwehr“ im Stromnetz
Wie geht es mit dem Kohlekraftwerk weiter? Von Abriss ist keine Rede. Die Anlage kann auch mit Erdgas betrieben werden und bleibt zumindest bis September 2021 am Netz - als „Feuerwehr“, wenn in Österreichs Stromversorgung einmal alle Stricke reißen. Eine Verlängerung dieses Vertrags ist nicht ausgeschlossen. „Wir haben das Personal, die Anlagen und das Know-how“, sagt Kurzmann-Friedl.
Am Kraftwerksareal südlich von Graz ging übrigens schon vor sechs Jahren eine Ära zu Ende: Da wurde das alte Heizöl-Erdgas-Kraftwerk auf der anderen Seite der Mur stillgelegt. Der hohe Kamin wurde schon rückgebaut, ab März folgt dann die restliche Anlage.
Leistungsstärkste Kraftwerk Österreich
Weiterhin in Betrieb ist ein Mur- und das 2012 eröffnete Gas- und Dampfkraftwerk, mit 838 Megawatt das leistungsstärkste Kraftwerk Österreichs. Anfangs stand es als Folge der Wirtschaftskrise fast durchgehend still, mittlerweile ist es laut dem Verbund eine unverzichtbare Netzstütze, vor allem wenn Wind- und Sonnenkraftwerke nicht produzieren können.
Laut Vertrag muss die Anlage in so einem Fall innerhalb von sechs Stunden hochgefahren werden, die Teams stehen Gewehr bei Fuß. Technisch könnte sie übrigens auch Fernwärme liefern.
Einblick in die Energie-Zukunft
Gas ist eine Brückentechnologie. Am Standort wird aber auch an der Zukunft geforscht, er soll zu einem Technologiezentrum im Verbund-Konzern werden. Christof Kurzmann-Friedl: „Die Voraussetzungen sind ideal: die Mur, die 380-kV-Leitung, ein starker Erdgas-Anschluss, der Bahnanschluss, die Nähe zur Autobahn.“
Einiges wird schon erprobt, etwa Pufferspeicher und Schnellladestationen für E-Autos oder der Einsatz von Wasserstoff beim Antrieb der Gasturbinen. Viel mehr soll noch folgen.
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