Nach dem Lockdown

Italien: Urlaub im ehemaligen Corona-Hotspot

Reisen & Urlaub
28.07.2020 19:19

Eigentlich wollten meine Freundin und ich die Ferien heuer auf Bali verbringen, doch dann ist alles ganz anders gekommen und die Welt ist heute nicht mehr so, wie sie noch vor wenigen Monaten war. Im Sommer 2020 klingt eine mehrstündige Flugreise höchstens befremdlich, und deshalb packten wir schließlich nach langem Zögern und ständigem Abwägen der Risiken unsere Koffer und fuhren mit dem Auto nach Lignano an die Obere Adria. Obwohl wir uns darüber im Klaren waren, dass Italien noch vor wenigen Monaten der weltweite Corona-Hotspot war, sollte sich die Entscheidung, den Urlaub bei unserem südlichen Nachbarn zu verbringen, im Nachhinein als goldrichtig herausstellen.

Nach einer ereignislosen Autofahrt - ohne Grenzkontrolle - erreichten wir nach einigen Stunden Lignano. An dem Badeort, wo wir 2012 unseren ersten gemeinsamen Urlaub verbracht hatten, hat sich seitdem nichts und trotzdem alles verändert. Was zunächst einmal positiv auffiel: Die Menschen hielten Abstand und setzten auf das flächendeckende Tragen von Masken, egal ob im Hotel, im Restaurant oder beim Frühstücksbuffet.

Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beim Frühstücksbuffet wurde ausnahmslos von allen Hotelgästen strikt eingehalten. (Bild: Martin Grob)
Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes beim Frühstücksbuffet wurde ausnahmslos von allen Hotelgästen strikt eingehalten.

Lignano setzt sicherheitshalber auf Vorsicht
Am Strand war höchstens ein Drittel der zahlreichen Liegen belegt. Ganz ähnlich sah das auch bei der Auslastung der Hotels in dem Badeort aus. Einige der Restaurants im Ort waren abends sogar gut besucht. Man musste aber zu keiner Zeit darum fürchten, keinen Tisch zu bekommen. Die Menschen in der Region Friaul-Julisch-Venetien, zu der Lignano gehört, hielten sich mit wenigen Ausnahmen an die strengen Corona-Maßnahmen in Italien.

(Bild: Martin Grob)

Österreich kann noch viel von Italien lernen
Vom Risikobewusstsein her erinnerte Lignano im Vergleich zu den derzeitigen Zuständen in Österreich ohnehin an eine Hochsicherheitszone. Noch eine Woche vor unserem Italien-Urlaub verbrachte ich Anfang Juli ein verlängertes Wochenende mit Freunden in Velden am Wörthersee. Dort war Abstandhalten genauso fremd wie das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Lediglich zwischen 21 und 4 Uhr mussten die Menschen im öffentlichen Raum einen Gesichtsschutz tragen. Mittlerweile empfiehlt der Veldener Tourismuschef Bernhard Pichler-Koban jedoch den Gastronomie-Mitarbeitern wieder das Tragen von Masken, wohl auch als Reaktion auf den Corona-Cluster in St. Wolfgang.

(Bild: Dorian Wiedergut)

Auf der Suche nach den verlorenen Touristen
In Lignano waren die Menschen viel vorsichtiger als zu Hause in Österreich und die Gefahr durch das Virus trotz Urlaubsstimmung allgegenwärtig. Was beim Einkaufen in den vielen Geschäften von Lignano auffiel, war, dass die Verkäufer verzweifelt nach Kunden lechzten. Das merkte man sofort, wenn man ein Geschäft betrat. Eine Dame in einer Drogerie wollte meiner Freundin gleich den halben Laden verkaufen. 

Die Einkaufsstraße im Stadtteil Sabbiadoro ist am frühen Nachmittag beinahe menschenleer. (Bild: Martin Grob)
Die Einkaufsstraße im Stadtteil Sabbiadoro ist am frühen Nachmittag beinahe menschenleer.

Ich fragte sie nach der derzeitigen Situation und sie antwortete: „Die Gäste kommen leider nicht, nur einige Italiener, aber fast keine Österreicher oder Deutsche. Es ist gerade schlimm, aber es ist schlimm für die ganze Welt.“ Ich nickte zustimmend und wusste nicht, was ich darauf hätte antworten sollen. Normalerweise sind die Österreicher nach den Italienern zahlenmäßig die zweitwichtigsten Gäste in Lignano.

Ein Plädoyer für den Sommerurlaub in Italien
Obwohl die Uhren in Lignano stellenweise stillzustehen scheinen, hat der Ort an der Oberen Adria immer noch viel zu bieten. Die Friulaner sind äußerst gastfreundliche Menschen, die sich mit dem gebietstypischen Weißwein Friulano ein exzellentes Denkmal gesetzt haben, der nicht nur als Aperitif richtig gut schmeckt, sondern auch hervorragend zu Meeresfrüchten und Fischgerichten passt. 

Die Preise sind verkraftbar, der Espresso kostet in Italien ohnehin unschlagbare 1,50 Euro und auch für das Bier bezahlt man zwischen vier und fünf Euro. Die Spaghetti Frutti di Mare liegen zwischen 15 und 18 Euro und eine gute Flasche Wein bekommt man im Restaurant bereits ab 20 Euro.

Für Familien mit Kindern ist der flache Zugang zum Meer ohnehin perfekt. Der weiche Sandstrand lässt Verletzungen durch spitze Steine so gut wie ausschließen, und sollte sich ein Kind doch einmal zu weit hinauswagen, hat der Bagnino (Rettungsschwimmer) stets ein wachsames Auge auf das Treiben im Meer. 

(Bild: Martin Grob)

Österreicher bei Italien derzeit noch skeptisch
Es ist schon eine besondere Tücke des Sommers 2020, dass Lignano nur bedingt davon profitieren kann, dass den Menschen die Lust am Fliegen fürs Erste einmal vergangen sein dürfte. Die Österreicher scheinen ihren Sommerurlaub lieber zu Hause an einem der verregneten Badeseen oder in Kroatien am Meer zu verbringen, wo sie kilometerlange Staus und stundenlange Wartezeiten an den Grenzen in Kauf nehmen müssen. 

Womöglich liegt die Skepsis der Österreicher am Italien-Urlaub an den schrecklichen Bildern aus der Lombardei, wo das Militär die Särge aus der Stadt Bergamo abholen musste, weil die Leichenhallen überfüllt mit Covid-19-Opfern waren. Es könnte auch an den Todeszahlen liegen - mit Stand Ende Juli sind es 35.000 Menschen, die in Italien dem Coronavirus zum Opfer gefallen sind.

Wo sonst ein dichtes Gedränge herrscht, sind in diesem Jahr so gut wie keine Badegäste an den Eingängen der Strandbäder zu sehen. (Bild: Martin Grob)
Wo sonst ein dichtes Gedränge herrscht, sind in diesem Jahr so gut wie keine Badegäste an den Eingängen der Strandbäder zu sehen.

Comeback der Maske in Österreich war unausweichlich
Wahrscheinlich spielen alle diese Faktoren eine Rolle, wenn sich die Menschen heuer dafür entscheiden, ihren Urlaub daheim zu verbringen. Bei gerade wieder steigenden Fallzahlen diskutierten wir in Österreich immerhin gute zwei Wochen über die flächendeckende Wiedereinführung der Maskenpflicht. In Italien gab es eine solche Debatte nicht, zu groß war und ist der Respekt vor der unsichtbaren Gefahr, die vom SARS-CoV-2-Virus ausgeht.

(Bild: Martin Grob)

Urlaub am Meer ein paar Autostunden entfernt
Das Coronavirus wird uns auf jeden Fall noch eine ganze Weile begleiten, egal wann ein besonders wirksames Medikament oder der so heiß ersehnte Impfstoff auf den Markt kommt. Solange Fernreisen Corona-bedingt ausfallen, könnte der Tourismus jedoch hierher nach Lignano zurückkehren, wo die schönsten Seiten Italiens nur ein paar Autostunden entfernt sind. Die Fahrt mit dem Auto an die Obere Adria passt zwar so gar nicht mehr in diese durch ein immer stärkeres Umweltbewusstsein geprägte Zeit, doch das trifft auf Flugreisen in Wahrheit noch viel stärker zu, als viele Menschen das wahrhaben wollen.

Womöglich vermag das Coronavirus, das in Italien für so viel Leid und Schmerz gesorgt hat, in Lignano etwas auszulösen, das man schon fast nicht mehr für möglich gehalten hatte, und haucht der angestaubten Adria-Perle wieder neues Leben ein. Verdient hätte das der Ort allemal, denn obwohl es in Lignano heuer nur wenig Gäste gibt, steht die Sicherheit der Urlauber hier an erster Stelle.

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