Endlich wieder gesund: Wiens Ex-Bürgermeister Michael Häupl über seine Erkrankung, Corona, Flüchtlinge und die Parteichefin der SPÖ.
„Krone“: Herr Dr. Häupl, es ist die langweiligste Einstiegsfrage, die man sich vorstellen kann, aber in Ihrem Fall muss ich sie stellen: Wie geht es Ihnen?
Michael Häupl: Es geht mir wieder gut. Ich hatte eine Frühform von Nierenkrebs und eine Operation, die exzellent gut verlaufen ist, aber dann sind nachher Probleme aufgetreten. Etwa mit einem Abszess und einer Sepsis. Für all das gibt es nur einprozentige Wahrscheinlichkeiten, aber ich habe überall Hier geschrien. Das war eine extreme Herausforderung für die Ärzte, einschließlich auch meiner Frau, und auch für mich. Zwölf Wochen Spital sind schon intensiv.
Sie waren wochenlang auf der Intensivstation, es kam zu einer sechsstündigen OP, danach Behandlung, Reha. Wie knapp war es wirklich?
Das kann man selber so schwer beurteilen. Meine Frau sagt, es war eine echte Gefährdung da. Sie ist ja eine sehr erfahrene Ärztin. Selber habe ich es nicht so empfunden, gebe ich zu. Was aber möglicherweise auch damit zusammenhängt, dass mir die behandelnden Ärzte ein hohes Niveau an Resilienz zugestanden haben.
Sie kennen ja Wien. Uns hat im Herbst 2019 die Meldung erreicht: Der Häupl liegt im Sterben.
Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Nach meinem subjektiven Gefühl war das bei Weitem übertrieben und von Kondolenztelegrammen ist Abstand zu nehmen.
Wir haben schon überlegt, einen Nachruf vorzubereiten. Aber so pietätlos sind wir nicht.
(lacht) Danke vielmals. Das ist sehr rücksichtsvoll.
Was hätten Sie vom Titel „Jetzt bringen ihm die Engel den Spritzwein“ gehalten?
Der hätte mir sehr gut gefallen. Hätte ich auch nicht zynisch empfunden. Ich hoffe, er hätte dort oben so gut geschmeckt wie in natura.
Ihre Krankheit haben Sie überstanden. Und jetzt Corona. Haben Sie Angst?
Nein! Man soll das aber auch nicht zerblödeln. Das ist für eine bestimmte Gruppe in der Bevölkerung, vor allem für ältere und immunschwächere Menschen, ein echtes Problem. Aber das ist die Influenza auch.
Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie am Ende Ihrer Amtszeit immer seltener draußen bei den Menschen waren. Haben Sie beim Thema Home-Office womöglich Pionierarbeit geleistet?
(lacht) Nein, sicher nicht. Dass ich am Ende meiner Amtszeit weniger draußen war, hängt vielleicht damit zusammen, dass mich meine Parteifreunde zu sehr beschäftigt haben.
Der Vorteil, wenn eine Veranstaltung wie der 1. Mai abgesagt wird, ist doch, dass niemand ausgebuht werden kann, oder?
Es hätte aber auch den extremen Nachteil, dass niemand ganz liebevoll und freundlich verabschiedet werden kann.
Haben Sie den Fragebogen über den Verbleib von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner schon ausgefüllt?
Selbstverständlich.
Werden Sie sie unterstützen?
Selbstverständlich.
Warum ist das so selbstverständlich?
Weil ich grundsätzlich davon ausgehe, dass eine Parteivorsitzende ein Anrecht auf Loyalität hat.
Sie konnten sich ja gesundheitsbedingt noch nicht dazu äußern. Was halten Sie von der neuen Bundesregierung?
Naja, sie ist mir um vieles lieber als Türkis-Blau. Aber wo die Schwierigkeiten liegen, sieht man anhand eines Beispiels. Der eine sagt, es darf kein Flüchtling ins Land, der andere, man soll doch zumindest aus einem europäischen Flüchtlingslager kranke Kinder natürlich mit ihren Müttern herausholen. In der „Pressestunde“ fand ich den Kanzler dazu sehr interessant. Da hat er gemeint, dass er persönlich viel Empathie und Sorge empfindet, wenn er die Bilder im Lager sieht, aber er muss in der Staatsraison halt so handeln, nämlich den Kanzler Gnadenlos spielen. Da kann ich ihm nur wünschen, dass er die Position rasch überdenkt, denn wenn man einen solchen Widerspruch aufstellt zwischen Empfinden und Handeln, wird man in schwere psychische Probleme schlittern.
Was hätten Sie denn getan?
Ich hätte gesagt, dass unbegleitete minderjährige Mädchen herausgeholt werden. Schließlich befinden sich diese Menschen auf griechischem Boden, also in der EU. Das habe ich damals auch gemacht aus einem österreichischen Lager.
Also auch Wien soll Flüchtlinge holen und betreuen?
Ja. Europa muss dieses Problem organisatorisch lösen. Es geht primär um Humanität und Ordnung.
Bürgermeister Michael Ludwig windet sich ja ziemlich in der Frage. Hat die SPÖ seit Ihnen kein Herz für Kinder?
Das glaube ich nicht. Ich bin überzeugt, dass er das genauso sieht. Das sind kranke Kinder. Wenn man da nicht weich wird, hat man nur noch ein verhärtetes Herz.
Von allen Wiener Parteien ist die Position der SPÖ aktuell die schwammigste.
So schwammig sehe ich das gar nicht, wenn Ludwig sagt, wir zeigen Solidarität, wenn uns die Bundesregierung auffordert.
Also helfen nur dann, wenn man darum gebeten wird?
Helfen dann, wenn es notwendig ist. Scheint mir nicht so blöd zu sein.
Also zuschauen?
Nein, aber es kann ja nicht der Wiener Bürgermeister nach Lesbos fahren und sagen: So, den, den und den pack ich mir jetzt ins Tascherl ein und fahr mit denen heim. Das ist ja Unfug.
Sandra Frauenberger, Sonja Wehsely, Renate Brauner, Sie selbst. Das alte Team Häupl trifft sich permanent bei Untersuchungskommissionen. Liegt da aus Ihrer Ära so viel im Argen?
Welche Untersuchungskommissionen?
Krankenhaus Nord und parteinahe Vereine. Renate Brauner war diese Woche wieder geladen.
Das ist richtig, aber das ist die Einzige. Weder Frauenberger noch Wehsely noch ich. Lassen wir die Kirche im Dorf.
Also eh nur die ehemalige Finanzstadträtin.
Warum sie vorgeladen wurde, muss man die Mitglieder der Kommission fragen, nicht mich. Ja, ich war beim Krankenhaus Nord. Alles, was ich dazu zu sagen habe, ist in den Protokollen nachzulesen.
Für die Wien-Wahl warnt die SPÖ vor einer türkis-grün-pinken Mehrheit an Ludwig vorbei. Was wäre nach 101 Jahren rotes Wien so schlimm an einer Veränderung?
Das ist auch so eine köstliche Metapher. Man braucht sich nur anschauen, was aus Wien geworden ist. Ich zitiere ja nicht rasend gerne den „Kaiser“ vom ORF, aber als der Strache bei ihm war, hat er zu ihm gesagt: Wien ist doch an erster Stelle der lebenswertesten Städte und das wollen Sie ändern? Das ist ein ziemlich gutes Bild.
Und jetzt? Verabschieden wir uns mit Händeschütteln oder gehen wir grußlos auseinander?
Mit Händeschütteln. Aber nachher desinfizieren!
Michael Pommer, Kronen Zeitung
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