Die Pandemie forderte bereits mehrere hunderttausend Todesopfer auf der ganzen Welt. Die „Krone“ fragte bei im Ausland lebenden Österreichern nach, was sie in diesen schweren Zeiten erlebt haben.
Seit Monaten hält das Coronavirus die Welt in Atem. Manche Länder schafften es, mit der Situation besser umzugehen als andere. Was der richtige Weg war oder ist, wird man erst nach der Krise sehen. Länder wie Island (10 Tote), Taiwan (7) oder Neuseeland (22) konnten die Todesrate sehr gering halten. Auf der ganzen Welt sind Österreicher „Kronzeugen der Corona-Krise“:
Ecuador. Der Zugang zum Meer nutzte in der Stadt Guayaquil nicht viel. „Hunderte Leichen lagen tagelang auf den Straßen, als die Krankenhäuser überlastet waren“, erzählt Manuel Preusser, Student in der Hauptstadt Quito. Was er nie vergessen wird: „Ein Mann, der im Massengrab nach Angehörigen sucht, weil ihm das Krankenhaus die falsche Leiche zugestellt hat.“ In Quito selbst kam der Wiener bislang glimpflich davon. „Etwa 400 Tote, aber es wird wenig getestet und auf die offiziellen Zahlen kann man sich nicht wirklich verlassen“, sagt Preusser. Strenge Ausgangsbeschränkungen (ab 14 Uhr) werden vom Militär kontrolliert. Es kommt zu Übergriffen. Durch den Ölpreisverfall rutscht Ecuador in die schlimmste Wirtschaftskrise seit 100 Jahren. Eine Rückkehr nach Österreich schließt Preusser noch aus: „Ich kann von daheim studieren, habe mit den Beschränkungen kein wirkliches Problem.“
Neuseeland. Andy Gaul, Rekord-Teamspieler des österreichischen Rugby-Nationalteams wanderte vor einigen Jahren nach Neuseeland aus und war als studierter Wasserwissenschafter im Krisenstab der Stadt Nelson auf der Südinsel. „Es nahm merkwürdige Auswüchse an“, sagt Gaul im Gespräch mit der „Krone“. „Wir mussten teils als Sargträger fungieren, da die Familien das nicht mehr durften.“ Neuseeland hat sehr rasch das Land „zugesperrt“. Wenn Firmen staatliche Hilfe bekommen wollten, mussten sie im Gegenzug maximal eine 20-prozentige Gehaltskürzung garantieren. „Das gab Sicherheit und hat geholfen“, sagt Gaul. Und die Geografie half: „Zwei Wochen im Wald oder am Meer - und man war sicher coronafrei.“ Neuseeland verkündete erst vor Kurzem den Sieg über das Coronavirus.
Philippinen. In der 16-Millionen-Einwohner-Stadt Manila durfte nach 20 Uhr keiner mehr auf die Straße. Auch nicht Christina Stieber aus der Steiermark. „Plötzlich wurde ich morgens von Vogelgezwitscher und nicht von Baukränen geweckt“, erzählt sie. „Ich habe die Ruhe und Gelassenheit der Einheimischen bewundert.“ Wer einen Job hatte, dem ging es gut. Auch österreichische Unternehmen haben sich da hervorgetan: „Manche blieben bei ihren Arbeitern in der Fabrik. Um die Produktion aufrechtzuerhalten. Und weil die Belegschaft wegen Quarantäne gar nicht das Gelände verlassen durfte.“ Und es gab eine Premiere: Bei den Rückholaktionen landete erstmals ein AUA-Flieger in Manila.
Frankreich. „Grotesk“ nannte Sabine James aus Güssing die Maßnahmen in Frankreich. Ausgehverbot, aber Wahlen abhalten. Dann gab es keine Masken, und plötzlich hieß es Maskenpflicht. „Einige meiner Bekannten hatten sich angesteckt.“ Als Kulturschaffende war sie zudem direkt vom Lockdown betroffen. „Auf einmal war klar: keine Arbeit, alles ist zu. Der Supermarkt wurde leer gekauft. Kein Mehl, keine Eier, keine Nudeln, keine Seife und kein Klopapier. Unser Stadtteil schien wie nach dem Weltuntergang“, erzählt James der „Krone“. Da die Kinder hier zur Schule gehen, war eine Rückkehr nach Österreich keine Option. Was hängen blieb? „Viel Solidarität zwischen den Menschen und unseren Nachbarn - und die Begegnung mit einem Exhibitionisten. Im menschenleeren Paris.“
Iran. Die Islamrepublik wurde hart vom Virus getroffen. 2000 Neuinfektionen täglich, und „konstant 70-80 Todesfälle“, sagt Shanay Hubmann aus Wien. „Es war ein trauriger Frühling. Besonders an Nouruz, dem iranischen Neujahrsfest.“ Zu einer Zeit, in der Iraner normalerweise viel reisen, um ihre Familien und Freunde sowohl im Iran als auch im Ausland zu besuchen, war alles lahmgelegt. Die Wirtschaftskrise ließ aber einen dauerhaften Shutdown nicht zu. „Das Leben hat wieder seinen Lauf genommen. Nur eben mit Masken und Desinfektionsmitteln. Da muss man sich eben als Einzelperson gezielter schützen.“ Ein skurriles Erlebnis der gebürtigen Wienerin: Im Iran ist seit Jahrzehnten Alkoholkonsum verboten. Eine Apotheke, die Desinfektionsmittel im Schaufenster angeboten hat, hing ein Schild dazu: „Alkohol endlich wieder erhältlich!“
Spanien. Während Spanien zu den am schlimmsten betroffenen Ländern in Europa zählt, hatte der Linzer Daniel Schwandl Glück. Er verdient seit acht Jahren als Surflehrer auf der Kanaren-Insel Fuerteventura sein Geld. „Wir hatten in Summe etwa 50 Fälle.“ Die Ausgangssperre galt aber auch auf der Insel. Polizei und Militär kontrollierten. „Ein Bekannter bekam eine 600-Euro-Strafe, da er sein Brot nicht beim nächsten Supermarkt, sondern von einem etwas weiter entfernten Laden gekauft hat. Im Prinzip waren wir acht Wochen zu Hause eingesperrt“, sagt Schwandl. Das betraf auch Touristen. „Unverschuldet ist hier keiner gestrandet“, sagt Schwandl. „Es gab genug Rückholaktionen.“ Ob er selbst je an eine Rückkehr gedacht hat? „Nur am Anfang, als keiner wusste, wie es weitergeht.“
Schweden. Die Corona-Pandemie riss den österreichischen Eishockey-Profi Konstantin Komarek aus den Titelträumen. Sein Klub Luleå HF führte die Tabelle an, galt auch in den anstehenden Play-offs als Favorit. „Das war irgendwie surreal“, sagt Komarek. „Aber es gab Menschen, die ihre Jobs verloren haben. Was ist also schon eine nicht zu Ende gespielte Meisterschaft.“ Nun geht es auch für ihn um die Zukunft. Vertragsverhandlungen. Keiner weiß, wie es weitergeht. Für ihn selbst hatte sich ob der lockeren Handhabe der Schweden während Corona nicht viel geändert: „Wir gingen in Restaurants, einkaufen, trafen Freunde. Nur nicht die Großeltern meiner Freundin. Die sind mit über 70 in der Risikogruppe.“ Ob die Maßnahmen richtig waren, will er nicht beurteilen. „Es gibt Experten, die das besser wissen als ich.“
England. „Die Idee der Herdenimmunität von Boris Johnson war ziemlich krass“, berichtet die gebürtige Innsbruckerin Ani Owokoniran aus London. Es herrsche das pure Chaos. „Angeblich öffnen nächste Woche die Pubs und Erlebnisparks. Wer aber dann wen unter welchen Umständen treffen darf, weiß man noch immer nicht.“
Sambia. Afrika ist noch eine große Unbekannte in Zeiten der Coronakrise. Barbara Lechner aus Klosterneuburg arbeitet als Blindenlehrerin und Schuldirektorin in Sambia. „Bei 17 Millionen Einwohnern ist die Zahl der Fälle sehr gering, die Dunkelziffer aber wohl höher.“ Ein Lockdown ist nicht möglich: „Über achtzig Prozent der Bevölkerung lebt davon, täglich hinauszugehen, um die Familie für den Tag zu ernähren, sei es mit Verkäufen an der Straße, auf Märkten oder mit Gelgenheitsjobs.“ Schulen durften nur unter Auflagen offen halten. Lechners Blindenschule nicht. Weil es heuer keine Abschlussklasse gibt. Kurios: „Viele Einheimische glauben, dass es Corona gar nicht gibt, und dass die Regierung nur Spenden abzocken will.“
Kronen Zeitung
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