Österreichs Parteien haben Kritik an der in Ungarn geplanten Notfallgesetzgebung aufgrund der Coronavirus-Krise geübt. Die von der rechtsnationalen Regierung von Viktor Orban eingebrachte Vorlage sieht in einer „Gefahrensituation“ das Regieren per Dekret auf unbestimmte Zeit vor.
„Die Europäische Union darf auf keinen Fall zulassen, dass sich eines ihrer Mitgliedsländer im Fahrwasser der Krise in einen semi-autoritären Staat verwandelt“, so die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, in einer Aussendung vom Montag. „Stimmt das Parlament diesem Entwurf zu, würde es sich praktisch selbst ausschalten und zumindest bis zum Ende dieses Jahres alle Macht in die Hände der Regierung legen“, warnt die Vizeklubchefin vor einem „gefährlichen Präzedenzfall“.
Zudem weist sie darauf hin, dass laut der Vorlage Verstöße gegen die Coronavirus-Quarantänemaßnahmen bis zu acht Jahre und die Verbreitung von „Falschnachrichten“ bis zu fünf Jahre Haft nach sich ziehen können.
„EU-Veto muss sofort passieren“
Monika Vana, Delegationsleiterin der Grünen im Europaparlament, forderte ein promptes Vorgehen der Europäischen Union. „Die EU muss jetzt unverzüglich handeln und in einem gemeinsam akkordierten und eindeutigen Akt aller drei Institutionen diesen Corona-Putsch Orbans zur Ausschaltung des ungarischen Parlaments stoppen“, schrieb sie in einer Aussendung. „Das EU-Veto muss sofort passieren“, drängte Vana zur Eile.
„Nur EU-Kommission, -Parlament und -Rat können in einem gemeinsamen Kraftakt Orban noch stoppen“, so Vana. Man müsse „sämtliche Sanktionsmöglichkeiten ausschöpfen, von der Direktverwaltung der EU-Mittel bis zum Stimmrechtsentzug“. Sie warnte: „Gelingt Orban auch dieser Coup, verliert Ungarn seine Demokratie und die EU ein Mitgliedsland.“
SPÖ fordert Einschreiten der EU
Jörg Leichtfried, europapolitischer Sprecher und Vizeklubobmann der SPÖ, forderte in einer Aussendung ein Einschreiten der EU: „Seit Jahren beobachten wir, wie Viktor Orban Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Presse- und Meinungsfreiheit demontiert. Was jetzt geplant ist, ist de facto die Möglichkeit zur Ausschaltung des Parlaments und wäre das Ende der parlamentarischen Demokratie in Ungarn. Trotz Corona-Krise braucht es jetzt ein rasches, entschlossenes Handeln der EU, um diesen Irrsinn zu stoppen. Die Krisenbewältigung darf nicht auf Kosten der Demokratie gehen!“, so Leichtfried.
Die SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath appellierte ihrerseits an die Abgeordneten im ungarischen Parlament: „Arbeiten Sie nicht an der eigenen Demontage mit. Noch haben Sie die Möglichkeit, zu gestalten und Ungarns Rechtsstaat zu retten.“ Vollath erwartet sich laut ihrer Aussendung auch von sämtlichen Regierungschefs im Europäischen Rat eine klare Ablehnung dieses Vorhabens.
Der NEOS-Sprecher für Äußeres, Helmut Brandstätter, äußerte sich am Montag ebenfalls besorgt über die Entwicklungen in Ungarn. Er forderte in einer Aussendung die Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz auf, der „Entmachtung des Parlaments nicht zuzustimmen“. „Die EU-Kommission muss alle Maßnahmen der ungarischen Regierung genau prüfen. Und dann muss geklärt werden, ob Orban weiter mit dem Geld europäischer Demokratien die Demokratie in Ungarn abschaffen darf“, so Brandstätter.
EU-Kommission hält sich zurück
Die EU-Kommission will sich nicht zu dem Gesetzesentwurf in Ungarn äußern. Ein Sprecher der EU-Kommission betonte am Montag in Brüssel aber: „Alle Notmaßnahmen sollen zeitlich befristet sein.“ Die Kommission sei sich bewusst über den ungarischen Gesetzesentwurf, wolle diesen aber nicht kommentieren, sagte Sprecher Christian Wigand. Die EU-Kommission verfolge die Entwicklung in allen EU-Staaten bei den Bemühungen im Kampf gegen das Coronavirus.
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