Mit der „Krone“ sprach Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) eben erst über Verordnungschaos, Wirrwarr um Reiseregeln und neue Cluster, am Dienstagvormittag dann vor der Presse wieder über die aktuelle Lage in Österreich. Die Abstandsregeln werden bald bundesweit nicht mehr gestraft, wie Anschober wissen ließ. Zudem kündigte er nach dem Verordnungschaos der letzten Wochen eine elf Punkte umfassende Reform seines Ministeriums an - auch weil „eine Reihe von Fehlern“ wie zuletzt bei der Einreiseverordnung „sich nicht wiederholen darf“, wie der Minister betonte. Im Laufe des Jahres soll auch das Epidemiegesetz aus dem Jahr 1913 überarbeitet werden.
Anschober begann am Dienstag damit, ein kurzes Fazit über das letzte Corona-Halbjahr zu ziehen: Dabei gab es ein großes Lob an die Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums, zugleich aber auch erneut einen kritischen Seitenhieb auf die Arbeit seiner Vorgängerin. Durch die Organisationsreform von FPÖ-Ministerin Hartinger-Klein habe es eine „zusätzliche Schwächung“ gegeben - konkret sprach Anschober über zu wenig Personalaufstockung.
VfGH-Urteil für Anschober ein „Paukenschlag“
Diese schwierige Ausgangssituation in der Corona-Krise sei aber durch das Engagement kompensiert worden. An die 100 Rechtsschritte konnten bislang umgesetzt werden: Verordnungen, Erlässe, Gesetze - alles „unter enormem Zeitdruck“, wie der Minister anmerkte. Das Urteil des Verfassungsgerichtshofs in der Vorwoche bezeichnete er als „Paukenschlag“. Das Höchstgericht kippte zwei zentrale Corona-Verordnungen der Regierung (die freilich längst nicht mehr in Kraft sind): das Verbot des Betretens öffentlicher Orte sowie die 400-Quadratmeter-Regel für Geschäfte. Seither muss sich auch der Gesundheitsminister die Frage stellen: Kommt da noch mehr?
Der Großteil der Rechtsmittel habe gut gehalten, die letzte Woche Freitag verkündete neue Einreiseverordnung sei jedoch „schlechte Arbeit gewesen“, so Anschober selbstkritisch. Er habe „sehr lange und intensiv“ mit Kritikern aus dem juristischen Bereich telefoniert, es habe eine „Reihe an Fehlern gegeben“, so sei etwa der Verfassungsdienst nicht eingebunden worden.
„Da muss sich etwas ändern“
„Da muss sich etwas ändern, und da wird sich etwas ändern, das darf sich nicht wiederholen“, versicherte Anschober, der eine elf Punkte umfassende Reform des Ministeriums ankündigte. „Wir werden uns in einigen Bereichen neu aufstellen“, stellte der Minister eine „umfassende Organisationsreform“ in Aussicht. Was an Schwächung - Stichwort Hartinger-Klein - im Bereich der Krisenbewältigung passiert sei, werde jedenfalls korrigiert, in anderen Bereichen will der Minister sein Haus „krisensicher aufstellen“.
Im juristischen Bereich soll das Personal im Gesundheitsministerium zudem laut Anschober „deutlich aufgestockt“ werden. Die Abläufe werden auf neue Beine gestellt: Künftig soll etwa kein Rechtsmittel mehr verabschiedet werden, das nicht vom verfassungsrechtlichen Dienst geprüft worden ist. Auch ein externes Controlling soll es hier künftig geben. Bei der Zeit zur Bearbeitung will Anschober den Druck von seinen Mitarbeitern nehmen, wo immer das möglich sei.
Abstandsregeln bald bundesweit nicht mehr gestraft
Wichtiger Bereich an fünfter Stelle des Reformplans: Auf das VfGH-Urteil werde man „umfassend und nicht durch eine kleine Notoperation reagieren“ und das Covid-19-Maßnahmengesetz werde überarbeitet und novelliert. Ziel: Dieses soll im September im Nationalrat bearbeitet und möglichst rasch beschlossen werden. Nachdem der Verfassungsgerichtshof die Corona-Ausgangsbeschränkungen für gesetzeswidrig erklärt hat, wird das Gesundheitsministerium in den nächsten Tagen auch die Abstandsregeln der Verordnung außer Kraft setzen. Das heißt, es wird dann österreichweit nicht mehr gestraft.
Was das Strafen der formal noch gültigen, von Juristen aber ebenfalls angezweifelten Abstands- und Maskenregeln betrifft, herrscht derzeit ein Fleckerlteppich in Österreich. Denn in einigen Bundesländern hat die Polizei nach der VfGH-Entscheidung zu den Ausgangbeschränkungen auch bei diesem Punkt die Durchsetzung eingestellt. In den nächsten Tagen wird Anschober nun auch den Teil der Verordnung zu den Abstandsregeln außer Kraft setzen, ließ er in einer Pressekonferenz am Dienstag wissen. Damit komme es dann zu keinem Strafvollzug mehr. Er bitte die Bevölkerung aber dennoch dringend, weiterhin Abstand zu halten.
Laufende Verfahren werden „natürlich eingestellt“
Laufende Verfahren, die von dem VfGH-Urteil umfasst sind, werden „natürlich eingestellt“ und auch die Frage eines nachträglichen Straferlasses will sich das Ministerium ansehen, was allerdings laut Anschober ein „rechtlich hochsensibles und problematische Angelegenheit“ darstelle. Die fehlerhafte Einreiseverordnung wird „kurzfristig“ korrigiert, mittelfristig werde die Verordnung aber auf „neue Beine gestellt“, so Anschober. Heißt: Die Inhalte bleiben, handwerkliche Fehler werden ausgebessert, auch zwecks besserer Lesbarkeit und Verständlichkeit.
Am Ende stellte der Minister gleich noch eine Reform des Epidemiegesetzes aus dem Jahr 1913 in Aussicht. „Das Jahr 2021 wird das Jahr eines neuen Epidemiegesetzes für Österreich werden“. Man müsse hier schauen, wie die Gesellschaft mit der Frage der „Balance zwischen den Grundrechten auf der einen Seite und dem Gesundheitsschutz auf der anderen Seite in Zukunft in einer guten demokratischen Art umgehen kann“.
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