Türkis-Grün bringt angesichts der Coronavirus-Krise ein weiteres Justiz-Paket auf den Weg: Mit einer umfassenden Novelle, die am Freitag vom Nationalrat verabschiedet werden soll, soll einerseits die Justizministerin in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt werden, andererseits sollen zahlreiche gerichtliche Fristen - in Verwaltungsverfahren, bei Gericht und vor dem Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof (VfGH und VwGH) - nach hinten geschoben werden. Der Antritt von Strafen kann zudem nach hinten verlegt werden, wie die Ministerinnen Karoline Edtstadter (ÖVP) und Alma Zadic (Grüne) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mitteilten.
Vorgesehen ist - die Zustimmung des Parlaments vorausgesetzt -, dass die gesetzlichen Fristen ab Inkrafttreten bis 30. April unterbrochen sind und mit 1. Mai neu zu laufen beginnen. Das betrifft sämtliche Verwaltungsstrafverfahren, aber auch Asylverfahren, wo im Falle von Negativbescheiden der Fristenlauf für Rechtsmittel vorerst ausgesetzt wird, wie Edtstadler feststellte. Damit müssten wohl auch Beschwerden und Revisionen an Höchstgerichte aufschiebende Wirkung zukommen. Internationale Fristen wären von der Hemmung aber nicht betroffen, betonte die Ministerin.
Ausgenommen von der Unterbrechung des Fristenlaufs sind Verfahren über die Aufrechterhaltung einer freiheitsentziehenden Maßnahme. Allerdings kann die Justizministerin anordnen, dass Fälle, in denen das Ausmaß der Freiheitsstrafe drei Jahre nicht übersteigt, bis maximal Ende des Jahres aufgeschoben werden.
„Insolvenzbremse“ für Unternehmen
Im Insolvenzrecht will die Regierung zur Entlastung von Unternehmen eine „Insolvenzbremse“ einführen. Derzeit ist bei Vorliegen der Insolvenzvoraussetzungen - Zahlungsunfähigkeit bzw. bei Gesellschaften auch die Überschuldung - der betroffene Unternehmer verpflichtet, längstens innerhalb von 60 Tagen ein Insolvenzverfahren einzuleiten. Diese Frist soll auf 120 Tage erstreckt werden, um vor allem Ein-Personen- und Kleinunternehmen die Möglichkeit zu geben, in der Coronavirus-Krise nicht gleich in die Knie gehen zu müssen.
„Der Staat, die Verwaltung, die Regierung müssen funktionieren. Auch in Krisenzeiten“, betonte Edtstadler. Daher sollen der Ministerrat und die Höchstrichter des Landes zukünftig mit Umlaufbeschlüssen agieren können. Im Bereich der Verwaltung sollen Behörden die Möglichkeit bekommen, im Krisenfall zur Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung Zuständigkeiten an andere Behörden zu übertragen.
Mündliche Verfahren oder Anhörungen sollen der Novelle zufolge vorerst nur mehr eine Ausnahme darstellen. Sie sollen nur in Fällen abgehalten werden, in denen dies zur „Aufrechterhaltung einer geordneten Rechtspflege unbedingt erforderlich ist“.
Auch Hauptverhandlungen möglichst per Videoschaltung
Im Bereich der Strafgerichtsbarkeit werden Haftverhandlungen und Vernehmungen durch Staatsanwälte bereits per Videoschaltung in die Justizanstalten abgewickelt. Das soll zusehends auch auf Hauptverhandlungen ausgeweitet werden, wobei die dafür erforderlichen technischen Voraussetzungen im Aufbau begriffen sind, wie Justizministerin Zadic einräumte.
Nicht dringend erforderliche Verhandlungen werden verlegt, wo das nicht möglich ist - beispielsweise in Haftsachen - sind die Richter dazu angehalten, aus Sicherheitsgründen die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Urteile müssen allerdings öffentlich verkündet werden.
Corona-bedingte Isolationen bzw. überhaupt Gebietsbeschränkungen können es zudem notwendig machen, dass eine andere Staatsanwaltschaft oder ein anderes Gericht für zuständig erklärt wird. Rsb- und Rsa-Ladungen und die Zustellung anderer Schriftstücke soll ausschließlich in Haftsachen erfolgen.
Corona-Verdachtsfälle müssen Haft per Anordnung nicht antreten
Anordnen kann die Justizministerin auch, dass Corona-Kranke bzw. Verdachtsfälle nicht ihre Haft antreten. Auf freiem Fuß bleiben die Personen jedoch nicht automatisch, sondern es kann auch eine sogenannte Haft anderer Art, erforderlichenfalls in einer öffentlichen Krankenanstalt, vollzogen werden.
Wer seine ihm auferlegte gemeinnützige Tätigkeit wegen der Corona-Krise nicht ausüben kann, muss auch keine Ersatzfreiheitsstrafe antreten, bis wieder die Möglichkeit zur Tätigkeit besteht.
Justizwache laut Zadic „vor ganz großen Herausforderungen“
Besonderen Dank und Anerkennung zollte Zadic der Justizwache, die im Zeichen von Covid-19 „vor ganz großen Herausforderungen“ stehe. „Bis jetzt gibt es keinen Corona-Fall in einer Justizanstalt“, betonte die Justizministerin. Es bedürfe aber „immer restriktiverer Maßnahmen“, dass es dabei bleibt.
Nachdem Häftlingsbesuche weitgehend gestrichen wurden, sollen Justizwachebeamte in nächster Zeit nur mehr gruppenweise in Teams arbeiten, damit im Fall einer Infektion nicht der gesamte Kollegenkreis in Quarantäne geschickt werden muss. Außerdem müssen Beamte täglich vor Dienstantritt Fieber messen und eine Risikoanamnese beantworten. Was Häftlinge betrifft, verwies Zadic auf die jüngst eingerichteten Isolierstationen, in die Neuaufnahmen in Justizanstalten zunächst untergebracht werden, bis feststeht, dass die Neuankömmlinge gesund sind.
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