Mit dem letzten Album „For Now“ haben sich die drei jungen Australier DMA‘s nicht nur als legitime Oasis-Nachfolger empfohlen, sondern auch endgültig den Britpop inhaliert. Wohl auch deshalb klingt das nun erscheinende Drittwerk „The Glow“ flotter, breiter und mehr dem Zeitgeist angepasst. Johnny Took sprach mit uns im Interview über die Kurskorrektur, Liam Gallagher und warum der Punk in der Band noch nicht tot ist.
In Australien geht es zum Monatswechsel Juli/August wieder los mit ersten Livekonzerten für die DMA’s. Die sehr intimen und keinesfalls vollgefüllten Shows sind Tommy O’Dell, Matt Mason und Johnny Took aber sicher noch gewohnt. Vor etwas mehr als vier Jahren bzw. im Herbst 2015 kamen nicht viel mehr als zwei Handvoll Glücklicher - oder Propheten - im Wiener Gürtelclub B72 in den Livegenuss der bisher einzigen zwei Österreich-Livegigs des Trios aus dem Großraum Sydney. Warum die hiesige Veranstalterschar das Pop-Kollektiv seither weder auf Tour erwischt, noch auf Festivals gebucht hat, bleibt unbefriedigenderweise unbeantwortet, haben die DMA’s in den letzten Jahren doch einen regelrechten Triumphzug im internationalen Musikzirkus gestartet. Und das mit handgemachtem Indie-Pop, der mit mehr als einem Auge in die legendären Britpop-90er schielte und eigentlich längst nicht mehr im Trend ist.
Australischer Britpop
Manchmal aber setzt sich gute Musik entgegen aller Vorhersagen eben doch durch. Mit dem noch sehr punkig aufgenommenen Debüt „Hills End“ (2016) eroberte die Band schnell die Herzen der australischen Fans, der Nachfolger „For Now“ (2018) brachte schlussendlich auch in Großbritannien und somit ganz Europa den Durchbruch und hievte die DMA’s auf alle ernsthaften Indie-Festival-Billings. Der Grat zwischen künstlerischer Indie-Finesse und kommerziellem Potenzial war dabei von Anfang an schmaler als bei anderen Bands. Nicht zuletzt O’Dells nasale Stimme, die in manchen Songs wohl bewusst eins zu eins jener der Oasis-Legende Liam Gallagher gleicht, garantierte für einen Wiedererkennungswert und für breitflächige Erfolge. Drei junge Burschen vom fünften Kontinent galten gemeinhin plötzlich als beste Britpop-Band der Gegenwart, was Johnny Took im Gespräch mit der „Krone“ noch heute amüsiert. „Wir sind quasi in der Öffentlichkeit aufgewachsen und da wird man unweigerlich verglichen. Für uns ist das cool und kein Problem. Es gibt Schlimmeres, als Jahr für Jahr auf den Festivalpostern in Europa nach oben zu rutschen.“
Gerade die unbändige Liebe zu Oasis will Took gar nicht abstreiten. Im Herbst 2019 durften die DMA’s Liam Gallagher bei einem Teil seiner Solotour auf der britischen Insel begleiten. Eine prägende Erfahrung für das noch immer sehr junge Trio. „Liam ist ein großartiger Typ, der das Herz am rechten Fleck trägt. Die Konzerte waren einfach fantastisch. Gerade bei ihm zu Hause, in dieser Riesenarena in Manchester, hatten wir wirklich Gänsehaut, weil wir gesehen haben, wie er mit dem Publikum spielt und die Bühne dominiert. Er hatte Tausende Menschen mit dem kleinen Finger im Griff und wir müssten lügen, würden wir nicht zugeben, dass wir das auch selbst so erleben möchten.“ Die DMA’s gehen dafür aber ein Risiko ein, denn ansteht den erfolgreichen Zuchtbullen „For Now“ weiterzureiten, stellt das Drittwerk „The Glow“ gewissermaßen eine Zäsur dar. Die Single-Auskoppelungen der letzten Monate haben bereits angekündigt, dass sich die Band aus der bisherigen Nische befreien und einen großen Schritt in die Selbstständigkeit der Innen- und Außenwahrnehmung gehen möchte.
Neue Zeitgeistigkeit
„Unser interner Druck war stärker als der externe“, erinnert sich Took an das Songwriting zurück, „aber die Einflüsse von außen sind auf ,The Glow‘ stärker als je zuvor. Es ist immer schwer vorherzusagen, wie die Leute Veränderungen aufnehmen, aber für uns war es unerlässlich, die Richtung etwas zu korrigieren.“ Schon die Wahl des Produzenten hat ein ganz neues Licht auf die DMA’s anno 2020 geworfen: Stuart Price ist Grammy-Gewinner und hat Songs von Megastars wie Madonna, Dua Lipa oder den Killers veredelt. Allen drei ist gemein, dass sie sehr stark auf elektronische Elemente setzen und dadurch eine gewisse Zeitgeistigkeit versprühen, die den DMA’s bislang nicht sonderlich wichtig war. „Price hat uns den Schritt in diese Welt erst ermöglicht, so elektronisch wie auf manchen neuen Songs waren wir in unserer Karriere bisher nur bei zwei Liedern. Mit ihm und einer neuen Zugangsweise konnten wir als Band wachsen.“
Nicht zuletzt Took selbst trägt große Verantwortung für die Stilverbreiterung. Die prägnante Disco-Dancefloor-Single „Life Is A Game Of Changing“, durchaus als Protobeispiel für die „neuen“ DMA’s herzeigbar, sind stark von seiner Liebe zum Rave aus Edinburgh oder Manchester inspiriert. „Wir lieben Gitarren und Pop-Melodien, aber wir wollten das Songwriting einfach einmal anders anlegen. Die Identität unserer Band hörst du trotzdem immer raus, aber es hat keinen Sinn, dauernd in der Vergangenheit stecken zu bleiben.“ Mit Synthesizern und Drum-Machines habe man verstärkt experimentiert, auch der Bass nimmt eine zentralere Rolle in Songs wie „Hello Girlfriend“ oder „The Glow“ ein. Dazu kommt eine wesentlich glattere Produktion, die weit fernab der Punk-Roots des Debüts erklingt. „Beim Debüt haben wir fast alles selbst gemacht, jetzt war Price da und hat uns eine höhere Variabilität verschafft. Das klassische Pop-Album von uns gibt es schon, das haben wir hinter uns. Wir blicken jetzt mit großer Vorfreude und etwas aufgeregt auf eine veränderte Zukunft.“
Breiter Spannungsbogen
Die Veränderung im DMA’s-Bandcamp erfolgt immer noch im Gleichschritt, sind die drei doch innige Jugendfreunde, die sich Wünsche und Träume zu einem großen Teil längst erfüllt haben und auch in der Gegenwart an einem Strang ziehen. Dazu gehört auch, der Melancholie mehr Raum zu verschaffen, wie Songs der Marke „Silver“ oder „Learning Alive“ zeigen. „Ein gutes Album braucht viele Stimmungen. Wir haben Groove-Tracks, wir haben Rave-Tracks und wir haben melancholische Tracks. Natürlich ist der Bogen breiter gespannt als bisher, aber das war auch das Ziel.“ Auch inhaltlich sprechen DMA’s auf Veränderungen, zerplatzte Traumblasen und Leidenschaften an.
„In meiner Brust stecken zwei Herzen“, erklärt Took, „das eine will ein auf Punk basiertes Gitarren- und Bass-Album schreiben, das andere gerne tiefer in die Elektronik eintauchen. Wir werden sehen, was auf lange Frist gesehen gewinnt.“ Und wenn alle Stricke reißen, bleiben noch die beliebten Cover-Versionen. Bislang hat man sich etwa Songs von Madonna, Cher oder Fatboy Slim zu eigen gemacht. „Jetzt ist dann ,She’s Control‘ von Joy Division dran, danke für die Erinnerung“, lacht Took - und träumt bereits von eigenen großen Arenen-Shows. Ob das mit der durchaus gewagten Richtungsänderung gelingt, wird die Zeit weisen.
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