Wiens Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ) will etwas erkannt haben, das allen Epidemiologen bislang verborgen geblieben ist: Ursache der Corona-Pandemie ist ein „Asylantenvirus“, wie er sagt. Damit hat der gerade erst angelaufene Wahlkampf in der Bundeshauptstadt schon jetzt einen Tiefpunkt erreicht. Die Grünen schalteten die Staatsanwaltschaft ein.
Eines gleich vorweg: Für die Nepp’sche Entdeckung wird es keinen Medizinnobelpreis geben. Denn selbst in der facettenreichen Welt der Viren gibt es keinen „Asylantenvirus“. Der Wiener FPÖ-Chef erklärt der „Krone“, was er gemeint haben will: „Am 30. April lag die Anzahl der am Coronavirus erkrankten Personen in Wien noch bei 19. Aber am 1. Mai gab es einen sprunghaften Anstieg der Infizierten auf rund 50. Das war an dem Tag, an dem die Testergebnisse des Asylwerberheimes in der Landstraße veröffentlicht wurden.“ Zahlen, die für die Stadt nicht nachvollziehbar sind.
Novak: „Unappetitliche Entgleisung“
Harte Kritik kommt von der SPÖ. „Das ist eine unappetitliche Entgleisung“, so Landesparteisekretärin Barbara Novak. „Und es zeugt von Nervosität. Denn die FPÖ stürzt in Umfragen stark ab und wandert schon Richtung fünf Prozent.“
„Das ist widerlichster rassistischer Müll“, kritisiert wiederum die grüne Abgeordnete Meri Disoski Nepps „Asylantenvirus“-Sager. Die Grünen haben die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, eine Sachverhaltsdarstellung wurde eingebracht.
Blutige Hände und der Bauchstich-Sager
Dominik Nepp wird als Möchtegern-Strache im Wahlkampf aber wohl eher noch etwas drauflegen. Auch viele seiner bisherigen Wortmeldungen lösten bereits Empörung aus. So schrieb er im Jänner 2019 nach einer Terrorwelle: An den Händen der rot-grünen Politiker klebe Blut, man habe die Gewalt am Bahnhof mit Teddybären empfangen. Im Oktober dann dieser Sager: „Was halte ich eher aus? 0,1 Grad mehr im Sommer? Oder einen Bauchstich von einem syrischen Asylanten?“
Kommentar: Angst
Das Coronavirus greift nicht nur die Atemwege, sondern neben Blutgefäßen, Nieren und Darm auch das Gehirn an. Das sogar bei jenen, die sich noch gar nicht mit Covid-19 angesteckt haben. Für viele sind die Schuldigen für die Pandemie längst gefunden: Bill Gates, das 5G-Netz, Schweinemäster oder die Kirche. Auf fruchtbaren Boden fällt das bei jenen Verschwörungstheoretikern, die immer schon wussten, dass wir alle von Flugzeugen per Chemtrails vergiftet werden, reptiloide Lebewesen nach der Weltherrschaft streben und Adolf Hitler im Erdinneren lebt.
Das Virus löst bei einigen Spinnereien aus, bei anderen bringt es die dunkle Seite der Persönlichkeit ans Licht. Oder beides. Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ) sprach bei Corona von einem „Asylantenvirus“. Die Infektionswelle sei nur auf Asylanten zurückzuführen. Abgesehen davon dass diese Schlussfolgerung natürlich falsch ist, der Vergleich ist ekelhaft, menschenverachtend, boshaft, abscheulich, und er zeigt neben anderen Symptomen aus dem Bereich der Psychologie vor allem eines: Nepp hat Angst.
Die FPÖ dümpelt in Umfragen bei acht Prozent. Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache holt sich für seine Liste einen blauen Bezirksrat nach dem anderen. Selbst dem Republiks-Verscherbler, gegen den sieben Ermittlungsverfahren laufen, fehlen nur noch drei Prozent auf die Umfragewerte der FPÖ.
Jene, die jetzt Nepps Rücktritt fordern, müssen sich noch gedulden. Er wird nach einem Minus von rund 20 Prozent am Wahlabend im Oktober folgen.
Michael Pommer, Kronen Zeitung
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