Fast täglich Brände

„Zombie-Akkus“ im Müll: Ein hochexplosives Problem

Digital
27.10.2020 14:37

Elektroschrott kann in Recycling-Werken zu einem hochexplosiven Problem werden: Immer wieder lösen nicht fachgerecht entsorgte Smartphones und andere Elektrogeräte Brände aus, weil die darin verbauten Akkus beim Müllverarbeitungsprozess beschädigt werden und explodieren. Für die Abfallwirtschaft und ihr Personal ist es eine tägliche Gefahr.

Die britische TV-Anstalt BBC zeigt anhand von Überwachungskamera-Aufnahmen aus Recycling-Zentren, welche Folgen unsachgemäß entsorgte Elektronik mit Lithium-Ionen-Akku haben kann. Förderbänder transportieren das Recycling-Gut durch die Anlage, die Mitarbeiter sortieren es - und plötzlich knallt es, Stichflammen schießen aus den Geräten und schlimmstenfalls wird dabei auch anderer Müll entzündet.

Brände können sich über Förderbänder ausbreiten
Es sind riskante Situationen, weiß Ian Scott-Browne. Der Mitarbeiter eines Müllverarbeitungs-Werks in Südengland erzählt von einem Akkubrand, den er selbst miterlebt hat. Er sah Rauch aus einer der Sortiermaschinen in seinem Werk kommen - und alarmierte sofort die Feuerwehr.

Plötzlich ein Knall und ein Akku zischt brennend vom einen aufs andere Förderband. Solche Vorfälle gibt es in britischen Recycling-Werken fast täglich. (Bild: Screenshot, BBC.com)
Plötzlich ein Knall und ein Akku zischt brennend vom einen aufs andere Förderband. Solche Vorfälle gibt es in britischen Recycling-Werken fast täglich.

„Meine größte Sorge war, dass wir die Kontrolle verlieren, wo das Feuer eigentlich ist“, sagt Scott-Browne. Die Förderbänder transportieren den Müll, teils über schwer zugängliche Schächte, nämlich schnell weiter und müssen bei einem Brand sofort abgeschaltet werden. Diesmal ging alles gut: Die Feuerwehr konnte den Brand eingrenzen und binnen 15 Minuten löschen.

Feuerwehr muss fast täglich ausrücken
Tatsächlich sind solche Brände für die Feuerwehr Routine: In Großbritannien komme es fast täglich zu Vorfällen in Recycling-Werken, die in etwa 40 Prozent der Fälle von explodierenden Akkus ausgelöst werden. Die Dunkelziffer könnte sogar noch höher sein. Auch die österreichische Abfallwirtschaft berichtete in den letzten Jahren von einer Häufung solcher Vorfälle. Verhindern kann man Brände von „Zombie-Akkus“, wie sie in den Recycling-Werken genannt werden, allerdings kaum.

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Die Feuer, die von diesen sorglos entsorgten Zombie-Akkus ausgelöst werden, bringen Menschenleben in Gefahr, beeinträchtigen die Müllverarbeitung und die Schäden kosten Millionen Pfund.

Jacob Hayler, Recyclingverband ESA

Jacob Hayler, Chef des britischen Recyclingverbandes Environmental Services Association (ESA): „Leider wird die Mehrzahl der Akkus, die in Großbritannien entsorgt werden, momentan nicht in die richtigen Recycling-Behälter geworfen. Die Feuer, die von diesen sorglos entsorgten Zombie-Akkus ausgelöst werden, bringen Menschenleben in Gefahr, beeinträchtigen die Müllverarbeitung und die Schäden kosten Millionen Pfund.“

Akkubrände sind auch hierzulande ein Risiko
Unsachgemäß entsorgte Elektrogeräte sind kein britisches Problem, sondern ein weltweites. Auch in Österreich landet immer noch zu viel Elektroschrott im Restmüll. Laut jüngsten Zahlen der Elektroaltgeräte-Koordinierungsstelle Austria (EAK) werden hierzulande 62 Prozent der Elektrogeräte korrekt entsorgt. Bei Batterien und Akkus sind es 45 Prozent.

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Wir müssen vor allem auch schauen, dass wir diese Lithium-Ionen-Akkus aus dem Restmüll heraushalten.

Christian Holzer, Sektion Abfallwirtschaft im Klimaschutzministerium

„Wir müssen einfach - nicht nur um die Quoten zu erreichen - die Batteriensammlung steigern“ und „wir müssen vor allem auch schauen, dass wir diese Lithium-Ionen-Akkus aus dem Restmüll heraushalten“, mahnte deshalb jüngst Christian Holzer, Leiter der Sektion Abfallwirtschaft im heimischen Klimaschutzministerium.

Das Wrack eines völlig ausgebrannten Tesla-Elektrowagens (Bild: National Transportation Safety Board)
Das Wrack eines völlig ausgebrannten Tesla-Elektrowagens

Experte sieht hohes Risiko bei Elektroautos
Wieso Lithium-Ionen-Akkus im Restmüll oft zu Bränden führen, weiß Paul Christensen von der Universität Newcastle. Der BBC erklärt er: Unter normalen Umständen seien Lithium-Ionen-Akkus, wie sie in Smartphones zu finden sind, keine Gefahr und völlig stabil. Das Problem sei, dass die Akkus „wie eine Rakete“ explodieren, wenn sie punktiert werden. Dann wird eine dünne Isolationsschicht beschädigt, die Plus- und Minuspol voneinander trennt. Es kommt zum Kurzschluss und in Folge zum Brand.

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Ein Elektroauto wird wesentlich länger brennen als ein Verbrenner, potenziell explosiven und toxischen Rauch abgeben und kann sich Stunden, Tage oder Wochen nach dem Zwischenfall wieder entzünden.

Paul Christensen, Universität Newcastle

In Recycling-Werken sei das gefährlich und lästig, wirklich zum Problem könnten Akkubrände laut dem Experten aber bei Elektroautos werden. Sie besitzen große, leistungsstarke Stromspeicher, die sich aus vielen einzelnen Akkuzellen zusammensetzen, die bei einem Unfall beschädigt werden und sich entzünden können. Das kann zu einer Kettenreaktion führen und auch die noch unbeschädigten Akkuzellen in Flammen aufgehen lassen. „Ein Elektroauto wird wesentlich länger brennen als ein Verbrenner, potenziell explosiven und toxischen Rauch abgeben und kann sich Stunden, Tage oder Wochen nach dem Zwischenfall wieder entzünden.“

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