Zu Allerheiligen stellen wir zwei Mönche vor, die in der mittelalterlichen Steiermark die Menschen mit christlichen Texten fesselten.
Er holte den Menschen seiner Zeit ein Stückchen vom Himmel herab auf die Erde: Bruder Philipp, Mönch im Kloster Seitz, das im Mittelalter in der Steiermark lag und heute nur mehr als Ruine im slowenischen Žice existiert. In seiner klösterlichen Zelle schrieb der gelehrte Kartäuser um das Jahr 1300 einen wahren „Bestseller“ - und zwar das „Marienleben“, eine 10.000 Verse starke „Biografie“ der Gottesmutter.
„Das Werk wurde sogar zur meistüberlieferten deutschsprachigen Dichtung des Mittelalters“, weiß Wernfried Hofmeister, Professor für Germanistik an der Universität Graz. „Schuld“ daran waren die Ritter des Deutschen Ordens, denen der Geistliche die Handschrift huldvoll gewidmet hatte: Sie „revanchierten“ sich dafür mit der Verbreitung des Textes in vieler Herren Länder.
Leser waren gefesselt
Philipp verstand es, seine Leser und Zuhörer mit bildhafter Sprache und der Poesie seiner Worte zu fesseln: Er schilderte das Leben Marias und das Wirken Jesu so eindrucksvoll, wie das heute wohl nur mehr ein bildgewaltiges TV-Historienepos vermögen würde.
Philipp faszinierte mit seiner Sprachkunst
Das „Marienleben“ spart keine biografischen Details aus: Erzählt wird von Marias Eltern, ihrer Vermählung mit Josef und der Geburt Jesu. Philipp von Seitz berichtet auch über die Flucht der Familie nach Ägypten, ihre Rückkehr und die Passion des Erlösers.
In der Obersteiermark, im Kloster Neuberg an der Mürz, lebte Ende des 14. Jahrhundert ein weiterer Mönch, der die Literatur des Mittelalters hierzulande bereicherte. Andreas Kurzmann war, so glaubt man heute, ein Weinbauernsohn aus dem Süden der Steiermark. Wie aber kommt die Wissenschaft darauf?
Religiöse Geschichten für den „Mainstream“
„Der Zisterzienser verwendet spezielle Fachausdrücke etwa in der Geschichte von der Arbeit im Weinberg“, erläutert Andrea Hofmeister, die ebenfalls am Institut für Germanistik an der Grazer Uni wirkt. Der Schreiber und Kantor verfasste die religiösen Texte für seine Laienbrüder im Konvent, welche die „Storys“ bei ihren Seelsorgetätigkeiten an die Bevölkerung außerhalb der dicken Klostermauern weitergaben. Das Wort Gottes für den „Mainstream“ sozusagen.
Vertauschte Rollen
So lauschen wir in Andreas’ berührender Dichtung auch noch heute einem Gespräch zwischen Maria und ihrem Sohn: „Ungewöhnlich ist, dass hier die Rollen vertauscht sind. Die Mutter bittet ihr Kind um Auskunft über den göttlichen Heilsplan - bislang überbrachte ihr der Erzengel Gabriel nur die Botschaft, dass sie den ,Sohn des Höchsten‘ gebären werde“, erklärt Andrea Hofmeister. Als Inspirationsquelle könnte Andreas Kurzmann eine Madonna im Stift Neuberg gedient haben. Die kostbare Figur hatte 1396 sogar einen Brand in der Kirche überstanden.
Dem Dichter ist ein eigener Literaturpfad rund um das Stift - kuratiert von Wernfried und Andrea Hofmeister - gewidmet. Im ganzen Bundesland führen acht Literaturpfade zu Schauplätzen, wo einst mittelalterliche Texte verfasst wurden: neben Neuberg an der Mürz in Admont, Bruck an der Mur, Seckau, Stattegg, Unzmarkt-Frauenburg, Vorau und Wildon.
Infos: literaturpfade.uni-graz.at
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