„Inakzeptabel“, „keine Toleranz“, „Zustände wie in französischen Vorstädten“ - die Reaktionen der Politik auf die neuerlichen Zusammenstöße von Türken und Kurden am Donnerstagabend in Wien lassen wenig Interpretationsspielraum. Das gewaltsame Aufeinandertreffen, im Zuge dessen ein Mob durch Gassen in Favoriten zog und Flaschen und Steine auch auf einschreitende Polizisten warf, wurde am Freitag schwer verurteilt. Neben zwei verletzten Beamten und einem Polizeihund kam es zu drei Festnahmen, zudem wurden zahlreiche Anzeigen erstattet.
Innenminister Karl Nehammer betonte in einer schriftlichen Stellungnahme, er habe „absolut keine Toleranz“ dafür, wenn versucht werde, türkische Konflikte auf Österreichs Straßen auszutragen. „Wir müssen uns als Gesellschaft und als Polizei entschlossen gegen diese radikalen Kräfte stellen. In einem Rechtsstaat wie Österreich haben wir keinen Platz für Extremismus und schreiten mit aller Konsequenz ein“, so Nehammer weiter. Mit Verweis auf die verletzten Beamten erklärte er: „Die Angriffe auf Polizistinnen und Polizisten sind ein Angriff auf die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in unserem Land.“
Wie die Wiener Polizei Freitagmittag präzisierte, habe ein Polizist einen Bruch an der Hand und einen Bänderriss erlitten, ein zweiter erlitt Hämatome. Zudem sei der Polizei-Diensthund durch den Wurf eines Teils einer Waschbetonplatte am Kopf verletzt worden, berichtete Polizeisprecher Patrick Maierhofer.
Drei Festnahmen und Dutzende Anzeigen
Nehammer sprach dennoch von einem erfolgreichen Einsatz: „Die herausfordernde Situation konnte durch einsatztaktische Maßnahmen, wie der Festnahme des mutmaßlichen Rädelsführers, deeskaliert und schlussendlich aufgelöst werden.“ Insgesamt sei es nach derzeitigem Stand zu drei Festnahmen, zwölf strafrechtliche Anzeigen, 20 Verwaltungsanzeigen und 27 Identitätsfeststellungen gekommen.
„Gewalt hat in unserer Stadt nichts zu suchen“
Auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sprach von „inakzeptablen“ Vorfällen. „Wir lassen uns von niemandem das friedliche Miteinander in unserer Stadt gefährden. Die Wienerinnen und Wiener zeichnen sich durch Zusammenhalt aus und dass sie aufeinander schauen. Gerade in Zeiten von Corona ist das wichtiger denn je. Gewalt lehnen wir zutiefst ab und hat in unserer Stadt nichts zu suchen“, so der Bürgermeister.
„Offensives Einschreiten der Polizei“ gefordert
Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) ging via Twitter einen Schritt weiter. So forderte sie, dass auch ein „offensives Einschreiten der Polizei“ nötig sei, wenn „Faschisten wie die Grauen Wölfe“ gewalttätig gegen Kurdinnen und Kurden auftreten. Sie verwies auch darauf, dass Augenzeugen von verbotenen Wolfsgrüßen berichtet hätten.
„Sichtbar, wie stark Parallelgesellschaft ausgeprägt ist“
Auch Integrationsministerin Susanne Raab hielt mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg: „Ich will keine Auseinandersetzungen zwischen Migrantengruppen auf Wiens Straßen“, so Raab. „Wer in Österreich leben will, muss sich an unsere Gesetze und Werte halten“, erklärte die Ministerin. Laut ihr wurde durch den Vorfall „wieder einmal sichtbar, wie stark Parallelgesellschaften in Wien ausgeprägt sind“. Man werde extremistische Ideologien, die hinter solchen Taten stünden und derartige Gewaltexzesse förderten, weiterhin auf allen Ebenen konsequent bekämpfen. „Zustände wie wir sie aus französischen Vorstädten kennen, dürfen in Österreich keinen Einzug halten.“
FPÖ-Chef Norbert Hofer ortete ein doppeltes Extremismus-Problem der Stadt Wien, und zwar mit Linksextremen und Kurden einerseits und türkischen Nationalisten, „Grauen Wölfen“ und Erdogan-Treuen andererseits. „Die Integrationsmaßnahmen der rot-grünen Regierung in Wien sind gescheitert, daher darf es vorerst zu keiner weiteren Zuwanderung nach Österreich kommen“, forderte er in einer Aussendung.
„Null Toleranz“
NEOS-Wien Klubobmann Christoph Wiederkehr bekräftigte in einer Aussendung: „Gewalt ist in jeder Form zu verurteilen. Das Demonstrationsrecht ist ein Grundpfeiler der liberalen Demokratie und von uns allen zu verteidigen. Wien ist eine weltoffene, tolerante Stadt - das soll so bleiben.“ Genau deshalb dürfe es „null Toleranz“ gegenüber extremistischen Ausschreitungen geben.
Feinde bis aufs Blut
Das Aufeinandertreffen von Kurden und Türken in der Bundeshauptstadt war am Donnerstag nicht zum ersten Mal gewaltsam eskaliert. Bereits am Mittwoch hatten Türken - darunter auch Anhänger der „Grauen Wölfe“ für Unruhe bei einer Kurden-Demo gegen Gewalt an Frauen gesorgt. Die Polizei konnte die überaus aufgeheizte Stimmung unter Kontrolle halten, auch eine Massenschlägerei konnte verhindert werden. Auch in den vergangenen Jahren sorgten Auseinandersetzungen der verfeindeten Gruppen immer wieder für Polizeieinsätze, etwa Anfang 2018 oder auch im Jahr 2016.
Soldat bei Demo erwischt: Disziplinarverfahren
Jenen Soldaten übrigens, der sich am Mittwoch in Uniform mitten unter den Demonstranten befunden hatte, erwartet nun ein Disziplinarverfahren, wie die „Krone“ erfuhr. Denn die Teilnahme an einer Protestveranstaltung in Uniform ist streng verboten. Zudem steht der Vorwurf im Raum, dass der Verdächtige auch eine Amtshandlung der Exekutive gestört habe. Dem Rekruten drohen eine Geldstrafe und ein Ausgangsverbot von bis zu 14 Tagen.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.