Das wegen der Corona-Krise beschlossene Notstandsgesetz in Ungarn stößt quer durch Europa auf massive Kritik. Es ermöglicht dem rechtsnationalen Premier Viktor Orban das Regieren per Dekret für unbestimmte Zeit. Einzig EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sowie Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz reagierten darauf bisher sehr zurückhaltend.
Werner Kogler beispielsweise übte „schärfste Kritik“ an der Selbstausschaltung des ungarischen Parlaments und der neuen Machtfülle für Orban. Kogler erwartet nun ein Vorgehen der EU. „Wir können das nur schärfstens kritisieren“, sagte der Vizekanzler. Einen Dissens zu Kurz sieht Kogler nicht. „Wir stimmen überein, dass wir in Österreich einen völlig anderen Weg gehen. Man braucht das Parlament nicht ausschalten“, sagte der Grünen-Chef.
Rendi-Wagner: Darf keinem Demokraten egal sein“
In dieselbe Kerbe schlug SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. „Orban verordnet der ungarischen Demokratie auf unbestimmte Zeit Quarantäne“, schrieb die Ex-Gesundheitsministerin und außenpolitische Sprecherin der SPÖ auf Twitter. „Die Corona-Krise zu missbrauchen, um das Parlament handlungsunfähig zu machen, ist völlig inakzeptabel und darf keinem Demokraten und keiner Demokratin egal sein“, betonte sie.
Nationalrats- und EU-Abgeordnete von SPÖ, Grüne und NEOS sowie der ÖVP-EU-Abgeordnete Othmar Karas verlangten in einer gemeinsamen Erklärung ein „entschiedenes Einschreiten“ der EU-Kommission. Die Europäische Kommission müsse „umgehend Stellung beziehen und mit dem Europäischen Gerichtshof entschieden einschreiten“, forderten sie.
„Momentan andere Sorgen“
Kurz dagegen hüllte sich bis dato in Schweigen. Er habe Europaministerin Karoline Edtstadler gebeten, die Vorgänge in Ungarn genau zu verfolgen, heißt es aus dem Kanzleramt. Zuvor meinte der Kanzler, er habe „momentan andere Sorgen“.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sagte in einem Statement, alle Notmaßnahmen müssten verhältnismäßig und „dürften nicht unbegrenzt sein“ - ohne Ungarn namentlich zu erwähnen. Scharfe Kritik gegenüber Orban sieht anders aus.
Lendvai: „Vorbereitung für Möglichkeit der Diktatur-Einführung“
Der aus Ungarn stammende Publizist Paul Lendvai sieht in der Ausschaltung des Parlaments schlimme Zeiten auf das Land zukommen. „Ich sehe das nicht als die Einführung einer Diktatur, aber als die Vorbereitung für die Möglichkeit der Einführung einer Diktatur“, sagte Lendvai am Dienstag. Im Kampf gegen die Corona-Krise brauche Orban das Notstandsgesetz nicht, erklärte Lendvai. Er verfüge im Parlament bereits über eine Zweidrittelmehrheit.
Dass sich Kurz zu den Vorgängen in Ungarn bisher nicht äußern wollte, will Lendvai seinerseits nicht kommentieren. „Ich glaube , dass die österreichische Bundesregierung beispielhaft gehandelt hat. Ich bin von der bisherigen Haltung des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers, des Gesundheitsministers und auch des Innenministers sehr beeindruckt“, sagte der Publizist.
Kronen Zeitung/krone.at
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