Der Bilanzskandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard beschäftigt auch die österreichische Innenpolitik: So haben sich FPÖ und ÖVP am Montag gegenseitig den berühmten Schwarzen Peter zugeschoben, was Naheverhältnisse zu dem Unternehmen angeht. Die FPÖ sprach von einem „schwarzen Faden“, nachdem zuvor über blaue Verstrickungen mit dem untergetauchten Wirecard-Vorstand Jan Marsalek berichtet worden war. Die ÖVP wies wiederum zurück, dass es ein „besonderes Naheverhältnis“ zu dem früheren Wirecard-Chef Markus Braun, wie Marsalek ein Österreicher, gegeben hatte. Braun hatte die ÖVP im Wahlkampf 2017 mit 70.000 Euro unterstützt.
Der frühere Wirecard-Vorstand Jan Marsalek wird derzeit unter anderem wegen Betrugs und Bilanzfälschung im Wirecard-Skandal international gesucht. Wie die „Financial Times“ berichtet hatte, soll er 2018 den damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus mit Informationen aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) versorgt haben - und zwar über einen Mittelsmann, der auch bei der „Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft“ aktiv ist. Mithilfe von Kontakten über diese Gesellschaft soll Marsalek auch versucht haben, mit finanzieller Unterstützung des österreichischen Verteidigungsministeriums ein angebliches Wiederaufbauprojekt für das Bürgerkriegsland Libyen zu starten.
Verteidigungsministerium bestätigt Anfrage
Das Verteidigungsministerium bestätigte mittlerweile eine derartige Anfrage. Die Gespräche zwischen dem Ressort und einer „deutschen Expertengruppe“ haben demnach bereits 2017, also noch unter SPÖ-Minister Hans Peter Doskozil, begonnen und zogen sich bis 2018. Sie mündeten in eine „Absichtserklärung“ des Ministeriums, sich zu beteiligen. Unklar ist noch, ob es auch eine finanzielle Unterstützungszusage gab: Laut „Financial Times“ wurden 120.000 Euro zugesagt, das Ministerium bestätigte das nicht.
Hafenecker sieht „nur Vermutung“
Nichtsdestoweniger will die FPÖ kein Naheverhältnis sehen. Dass Marsalek ein FPÖ-Informant gewesen sei, gehe aus den U-Ausschuss-Akten nicht hervor, betonte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. In Gudenus‘ Nachrichtenverläufen sei lediglich von einem „Jan“ die Rede, dass es sich um Marsalek handle, sei eine „reine Vermutung“. Im Sommer 2018 war Marsalek jedenfalls bei Beamten im Innenministerium zu Gast, um einen Vorschlag im Bereich des Asylwesens zu präsentieren, wie der damalige Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zuletzt mitteilte. Dass ein „damals gefeierter Topmanager“ in einem Ministerium einen Termin bekomme, sei „keine außergewöhnliche Situation“, meinte Hafenecker dazu. Davon könne man keine FPÖ-Verbindung ableiten.
„Dunkelschwarzes Netzwerk“
Vielmehr handle es sich um ein „dunkelschwarzes Netzwerk“, konstatierte der FPÖ-Politiker. Es gebe seit Jahren „intensive Beziehungen zwischen der ÖVP und dem Skandalunternehmen Wirecard“, Verbindungen zur FPÖ herzustellen, seien „Nebelgranaten“. Der „schwarze Faden“, den die Freiheitlichen für ihre Pressekonferenz ankündigt hatten, war aber vom Neuigkeitswert her doch etwas dünn: Hafenecker wiederholte bereits bekannte Aspekte wie Spenden des Wirecard-Chefs Markus Braun an die ÖVP in Höhe von 70.000 Euro und dessen Mitgliedschaft im „Thinktank“ von Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz. Zudem merkte Hafenecker etwa an, dass im Wirecard-Aufsichtsrat der Sohn des von der ÖVP aufgestellten Bundespräsidenten Thomas Klestil saß.
Braun soll in den U-Ausschuss
Hafenecker will nun jedenfalls eine Sachverhaltsdarstellung wegen Amtsmissbrauchs, Bestechlichkeit und Verletzung des Amtsgeheimnisses gegen unbekannte Täter einbringen. Es gehe darum, wie Marsalek an Informationen aus dem Innenministerium bzw. BVT gekommen sei, also wo es „undichte Stellen“ gebe. Zudem will Hafenecker Braun als Zeugen in den U-Ausschuss laden.
„Auch mit anderen Menschen vernetzt“
Die ÖVP in Person von Vizegeneralsekretärin Gaby Schwarz rückte am Montag wiederum die freiheitlichen Verstrickungen in der Causa ins Zentrum und will das auch im Nationalen Sicherheitsrat besprechen. Eine besondere ÖVP-Nähe des früheren Wirecard-Chefs Braun wies Schwarz zurück. Dieser habe sich auch „mit anderen Menschen vernetzt“. So habe Braun auch den NEOS 125.000 Euro gespendet und sei auch bei Veranstaltungen der Gattin des früheren SPÖ-Kanzlers Christian Kern aufgetreten.
Schwarz will nun im Sicherheitsrat abklären, welche Verbindungen Marsalek zur FPÖ hatte und wer welche Geheiminformationen hinausgetragen habe. Immerhin habe die BVT-Affäre des Jahres 2018 zum Vertrauensverlust der internationalen Partner in den heimischen Verfassungsschutz beigetragen. Und das habe eine sicherheitspolitische Komponente. Die ÖVP hat dieses - geheim tagende und auf eine reine Beraterrolle reduzierte - Gremium einberufen. Es muss nun binnen zwei Wochen tagen. Ob Marsalek auch in den Ibiza-Untersuchungsausschuss geladen werden könnte, ließ Schwarz offen.
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