Die Digitalisierung bleibt das Wort der Stunde: Bundeskanzler Sebastian Kurz, Bildungsminister Heinz Faßmann und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (alle ÖVP) haben am Mittwoch die dringend erforderliche „Digitalisierungsreform“ für Österreichs Schulen präsentiert. Der acht Punkte umfassende Plan für die digitale Schule der Zukunft - mit Tablets und Laptops für die Schüler als Herzstück - ist für Kurz ein „großer und wichtiger Schritt“, beschwört die Regierung bei der Bildung jetzt den Geist des verstorbenen Kanzlers Bruno Kreisky. Dessen Partei, die SPÖ, zeigte sich jedoch wenig beeindruckt; Faßmann habe die Digitalisierung „verschlafen“, so das Fazit von Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid.
Viele der am Mittwoch von Kurz, Faßmann und Schramböck verkündeten Maßnahmen hätte man sich schon früher gewünscht - was wohl auch der Regierung klar sein dürfte. So betonten Kurz und Faßmann auch gleich zu Beginn der Pressekonferenz zur „Digitalisierung in der Schule“, dass man bereits vor der Corona-Krise einen Digitalisierungsplan hatte - man erinnere sich etwa an die Ankündigungen nach der Singapur-Reise von Kanzler und Minister noch zu Zeiten der türkis-blauen Regierung.
Nun will die Regierung nach einer krisenbedingten Unterbrechung diesen Plan „konsequent fortführen und vertiefen“, wie es heißt. Die Digitalisierung, so der Kanzler, „muss stärker an der Schule stattfinden“. Insgesamt werden laut Kurz 200 Millionen Euro in das „große Paket“ investiert.
Kurz freut sich über „großen und wichtigen Schritt“
Spannend dabei, dass die ÖVP-Regierungsmitglieder ausgerechnet den Geist des sozialdemokratischen Kanzlers Bruno Kreisky beschwören, Stichwort Schulbuchaktion. Diese sei damals ein „bedeutender Schritt“ gewesen, wie Kurz anmerkte. „Der nächste Schritt im 21. Jahrhundert ist die Ausstattung der Schülerinnen und Schüler mit Tablets und Laptops“, so der Kanzler zum Herzstück der Reformpläne. Er freue sich jedenfalls über diesen „großen und wichtigen Schritt“, wie er betonte.
Bildungsminister Faßmann durfte im Anschluss an den Kanzler dann die acht Punkte des Reformpakets im Detail verkünden. Er will seinen Worten zufolge den „Schwung des Distance Learning“, der sich während des Corona-Lockdowns aufgebaut habe, nutzen. Demnach erhalten die Schüler der ersten Klassen an AHS-Unterstufen und Neuen Mittelschulen ab 2021/22 schrittweise Laptops bzw. Tablets. Voraussetzung ist ein Digitalisierungskonzept der jeweiligen Schule sowie das Durchlaufen eines Auswahlverfahrens. Die Geräte bleiben bei den Schülern, dafür ist ein privater Nutzungsbeitrag vorgesehen.
Tablets und Laptops mit privatem Finanzierungsteil
Erhalten werden die mobilen Endgeräte jeweils die Schüler der fünften Schulstufe. Ausnahme: Im ersten Jahr 2021/22 sind sowohl die fünfte als auch die sechste Schulstufe umfasst. Bevor Schüler die Geräte ausgefolgt bekommen, muss aber ihre jeweilige Schule ein Digitalisierungs- und Nutzungskonzept vorlegen sowie eine Typenentscheidung treffen, so Faßmann. „Wir wollen eine Typenvielfalt am Standort vermeiden.“ Ansonsten seien Service- und Wartungskosten zu hoch. Der private Finanzierungsteil der Schüler soll 25 Prozent betragen, eine soziale Staffelung ist vorgesehen.
„Wir wollen die Geräte in den Sommermonaten nicht wegnehmen“, begründete der Minister den Privatanteil. Mit den Eltern werde ein Nutzungsvertrag abgeschlossen, Details werden in den kommenden Monaten ausgearbeitet. So soll etwa geregelt werden, was bei einem Verlust passiert bzw. wie eine Versicherungslösung aussehen könnte.
Darüber hinaus werden auch die Lehrer mit Endgeräten ausgestattet und im Bundesschulbereich im Zuge von Baumaßnahmen Computer-Arbeitsräume für die Pädagogen geschaffen. Ebenfalls an den Bundesschulen (AHS bzw. BMHS) soll die IT-Infrastruktur verbessert werden. „Die Schulen sind ganz gut mit IT-Infrastruktur ausgestattet, aber nicht sehr gut“, meinte Faßmann. 65 Prozent verfügten über einen auf Glasfaser basierenden Breitbandanschluss, 55 Prozent über eine WLAN-Ausstattung. Bis 2023 soll es eine flächendeckende Breitbandausstattung geben. Dieser Punkt war bereits Mitte Mai im Rahmen des neuen Schulentwicklungsprogramms (SCHEP) angekündigt worden, damals noch ohne weitere Detailangaben.
Neues Portal „Digitale Schule“ ab kommendem Schuljahr
Weitere Eckpunkte der Digitalisierungsreform: Jeder Schulstandort soll künftig nur auf eine Lernplattform zurückgreifen. „Die Eltern haben zu Recht geklagt, dass es derzeit an einer Schule mehrere Plattformen gibt“, so Faßmann. Außerdem wird über den Sommer das Portal „Digitale Schule“ programmiert und ab kommendem Schuljahr die derzeit unterschiedlichen Anwendungen für digitale Klassenbücher, Notenverwaltungen und Mitteilungshefte integrieren. „Analoge Klassenbücher werden verschwinden.“ Investiert werde darüber hinaus in die Lehrerfortbildung sowie die digitalen Inhalte der Eduthek des Ministeriums.
Für Wirtschaftsministerin Schramböck wird damit jedenfalls das digitale Klassenzimmer Realität. Die Digitalisierung der Schule sei „auch die Eintrittskarte in ein erfolgreiches und spannendes Berufsleben“.
Während Wirtschaftskammer und der ÖVP-Parlamentsklub voll des Lobes auf den Reformplan reagierten - ÖVP-Bildungssprecher Rudolf Taschner sprach gar von einem „Meilenstein“ für den Bildungsbereich -, zeigte sich die Opposition wenig beeindruckt. So erinnerte die SPÖ etwa daran, unter der jetzigen Bildungssprecherin und früheren Bildungsministerin Sonja Hammerschmid bereits ein Digitalisierungskonzept „Schule 4.0“ fix und fertig ausgearbeitet in der Hand gehabt zu haben. „Faßmann hat dann 2018 das Projekt gestoppt und jahrelang einfach nichts gemacht“, so die Kritik.
Hammerschmid „fassungslos“
„Wenn Bildungsminister Faßmann heute meint, ‚endlich‘ starte die Digitalisierung, dann kann sich das nur an ihn selbst richten, denn er wird 2021 - wenn die Digitalisierung endlich umgesetzt wird - vier Jahre verschlafen haben“, zeigte sich Hammerschmid „fassungslos“ über den Auftritt von Faßmann und Kanzler Kurz. „Bevor Faßmann die Kinder mit digitalen Endgeräten ausstattet, sind längst schon fünf Corona-Impfstoffe entwickelt“, so Hammerschmid.
Der Verweis der Regierung auf SPÖ-Kanzler Kreisky und die Einführung des Gratis-Schulbuches stößt den Sozialdemokraten umso saurer auf: „In Wahrheit hat sich die türkis-grüne Regierung von der Idee des Gratis-Schulbuchs heute verabschiedet“, so Hammerschmid.
Digitalisierungsoffensive kommt für NEOS „sehr spät“
Das Paket sei grundsätzlich gut, „aber es kommt sehr spät - zu spät für die aktuelle Corona-Krise und für eine etwaige zweite Welle“, reagierte NEOS-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre auf den 8-Punkte-Plan für die Schulen. „Mit dem Paket erledigt die Regierung aber nur längst überfällige Hausaufgaben, die sie bisher verschlafen hat, eine echte Bildungsrevolution ist das nicht“, so die NEOS-Bildungssprecherin.
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