Wien nimmt nach den Vorfällen in den Postverteilungszentren, wo Dutzende Coronavirus-Infektionen aufgetreten sind, die Leiharbeitsfirmen unter die Lupe. Denn: Kranke Mitarbeiter trauen sich nicht, daheim zu bleiben, weil sie dann kein Geld verdienen, zu ihren Einsatzorten werden sie in Bussen gefahren, wo sie eng beieinander sitzen. Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) kündigte Serien-Testungen in den Unternehmen an, während in Hagenbrunn in Niederösterreich 280 Soldaten und Zivildiener nun für zwei Wochen das komplette Team in der Logistikhalle ersetzen.
Die großen Cluster in Wien hängen alle zusammen, so ein Virus kennt keine Grenzen. Beispiel: Jene in Wien-Liesing positiv getestete Kindergartenhelferin ist die Frau eines Leiharbeiters, der im Postverteilungszentrum beschäftigt war. Post, Flüchtlingsunterkunft, Messe Halle, Kindergarten, mehrere Familien in Wien und Niederösterreich - alles ist miteinander verbunden.
„Prekäre Dienstverhältnisse dieser Leihfirmen“
„Das Problem sind die prekären Dienstverhältnisse dieser Leihfirmen“, erklärt der Gesundheitsstadtrat. „Viele dieser Mitarbeiter gehen trotz Krankheitssymptomen arbeiten, weil sie sonst kein Geld verdienen.“ Zu den Plätzen gefahren werden sie in Bussen – eng beieinander sitzend, miteinander redend. Wien will deswegen diese Firmen jetzt genau unter die Lupe nehmen, es wird zu Serien-Testungen in den Unternehmen kommen.
Erdberg höchstwahrscheinlich nicht Ursprung der Infektionskette
Erdberg sei laut Hacker aber höchstwahrscheinlich nicht der Ursprung der Infektionskette. „Dass wir dort als Erstes fündig geworden sind, ist reiner Zufall. Wo der rote Faden beginnt, wissen wir nicht. Aber fast alle neuen Fälle in Wien hängen an diesem roten Faden und wir wollen ihn in seiner gesamten Länge erkennen und analysieren.“
Ein Sprecher Hackers erklärte die Chronologie der entdeckten Infektionen so: Nach positiven Testungen in Erdberg und der Evakuierung aller Bewohner in die Messe Wien Anfang Mai habe die Kontaktrückverfolgung, dasContact Tracing, ergeben, dass fünf Bewohner in Postverteilerzentren arbeiten und in Kontakt mit ehemaligen Bewohnern sind, die ebenfalls dort beschäftigt sind. Also habe man gezielt bei den Post-Standorten durchgetestet und Fälle entdeckt. Ihre Gemeinsamkeit: Sie sind bei Leiharbeitsfirmen beschäftigt.
Hacker erklärte, die Stadt habe ihre Teststrategie so geändert, dass man sich gezielt größere Einrichtungen anschaue, anstatt zu warten, bis Betroffene selbst bei 1450 anrufen: „Die Konsequenz ist, dass man mehr sieht als wenn man nur wartet.“
Sprecher: „Post setzt punktuell auch Leiharbeiter ein“
Markus Leitgeb, Sprecher der Post AG, bestätigte auf APA-Anfrage, dass die Post zur Deckung von Spitzen im Paketaufkommen „punktuell auch Leiharbeiter“ einsetze. Grundsätzlich versuche man aber, den Bedarf möglichst mit eigenem Personal zu decken. Über den Background der eingesetzten Leiharbeiter könne er nichts sagen, weil er ihn nicht kenne. „Es gelten aber für alle die gleichen Sicherheitsregeln“, auch in Sachen Corona, betonte er.
Nun hilft das Bundesheer in Hagenbrunn aus
Nun hilft das Bundesheer aus: In Hagenbrunn traten am Samstagabend 280 Helfer ihren Dienst an. Soldaten sowie Zivilbedienstete vom Kommando Streitkräftebasis aus Salzburg, Steiermark, Niederösterreich, Oberösterreich und Wien ersetzen für zwei Wochen die komplette Mannschaft der Post in der Logistikhalle, teilte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) mit. Unter Einhaltung höchster Sicherheitsmaßnahmen sollen sie etwa Pakete sortieren und Lkw beladen.
Als strategische Reserve der Republik sind wir da, wenn man uns braucht. Soldatinnen und Soldaten erfüllen jede Aufgabe mit dem größten Einsatz!
Verteidigungsministerin Klaudia Thanner
Das Heer tut alles, um weitere Ansteckungen zu verhindern: Am Freitag hatte ein Erkundungsteam, bestehend aus ABC-Abwehr und Kommando Streitkräftebasis, mit einem Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg die Lage beurteilt. Am Samstag rückte eine Kompanie des ABC-Abwehrzentrums aus Korneuburg zur Unterstützung bei der Desinfektion des rund 20.000 Quadratmeter großen Gebäudes an.
Die ABC-Experten werden auch zwischen den Dienstschichten immer wieder alle Oberflächen mit Desinfektionsmittel putzen. Alle Soldaten und Bediensteten sind mit einem Mund-Nasen-Schutz ausgestattet. Pro Schicht sind rund 90 Soldaten und Bedienstete eingeteilt, die immer in den gleichen Diensträdern und Kleingruppen eingesetzt werden.
Unterstützung des Heeres nur in Niederösterreich vonnöten
In Inzersdorf ist das Heer bisher nicht aktiv - was allerdings keineswegs eine Entscheidung der Stadt gewesen sei, betonte Stadtrat Hacker. „Der Generaldirektor der Post hat mir persönlich gesagt, dass er die Unterstützung des Bundesheeres nur in Niederösterreich braucht. Wenn das auch in Wien so sein sollte, werde ich dem mit Vergnügen nachkommen.“
Kronen Zeitung/krone.at
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