Maßnahmen im Überblick
Europa macht dicht: Kampf gegen Virus immer härter
In ganz Europa haben Länder im Kampf gegen die steigenden Corona-Infektionszahlen weitere Restriktionen beschlossen. Lockdowns, nächtliche Ausgangsbeschränkungen, Sperrstunden und Maskenpflicht in öffentlichen Räumen spiegeln länderübergreifend einen harten Kurs wider. Der Kontinent stöhnt unter der Last der zweiten Welle: 7,4 Millionen Corona-Fälle wurden bereits nachgewiesen, am Sonntag überstieg die Zahl der Corona-Toten die Marke von 250.000 Fällen. Welche neuen Maßnahmen aber stehen den EU-Bürgern nun genau bevor? Ein Länderüberblick.
Angesichts der dramatisch steigenden Corona-Infektionszahlen fahren neben Österreich immer mehr europäische Staaten das öffentliche Leben erneut herunter. Die Lage ist dramatisch, schoss die Zahl der Neuinfektionen in Europa in den letzten Wochen doch um 44 Prozent in die Höhe. Einen zu wirtschaftsschädigenden bzw. kompletten, „harten“ Lockdown wollen die Regierungen aber mit aller Kraft vermeiden.
In Österreich tritt mit Dienstag 0 Uhr ein zweiter Lockdown in Kraft. Gastronomiebetriebe, Freizeiteinrichtungen sowie Hotels und Beherbergungsbetriebe werden geschlossen, der Handel bleibt offen. Kontaktsportarten sind untersagt, Spitzensportler dürfen weiterhin an Wettbewerben teilnehmen.
Pflegeheime und Krankenhäuser dürfen von Besuchern nur alle zwei Tage aufgesucht werden, für Angestellte wird Home-Office empfohlen. Öffis können weiterhin genutzt werden, Hochzeitsfeiern sind untersagt. Die Ausgangsbeschränkungen gelten demnach vorerst bis inklusive 12. November 2020, die restlichen Maßnahmen bis 30. November. HIER können Sie alle neuen Bestimmungen im Detail nachlesen.
Video: Lockdown in Österreich: Alle Regeln und alle Ausnahmen
Slowenien schränkt die Bewegungsfreiheit seiner Bürger stark ein: Ab Dienstag gilt eine Ausgangssperre zwischen 21 und 6 Uhr sowie ein Verbot von Auslandsreisen. Nur für Volksschüler findet noch Präsenzunterricht statt, die Obergrenze für private Treffen wurde auf sechs Menschen gesenkt. Seit dem Wochenende sind Geschäfte - außer etwa Lebensmittelläden - und Hotels geschlossen. Das kleine EU-Land mit zwei Millionen Einwohnern kämpft aktuell mit einem besonders heftigen Infektionsgeschehen.
Frankreich: Präsident Emmanuel Macron verkündigte in der Vorwoche einen neuerlichen Lockdown, ähnlich wie Deutschland und auch Österreich. Tausende Menschen flohen in der Folge aus der Hauptstadt Paris, um die Quarantäne in Zweitwohnsitzen oder am Land verbringen zu können.
Nach den grausamen Messerangriffen in Nizza und der Extremisten-Debatte sieht sich Macron in Sachen Coronavirus mit einer schweren Verantwortung konfrontiert, die er aber „voll und ganz“ übernehmen wolle. „Frankreich wird niemals Hunderttausende seiner Bürger sterben lassen, das sind nicht unsere Werte“, so Macron über die harten Maßnahmen, die vor allem die Gastronomie verzweifeln lassen.
Deutschland: Bundeskanzlerin Angela Merkel zog am 28. Oktober die Notbremse und rief einen zweiten Lockdown aus. Dieser bringt massive Kontaktbeschränkungen mit sich und soll ab kommenden Montag gelten. Der Aufenthalt in der Öffentlichkeit soll nur noch „mit den Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes gestattet“ sein, Kontakte der Menschen müssten um 75 Prozent reduziert werden, um das Virus zu stoppen.
Video: Angela Merkel verkündet zweiten Lockdown
„Wenn es bei diesem Tempo bleibt, kommen wir binnen Wochen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems. Es ist vollkommen klar, dass wir handeln müssen, um eine nationale Gesundheitsnotlage zu verhindern“, so Merkel weiter.
In der Slowakei geht man einen Sonderweg: Dort begannen am Samstag flächendeckende Corona-Tests für die gesamte Bevölkerung, immerhin 5,4 Millionen Einwohner. In etwa 5000 Testzentren im ganzen Land standen rund 45.000 medizinische Fachkräfte, Soldaten und Polizisten bereit, um alle Bürger ab zehn Jahren kostenlosen Schnelltests - die „Hunderte Menschenleben retten sollen“ - zu unterziehen.
In Europa haben ansonsten nur Luxemburg und Monaco flächendeckende Tests angekündigt. In China wurden bereits die Einwohner ganzer Städte getestet.
Wie am Wochenende in Paris und acht weiteren französischen Städten trat am Montag auch in Belgien eine nächtliche Ausgangsbeschränkung von Mitternacht bis 5 Uhr in Kraft. Ab 20 Uhr ist außerdem der Verkauf von Alkohol verboten. Angesichts überlasteter Krankenhäuser müssen landesweit alle Cafés und Restaurants für mindestens vier Wochen schließen.
Belgiens Bürger dürfen nur noch mit maximal einem Menschen außerhalb ihres Haushalts engen Kontakt ohne Maske haben. Die Kliniken sind bereits überlastet. Besonders erschütternd: Medizinisches Pflegepersonal, das sich infiziert hat, arbeitet trotz Erkrankung weiter. „Wir müssen zwischen einer schlechten und einer sehr schlechten Lösung wählen“, so Philippe Devos vom Verband der medizinischen Gewerkschaften. Die sehr schlechte Lösung sei, Patienten gar nicht zu behandeln.
Auch in Dänemark gibt es ab 22 Uhr keine Alkoholausschank mehr, außerdem wurde ein Warnsystem mit fünf Risikostufen zur Coronavirus-Lage im Land eingeführt. In Schweden hatte die Provinz Uppsala Ende Oktober einen freiwilligen Lockdown ausgerufen, der noch bis 3. November gilt. Bundesweit wurde die Isolation für ältere Mitbürger aufgehoben.
Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte verkündete am Sonntag eine Sperrstunde ab Mitternacht für Bars und Restaurants. Maximal sechs Gäste dürften noch pro Tisch in den Lokalen sitzen. Ab 18 Uhr werden keine stehenden Gäste mehr bedient. Die Maßnahme sorgte schon zu Wochenbeginn für Unruhen, etwa im sizilianischen Palermo oder auch in der Hauptstadt Rom. Teilweise arteten die Demonstrationen zu Krawallnächten aus, es gab Verletzte und Festnahmen.
Die Schweizer Regierung beschloss am Sonntag eine Maskenpflicht in geschlossenen öffentlichen Räumen wie Geschäften und Lokalen. Außerdem gelten seit Montag Beschränkungen für private Feiern und öffentliche Versammlungen mit mehr als 15 Menschen. Ziel sei es, eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. In der Schweiz haben sich die Corona-Neuinfektionen sowie Todesfälle innerhalb einer Woche verdoppelt.
In Spanien standen in den letzten Tagen heftige Auseinandersetzungen an der Tagesordnung. Sowohl in Katalonien als auch in der Hauptstadt Madrid kam es zu regelrechten Straßenschlachten mit der Polizei, Grund dafür waren neue Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Mistkübel brannten, Geschäfte wurden geplündert, Polizisten mit Pflastersteinen beworfen. Zuvor hatte die Regierung den landesweiten Gesundheitsnotstand ausgerufen. Mit der Maßnahme soll die Bewegungsfreiheit ausreichend eingeschränkt werden, um einen neuerlichen kompletten Lockdown zu verhindern.
Großbritannien gab erst am Sonntag landesweite Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie bekannt. Ab Donnerstag gilt ein neuerlicher Lockdown. „Jetzt ist die Zeit zum Handeln, weil es keine Alternative gibt“, so Premier Boris Johnson. Der Lockdown soll bis mindestens 2. Dezember gelten. Die Schulen sollen geöffnet bleiben. Geschäfte der Grundversorgung dürfen öffnen, die Bevölkerung soll abgesehen vom Gang in die Arbeit, in die Schule oder zum Arzt zu Hause bleiben.
Mit fast 47.000 Corona-Toten weist Großbritannien die höchste Opferzahl Europas auf. Dokumente der wissenschaftlichen Beratergruppe legen jedoch dar, dass die Zahl der Infizierten und Krankenhauseinweisungen demnächst die Berechnungen für den schlimmsten Fall übertreffen könnten.
Die polnische Regierung verfügte wegen überlasteter Krankenhäuser, Teile des Nationalstadions in Warschau zu einem Corona-Lazarett umzufunktionieren. Ab Ende der Woche sollen dort rund 500 Betten, davon 50 Intensivbetten, für Covid-19-Patienten bereitstehen.
In Griechenland müssen ab Dienstag Restaurants, Cafés, Museen und Kinos im Rahmen eines Teil-Lockdowns schließen. Auch in Portugal tritt am Mittwoch ein Teil-Lockdown in Kraft, der für rund drei Viertel der Bevölkerung gilt. Menschen dürfen zwar in die Arbeit gehen - wenn Home-Office nicht möglich ist - und ihre Kinder in die Schule bringen, Geschäfte aber müssen um 22 Uhr schließen.
Trump: „Drakonische Lockdowns halten Virus nicht auf“
US-Präsident Donald Trump hat kurz vor der Wahl in den USA die Wirksamkeit dieser strengen Alltagsbeschränkungen in Europa infrage gestellt. „Die explodierenden Fälle in Europa haben gezeigt, dass drakonische Lockdowns - das sind sie, drakonisch - das Virus nicht aufhalten“, lästert der Republikaner. Trump brüstete sich zudem damit, dass die Übersterblichkeit in den USA 40 Prozent niedriger sei als in Europa. Auf welche Zahlen sich Trump mit seiner Aussage berief, war - wieder einmal - unklar. Fix ist, dass am Samstag binnen 24 Stunden 94.125 neue Ansteckungsfälle erfasst wurden - neuer Rekord.
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