Über 1300 Infizierte
Schlachthof-Mitarbeiter vor Quarantäne getürmt
In der Stadt Verl im Nordosten Nordrhein-Westfalens, wo viele Tönnies-Mitarbeiter wohnen, herrscht Ausnahmezustand. Die Feuerwehr und die Polizei haben Zäune um Wohnsiedlungen errichtet, damit kein Bewohner raus kann. Nach dem massiven Coronavirus-Ausbruch mit bereits 1331 nachgewiesenen Infizierten beim größten Schlachter Deutschlands stehen alle Mitarbeiter seit Freitag unter Quarantäne. Doch diese dürften sich einige erspart haben und getürmt sein. Wie deutsche Medien berichten, sollen Arbeiter aus Rumänien und Bulgarien in Minibussen abgereist sein.
Wie die „Bild am Sonntag“ berichtete, hätten mehrere Tönnies-Mitarbeiter der Zeitung am Telefon erzählt, dass sie mit Minibussen und Autos in ihre Heimatländer unterwegs seien. Die Betroffenen erklärten, dass ihre Corona-Tests negativ gewesen seien und sie deshalb abgereist seien. Gerne wären sie geflogen oder mit der Bahn gefahren.
Eine Anwohnerin einer Tönnies-Unterkunft habe gesehen, wie Männer mit Reisetaschen in einen Bus gestiegen seien. „Wir haben gesehen, wie am Freitag eine Gruppe Männer mit Reisetaschen vor dem einen Haus stand und dann in einen Bulli stieg. Abends sahen wir, wie ein Auto aus Bulgarien bis unters Dach mit Gepäck beladen wurde. Heute Morgen war der Wagen verschwunden. Wir haben hier den Eindruck, dass sich die Bewohnerzahl in den Häusern deutlich reduziert hat.“
Botschaften informiert
Der Kreis Gütersloh bestätigte Hinweise, dass Beschäftigte vor Verhängung der Quarantäne für sämtliche Tönnies-Mitarbeiter möglicherweise abgereist sind. „Wir haben vermehrte Mobilität wahrgenommen“, sagte eine Sprecherin. Das sei ihnen von Bürgern zugetragen worden, aber: „Eine Handhabe, das zu unterbinden, hatten wir zu der Zeit nicht.“ Gütersloh hatte die Quarantäne am Freitag angeordnet. Sie gilt auch für alle Haushaltsangehörigen der Beschäftigten.
Am Standort Rheda-Wiedenbrück, dem größten Schlachtereibetrieb Deutschlands, sind nach Unternehmensangaben rund 6500 Menschen tätig. Rund die Hälfte aller Beschäftigten in der gesamten Tönnies-Unternehmensgruppe arbeiten nach Angaben eines Sprechers über Subunternehmen für Tönnies. Insgesamt seien Menschen aus 87 Nationen für die Firma tätig. Die mit Abstand größten Gruppen kämen aus Rumänien und Polen. Rund ein Drittel der Beschäftigten mit ausländischer Nationalität lebt mit den Familien in Deutschland.
Nach Angaben der Kreissprecherin hat der Leiter des Krisenstabs, Thomas Kuhlbusch, im Zusammenhang mit den Abreisen bereits Kontakt zu den Botschaften der Herkunftsländer aufgenommen und sie darüber informiert. Einige Botschaften hätten sich auch selbst gemeldet.
Fünf Arbeiter auf der Intensivstation
Derzeit werden insgesamt 19 Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt. Es handle sich „fast ausschließlich“ um Mitarbeiter von Tönnies, hieß es. Sechs von ihnen würden auf der Intensivstation liegen. Davon seien fünf bei Tönnies beschäftigt. Zwei der sechs Patienten müssten beatmet werden.
Im Kreis Gütersloh wurden am Sonntag weitere Proben von möglicherweise infizierten Tönnies-Mitarbeitern genommen. Geplant sei der Einsatz von 40 mobilen Teams. An den Teams beteiligt seien jeweils Mitarbeiter des Ordnungsamtes, des Deutschen Roten Kreuzes und der Bundeswehr. Auch Dolmetscher seien dabei. Einige Teams würden von Polizisten begleitet.
670 Menschen abgeriegelt
In der Quarantänezone der Stadt Verl, wo in mehreren Mehrfamilienhäuser Werkvertragsarbeiter der Firma Tönnies untergebracht sind, leben in drei Straßenzügen insgesamt knapp 670 Menschen.
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