„Mogelpackung“

Rekord-Finanzpaket: Nicht alle sind glücklich

Politik
21.07.2020 13:52

1,8 Billionen Euro schwer ist das Finanzpaket, das während des nervenaufreibenden Gipfelmarathons in Brüssel geschnürt wurde. Doch während die Staats- und Regierungschefs das Paket als „historisch“ feiern, kommt bei anderen noch nicht so wirklich Freude auf. Die beiden führenden österreichischen Europaabgeordneten Othmar Karas (ÖVP) und Andreas Schieder (SPÖ) zeigten sich enttäuscht. FPÖ-Chef Norbert Hofer sprach von einer „Mogelpackung“, SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner kritisierte die Kürzungen bei den Programmen für Gesundheit, Forschung und Klimaschutz als „kurzsichtig und falsch“. Die NEOS orteten gar eine „Erpressungstaktik“ des Bundeskanzlers.

So ganz ungetrübt scheint die Freude über das Rekord-Paket nicht zu sein. Denn selbst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen merkte an, dass Kürzungen bei Themen wie Gesundheit, Migration oder der Außenpolitik „bedauerlich“ seien. Auch hob sie hervor, dass die Staats- und Regierungschefs ein von ihr vorgeschlagenes Finanzinstrument zur Unterstützung von insolvenzbedrohten Unternehmen unter den Tisch hätten fallen lassen. Insgesamt sei die Einigung aber trotz allem „historisch“.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Bild: AP)
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des Europaparlaments, schrieb auf Twitter: „Von den Staats- und Regierungschefs habe ich mir mehr erhofft: Zukunftsinvestitionen in Forschung, Bildung und Sicherheit werden gekürzt, der Rechtsstaatlichkeitsmechanismus verwässert. Verhandlungen mit dem EU-Parlament, auch über die parlamentarische Kontrolle, werden herausfordernd.“

„Das reicht einfach nicht“
Noch schärfer äußerte sich der Oppositionspolitiker Schieder. „Das reicht einfach nicht!“, schrieb er am Dienstag in der Früh in einer Aussendung. „Das EU-Parlament wird die Gipfeleinigung jetzt so schnell wie möglich in einer außerordentlichen Sitzung bewerten. Auch wir haben Bedingungen, vor allem mit Blick auf neue EU-Eigenmittel und klare Rechtsstaatskriterien“, betonte er.

Andreas Schieder (SPÖ) (Bild: APA/HANS PUNZ)
Andreas Schieder (SPÖ)

Die Delegationsleiterin der österreichischen Grünen im Europaparlament, Monika Vana, bezeichnete die Einigung in letzter Minute zwar als „gute Nachricht“, betonte aber, dass der Rat mit seinem Vorschlag „weit hinter den Forderungen des Europaparlaments zurückbleibt“: „Damit die Union aus dem negativen Brexit- und Covid-19-Sog rauskommt, braucht es kein Verharren in nationaler Engstirnigkeit, sondern ein EU-Budget des größten gemeinsamen europäischen Vielfachen.“

FPÖ spricht von „Mogelpackung“
FPÖ-Chef Hofer meinte gar, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) „wurde über den Tisch gezogen“, der höhere Budgetrabatt sei eine „Mogelpackung“: „Der neue groß abgefeierte Rabatt ist ein Marketingschmäh. Die Preise werden erst massiv erhöht, ehe es dann einen kleinen Abschlag gibt, der groß gefeiert wird.“

FPÖ-Chef Norbert Hofer (Bild: APA/Helmut Fohringer)
FPÖ-Chef Norbert Hofer

Er wies darauf hin, dass durch den Brexit der gesamte britische Nettobeitrag wegfalle und diese rund 13 Milliarden Euro pro Jahr die anderen Nettozahler übernehmen müssten. Damit sei klar, dass Österreichs EU-Beitrag insgesamt steigen werde. In diesem Zusammenhang unterstrich Hofer die Linie der FPÖ: „Kein Cent mehr als bisher nach Brüssel.“

„Falsch und kurzsichtig“
„Die Kürzungen im EU-Budget bei den Programmen für Gesundheit, Forschung und Klimaschutz, während die Bereiche Rüstung und Verwaltung mehr Mittel bekommen, sind kurzsichtig und falsch“, sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner dazu am Dienstag.

SPÖ-Bundesparteiobfrau Pamela Rendi-Wagner (Bild: APA/HANS PUNZ)
SPÖ-Bundesparteiobfrau Pamela Rendi-Wagner

Zudem bedauerte sie, dass die Zuschüsse im EU-Wiederaufbaufonds nun geringer ausfallen als ursprünglich geplant. Es liege nämlich auch in Österreichs Interesse, jene Volkswirtschaften mit Zuschüssen zu stärken, mit denen die heimische Wirtschaft starke Handelsverbindungen habe. „Allein am Außenhandel mit Italien hängen 90.000 österreichische Arbeitsplätze“, so Rendi-Wagner. „Ob dieser Kompromiss am Ende zum gemeinsamen Ziel führt, werden wir sehen“, fügte sie hinzu.

NEOS: „Billige Trickserei“
Kritik kam am Dienstag auch von den NEOS. Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger sprach via Aussendung von „peinlichem Gerangel um Zahlen und Aufmerksamkeit der Staats- und Regierungschefs - allen voran des österreichischen Bundeskanzlers“: „Dass die Zukunft von 450 Millionen Europäerinnen und Europäern auf dem Spiel steht, war Sebastian Kurz bei seiner Erpressungstaktik offenbar egal.“ Der ausverhandelte „Rabatt“ sei „billige Trickserei“, so Meinl-Reisinger.

Beate Meinl-Reisinger (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Beate Meinl-Reisinger

ÖVP lobt Verhandlungserfolg
Aus der ÖVP sowie von Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer kamen dagegen positive Rückmeldungen. Mahrer sagte, man habe mit der Einigung die „Weichen für die Zukunft gestellt“, Finanzminister Gernot Blümel und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger begrüßten den Finanzpakt und lobten die Rolle von Bundeskanzler Kurz: „Mit dieser Einigung nehmen wir unsere Verantwortung in Europa und gegenüber den österreichischen Steuerzahlern wahr“, so Blümel.

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Wir wären als Grüne in manchen Bereichen wohl mutiger und auch europäischer gewesen. Aber auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.

Vizekanzler Werner Kogler zur Einigung

Der Koalitionspartner war allerdings am Dienstagnachmittag nicht ganz so euphorisch: Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat den am Dienstag erzielten millionenschweren EU-Finanzdeal als „in der Tendenz ein positives Ergebnis“ gewürdigt. In einer Stellungnahme beklagte er die „falschen Kürzungen“ beim geplanten Klimafonds. Mehr Geld für diesen wäre ihm „lieber gewesen als das eine oder andere Prozent am Rabattbazar“, so Kogler.

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