Der Europäische Gerichtshof hat am Donnerstag entschieden, dass Schadenersatzklagen im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Kraftfahrzeugen auch in Österreich eingebracht werden können. Damit geht ein zuvor entbrannter Zuständigkeitsstreit zu Ende: Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) brachte im Vorfeld 16 Sammelklagen gegen VW ein, das Unternehmen berief aber, dass österreichische Gerichte nicht zuständig seien.
„Ein Autohersteller, dessen widerrechtlich manipulierte Fahrzeuge in anderen Mitgliedstaaten verkauft werden, kann vor den Gerichten dieser Staaten verklagt werden“, gab der EuGH am Donnerstag bekannt. Juristen hatten ein solches Urteil bereits erwartet. Damit dürfen betroffene Autokäufer den deutschen Volkswagen-Konzern im Land des Autokaufs, konkret in Österreich, klagen. Das Landesgericht Klagenfurt hatte in einem vom VKI angestrengten Schadenersatzverfahren zu dieser Frage das EU-Gericht angerufen.
Streit um Zuständigkeit geklärt
Der Wolfsburger VW-Konzern wehrte sich gegen Sammelklagen mit der Argumentation, dass Klagen nur in seinem Heimatland zulässig wären - insbesondere, da VW seinen Sitz in Deutschland habe und auch die Software zur Manipulation des Abgasausstoßes dort eingebaut worden sei. Üblicherweise müssen Klagen im Heimatland des Beklagten eingebracht werden.
Im Klagenfurter Sammelverfahren stellte sich der EuGH aber, wie schon zuvor der Generalanwalt des EU-Gerichts, klar hinter die Verbraucherschützer und hielt fest, dass es im Fall VW und in ähnlichen Fällen Ausnahmen bei der Gerichtszuständigkeit gibt. Zumal ein Autohersteller, der unzulässige Manipulationen an Fahrzeugen vornimmt, die in anderen EU-Mitgliedsländern verkauft werden, „vernünftigerweise erwarten kann, dass er vor den Gerichten dieser Staaten verklagt wird“.
Schaden erst beim Kauf entstanden
Der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist laut EuGH im Land des Autokaufs. Und: Der Schaden ist nach Ansicht der Luxemburger Richter erst mit dem Kauf der manipulierten VW-Fahrzeuge „zu einem Preis, der über ihrem tatsächlichen Wert lag“, eingetreten - obwohl die Fahrzeuge bereits beim Einbau der Schummel-Software „mit einem Mangel behaftet waren“.
Weiters stellte das Luxemburger Gericht fest, dass im Fall des Vertriebs von manipulierten Fahrzeugen „der Schaden des Letzterwerbers weder ein mittelbarer Schaden noch ein reiner Vermögensschaden ist „und beim Erwerb eines solchen Fahrzeugs von einem Dritten eintritt“.
VKI: „Gerichte können sich endlich den Sachfragen widmen“
Der VKI brachte im September 2018 für rund 10.000 Geschädigte 16 Sammelklagen mit einem Streitwert von 60 Millionen Euro gegen die Volkswagen AG bei allen österreichischen Landesgerichten ein. Nun jubelt der Verbraucherschutzverband über den EuGH-Entscheid: „Damit können die Verfahren in Österreich fortgesetzt werden, die Gerichte können sich - fast zwei Jahre nach Einbringung der Klagen - endlich den Sachfragen zuwenden.“
Das Verfahren für mehr als 570 VW-Kunden in Klagenfurt liegt seit mehr als einem Jahr auf Eis, denn im April 2019 hatte das Landesgericht das Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH eingeleitet.
VW „vertraut auf die Gerichte in Österreich“
Von den österreichischen VW-Anwälten hieß es am Donnerstag, die Zuständigkeitsfrage der österreichischen Gerichte für die Sammelklagen sei bisher unbeantwortet und daher zu prüfen gewesen. „Dazu lagen in Österreich unterschiedliche erstinstanzliche Entscheidungen vor“, so Thomas Kustor und Sabine Prossinger von der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in einem Statement gegenüber der APA: „Die VW-AG nimmt diese heute erfolgte Entscheidung des EuGH zur Kenntnis und vertraut in den weiteren Verfahren auf die Gerichte in Österreich."
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