Am Mittwochabend hat Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dem Kleinwalsertal im Vorarlberg einen Besuch abgestattet. Die erste „Reise“ des Regierungschefs nach der Lockerung der Coronavirus-Beschränkungen hatte auch Signalwirkung, denn das Kleinwalsertal gehört zwar zu Vorarlberg, ist aber auf dem Landweg nur über Deutschland zu erreichen. Für Wirbel hatte im Vorfeld die Bitte der Gemeinde Mittelberg gesorgt, Häuserfassaden zu beflaggen und Bekundungen entlang der Walserstraße zu machen.
„Die Verantwortlichen freuen sich über eine Beflaggung der Häuserfassaden und auch über Bekundungen entlang der Walserstraße“, hieß es am Montag auf der Facebookseite der Gemeinde. „Wegen der Covid-19-Maßnahmen ist eine öffentliche Veranstaltung nicht möglich und es gibt leider keine Gelegenheit für einen persönlichen Kontakt mit der Talbevölkerung“, informierte die Gemeinde.
SPÖ: „Der ÖVP geht es in erster Linie um Inszenierung“
Es dauerte nicht lange, bis sich der Unmut regte. So schrieb unter anderem der Vorarlberger SPÖ-Nationalratsabgeordnete Reinhold Einwallner auf seiner Facebookseite: „Die ÖVP wünscht sich die Beflaggung der Häuserfassaden, wenn der Kanzler und der Landeshauptmann durch die Straßen fährt! Unglaublich!! Jede(r) 3. im Land ist arbeitslos oder in Kurzarbeit, die Unternehmer warten immer noch auf Unterstützung und bangen um ihre Existenz - aber der ÖVP gehts in erster Linie um Inszenierung und um sonst gar nix!“ Seiner Meinung schlossen sich zahlreiche Follower an. So mancher zog Vergleiche zur Kaiserzeit.
Keine Anordnung, nur „Zeichen der Wertschätzung“
Nach dem Aufschrei wurden das Posting geändert und der Plan verworfen. Die Gemeinde erklärte auch, dass es zu keinem Zeitpunkt eine Anordnung gegeben habe, sondern alles freiwillig hätte erfolgen können.
„Öffnung der Grenzen für das ganze Tal lebensnotwendig“
„Die Situation war in den letzten Wochen eine enorme Herausforderung für das ganze Tal und die Bevölkerung. Gerade die Tourismusbranche im Kleinwalsertal ist vom geltenden Grenzregime hart getroffen, und eine Öffnung der Grenzen ist für die Branche und somit für das ganze Tal überlebensnotwendig. Dank der Bemühungen des Bundeskanzlers und des Landes Vorarlberg ist es nun gelungen, eine Lösung zu finden. Die Idee der Beflaggung war in diesem Zusammenhang als Zeichen der Wertschätzung vonseiten der Gemeinde für die Bemühungen zu verstehen“, betonte die Gemeindeleitung am Mittwoch wenige Stunden vor der Ankunft des Kanzlers.
Kreisky als bisher letzter Bundeskanzler im Kleinwalsertal
„Ich freue mich, dass wir mit guten Nachrichten im Gepäck kommen“, sagte der Bundeskanzler am Mittwochabend, für den es der erste Besuch im Kleinwalsertal war - als bisher letzter Bundeskanzler war Bruno Kreisky im Jahr 1973 im Kleinwalsertal zu Gast gewesen. „Mich freut, dass wir einige Erleichterungen zustande bringen konnten. Die wirklich gute Nachricht: Mit 15. Juni sollen die Grenzen zu Deutschland und der Schweiz völlig fallen“, so Kurz. Dazu müssten die Länder aber auch ihre Hausaufgaben machen und die Ansteckungsraten niedrig halten, sagte Kurz nicht zuletzt zu den Journalisten und Fotografen, die im Eifer des Gefechts jeglichen Sicherheitsabstand vermissen ließen.
Der Kleinwalsertaler Bürgermeister Andi Haid bedankte sich für die „besondere Ehre und Freude“, Kurz empfangen zu dürfen. „Wir hatten eine schwere Zeit und waren de facto sieben Wochen in Quarantäne“, sagte das Gemeindeoberhaupt. Die neue Situation mache Hoffnung. Nun gebe es wieder eine Perspektive für den Tourismus, das einzige Standbein des Kleinwalsertals. „Ohne deutsche Gäste erleiden wir einen wirtschaftlichen Totalschaden“, so der Bürgermeister.
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