Auch wenn die mehr als 380.000 Wahlkarten noch nicht ausgezählt sind, ist schon jetzt klar, dass das rote Wien nun tiefrot wird. Die SPÖ legt weiter zu, Bürgermeister Michael Ludwig hat nun drei Optionen für eine Koalition. Die FPÖ stürzt ab, die ÖVP kann sich verdoppeln, auch Grüne und NEOS verbuchen ein Plus. Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache ist gescheitert.
Es war eine Wahl wie noch keine zuvor: Jubelnde Menschen, die sich in den Armen liegen, Feiernde, die dicht an dicht das Ergebnis zelebrieren, ausgelassene Partys - all das gab es am Sonntag nicht. Die Corona-Pandemie wurde selbst bei den Wahlsiegern zum Stimmungskiller.
Ich habe angekündigt, mit allen zu reden, dann wird man sehen, wo es die größte politische Schnittmenge gibt. Im Vordergrund stehen die Interessen der Wiener Bevölkerung.
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) lässt sich noch alles offen.
Ludwig stärkt seine Position in der Bundes-SPÖ
Dennoch gab es bei den meisten Parteien Grund zur Freude. Bürgermeister Michael Ludwig, der damit zu kämpfen hat, dass ihn alle zurückhaltender als seinen Vorgänger Michael Häupl finden, konnte genau damit punkten und die SPÖ zum Triumph führen. Damit stärkt er freilich auch seine Position in der Bundes-SPÖ. Bei der Entscheidung, wer künftig an der Spitze der Roten stehen soll, wird Ludwig ein gewaltiges Wörtchen mitzureden haben.
Kann sich Hofer als FPÖ-Chef halten?
Die ÖVP, die in so manchen Umfragen vor einigen Wochen sogar bei 20 Prozent und mehr lag, konnte sich ungefähr verdoppeln. Die Grünen legten ebenso zu wie die NEOS, die Kopf an Kopf mit der FPÖ liegen. Nach dem blauen Debakel wird unweigerlich die Obmann-Debatte bei den Freiheitlichen losgehen, ob sich Norbert Hofer halten kann, ist fraglich.
Insider rechnen mit Fortsetzung von Rot-Grün
Ludwig hat nun drei Möglichkeiten für eine Koalition. Eine rot-türkise Regierung in Wien scheint unwahrscheinlich, besonders angefeuert wurde zuletzt die Variante Rot-Pink. Insider gehen jedoch davon aus, dass die Koalition mit den Grünen fortgesetzt wird.
Der über Ibiza und Spesen gestolperte Heinz-Christian Strache hat nur eine Wertung gewonnen: Er war für seine Wähler das Hauptmotiv. Abgesehen davon sieht es für den Ex-Vizekanzler schlecht aus: Mit allergrößter Wahrscheinlichkeit verpasst er den Einzug in den Wiener Landtag.
Doris Vettermann, Kronen Zeitung
Kommentar: „Die Stadt bin ich“
Im Web kursiert eine Sonnenkönig-Persiflage auf den Bürgermeister, als „Ludwig I.“, mit dem Zitat: „Die Stadt bin ich!“
In dieser ersten bei uns unter Corona-Bedingungen stattgefundenen Wahl steht wegen der Wahlkarten das endgültige Ergebnis noch nicht fest. Ludwig dürfte, zwar nicht absolut, aber doch einige Optionen haben, mit wem er regiert. Seine staatsmännische Zurückhaltung ist aufgegangen, und dass er Stadtrat Hacker als Mann fürs Grobe in die Covid-Wahl-Schlacht warf. Ihm selbst konnten so keine Fehler passieren.
Sein übermäßiges Lob für Christoph Wiederkehr von den NEOS auf krone.tv zeigte schon eine gewisse Präferenz für Pink als Koalitionspartner. Das geht sich jetzt aus. Grün könnte da die zweite Wahl sein, mit dem autofreien ersten Bezirk sind sie ihm zuletzt lästig geworden. Die Türkisen kommen wohl nur als Dritte infrage. Die hatten auch keinen eigenen Wien-Kandidaten, sondern setzten mit Gernot Blümel darauf, ihren Erfolg im Bund nach Wien mitzunehmen. Das ging nicht auf. Vielleicht hat ihre unnachgiebige Einstellung gegenüber dem Kinderleid von Moria auch eine Rolle gespielt.
Michael Ludwig ist in der nicht von Erfolgen gekrönten Bundes-SPÖ ein bisschen zur Lichtgestalt geworden. Nach dem charismatischen Michael Häupl hat er sich durchgesetzt. Jetzt wird man ihn an seine Wahlversprechen erinnern, etwa an leistbares Wohnen. Längst erleben wir hier gewaltige Inflation, das Lohnniveau konnte nicht mit den Immobilienpreisen mithalten, Wohnen ist zum Spekulationsobjekt verkommen.
Der Bürgermeister kann regulierend eingreifen.
Christoph Dichand, Herausgeber Kronen Zeitung
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