"Auch nur Menschen"

Abschiebung von Kindern lässt auch Polizisten nicht kalt

Österreich
16.10.2010 19:08
Empörte Protestaktionen in der Schule, ein Aufschrei der Hilfsorganisationen wie der Caritas, Köpferollen in der Politik - die Abschiebung von Kindern aus Österreich ist umstritten. Doch auch die Polizisten, die von den Behörden zu solchen Einsätzen ins Klassenzimmer geschickt werden, lassen diese Vorgänge nicht kalt. Indes wies Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) jegliche Kritik an dem von ihr eingeleiteten Köpferollen bei der Polizei zurück und erklärte zudem, dass der Fall der beiden Mädchen aus dem Kosovo nochmals überprüft werde.

"Die Schule soll ein Ort des Lernens, der Sicherheit sein. Das Herausreißen eines Kindes aus dem Klassenverband ist eine menschliche Tragödie und hinterlässt Verstörung und Verunsicherung bei allen", so die Botschaft der Pädagogen des Bundesrealgymnasiums in Wien-Landstraße, wo am Mittwoch die 14-jährige Araksya in Schubhaft genommen werden sollte und daraufhin zunächst untergetaucht war. Am Montag soll sie wieder zur Schule gehen.

Polizei: "Verantwortung liegt bei der Politik"
Doch nicht nur bei dem Mädchen, ihrer Familie und Freunden hat der Einsatz Spuren hinterlassen. Auch die Polizisten leiden bei solchen Einsätzen. "Wir sind ja auch nur Menschen, das Ganze ist eine große psychische Belastung", heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Hermann Greylinger, oberster Polizeigewerkschafter: "Wir erhalten einen Auftrag von den Behörden, den wir ausführen müssen, und dann stehen wir in der Kritik. Die Verantwortung für solche Einsätze liegt aber bei der Politik. Die sollte sich Gedanken machen, ob es nicht humanere Methoden gibt. Die Gesetze sollten überarbeitet werden, denn auch die Kollegen leiden ja darunter."

Kritik von Grünen, BZÖ, FPÖ und SPÖ an Fekter
Indes reagierten alle Parteien - mit Ausnahme der ÖVP natürlich - empört über die Absetzung des Leiters der Fremdenpolizei Wien durch VP-Innenministerin Maria Fekter (siehe Story in der Infobox) im Zuge des Aufschreis wegen der jüngsten Abschiebungen. Die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Alev Korun, erklärte: "Jetzt mit einem 'Bauernopfer' die Verantwortung auf andere abwälzen zu wollen, ist zu billig." Die bestehenden Gesetze trügen die Handschrift Fekters sowie der SPÖ. "Wenn sie ihre Ministerverantwortung ernst nehmen würde, hätte sie schon längst selber den Hut nehmen müssen", meinte Korun.

Auch für BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner trägt Fekter "die volle Verantwortung für das derzeitige Chaos rund um die Abschiebepraxis bei Kindern". Die Innenministerin stehe vor den Trümmern ihrer gescheiterten Asylpolitik und versuche sich mit der Ablöse eines Beamten Luft zu verschaffen.

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky erklärte ebeso, wenn Fekter gravierende Fehler in ihrer Asyl- und Abschiebepolitik erkenne, dann möge sie demissionieren, statt sich einfach an der Beamtenschaft abzuputzen. Bei vielen Asylwerbern sei vom ersten Tag an klar, dass kein Recht auf Asyl bestehe, vor allem bei solchen aus dem Kosovo. Da brauche es endlich ein faires Expressverfahren für Asylwerber und kein jahreslanges Tauziehen.

Christian Horner, Landesgeschäftsführer der oberösterreichischen SPÖ und Ex-Polizist, kritisierte, die Innenministerin putze sich an Polizisten ab, das Ressort sei bei der ÖVP in schlechten Händen: "Egal ob bei der unmenschlichen Abschiebung und Abholung von Kindern aus Schulen oder bei schweren Versäumnissen in der Kriminalitätsbekämpfung: Seit dem Jahr 2000 putzen sich die VP-Innenminister, ob sie nun Strasser, Fekter oder sonst wie heißen, an Polizistinnen und Polizisten ab." Zuerst würden unzureichende Gesetze von den VP-Ministern auf den Weg gebracht und dann die Polizisten mit dem Vollzug alleine gelassen.

Innenministerin weist sämtliche Vorwürfe zurück
Fekter hat am Samstag den Vorwurf, der Wechsel an der Spitze der Fremdenpolizei in Wien sei ein Bauernopfer, zurückgewiesen. Die zuletzt medial bekanntgewordenen Fälle hätten Planungsdefizite und mangelnde Sensibilisierung bei Familienabschiebungen belegt. "Die Vorbereitung und Planung dieser Einsätze war sichtbar mangelhaft. Daraus muss ich als verantwortliche Ministerin Konsequenzen ziehen", erklärte sie in einer Aussendung.

Sie habe bereits vor zwei Monaten den Auftrag erteilt, die Fremdenpolizei in Wien zu optimieren. Mit der Strategie "Innen.Sicher" sei von ihr die Führungsverantwortung nochmals eingemahnt worden. "Die Vorgangsweise bei den Einsätzen hat mein Vertrauen in die Umsetzung meiner Vorgaben tief erschüttert, daher war ein Wechsel an der Spitze geboten." Die Innenministerin erwartet sich von der neuen Führung, dass das Projekt "Fremdenpolizei neu" auf Basis der Vorgaben der Ressortspitze strategisch rasch fertig geplant und umgehend umgesetzt werde.

Fall der Kosovo-Mädchen wird nochmals überprüft
Beim Fall der beiden kosovarischen Mädchen (siehe Infobox) prüfe das Innenministerium zurzeit die Vorgangsweise des Magistrats Steyr hinsichtlich der Ablehnung des humanitären Aufenthalts auf seine Rechtmäßigkeit, so Fekter. Es seien Zweifel aufgetaucht, dass die von Amtswegen durchzuführende Prüfung rechtens war.

von Gregor Brandl und Doris Vettermann, Kronen Zeitung, und krone.at

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