Verstörende Szenen haben sich am Sonntagmorgen im achten Wiener Gemeindebezirk abgespielt: Ein einzelner Wagen fuhr dort im Schritttempo durch die Gassen, aus einem Lautsprecher waren Schüsse und Gewehrsalven zu hören, dazu die Gebetsrufe eines Muezzin. Begleitet wurde der Wagen von zwei Polizeifahrzeugen. Viele Anrainer waren geschockt und fürchteten angesichts der jüngsten Ereignisse rund um den Anschlag in der Wiener Innenstadt, dass es erneut zu einem ähnlichen Vorfall gekommen sei. Ehe die Polizei die Kundgebung unterband, vergingen rund 40 Minuten. Die Akteure wurden - u.a. wegen Verhetzungsverdacht - angezeigt.
Die Wogen im Web gingen angesichts dieser absurden Provokation natürlich hoch. „Was ist da los?“, fragte etwa SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi, dem das Video von einem arabisch sprechenden Bewohner der Josefstadt, der sich gefürchtet habe, geschickt worden sei, auf Twitter. „Gibt es dazu eine Erklärung?“ Doch auch die Polizei musste das Geschehen erst einmal überprüfen.
Zahlreiche Buhrufe gegen Hetzaktion
Auf einem weiteren Clip ist zu hören, wie der Sprecher auf dem Demo-Wagen gegen „Islamisierung“ wetterte: „Dann habt‘s ihr sicherlich auch nichts gegen diese Kulturbereicherung hier“, schallte durch die Straßen. Doch die Reaktion der Anwohner ließ nicht lange auf sich warten: Kurz darauf tönten zahlreiche Buhrufe aus den Fenstern.
Seitens der Polizei hieß es zunächst: „Wir klären gerade ab, was da genau passiert ist. Sind auch erst soeben davon in Kenntnis gesetzt worden.“ Wenig später hieß es, es habe sich um eine angemeldete Demonstration einer Privatperson gehandelt. Man sei bemüht, den Vorfall weiter aufzuklären.
Kundgebung nach 40 Minuten unterbunden
Das geschah schließlich gegen 12.30 Uhr: Auf Twitter hieß es von der Polizei, die Kundgebung sei unter dem Titel „Toleranz und Vielfalt“ ordnungsgemäß angemeldet worden, zum Zeitpunkt der Versammlungsanzeige habe „kein Untersagungsgrund“ vorgelegen. Die Veranstalter hätten versichert, mit dem Lautsprecher nur Musik abspielen zu wollen. Nach dem Start der Aktion um 9.20 Uhr wurden jedoch „insgesamt viermal, für die Dauer von ein bis zwei Minuten Maschinengewehrsalben, und antimuslimische Parolen“ wiedergegeben.
Anzeigen auch wegen Verhetzungsverdacht
Die eskortierenden Beamten hätten zuerst Rücksprache mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gehalten und dann die Kundgebung um 10 Uhr beendet. „Gegen die anwesenden Personen wurden Verwaltungsanzeigen, u.a. wegen Störung der öffentlichen Ordnung, erstattet und Erhebungen wegen des Verdachtes der Verhetzung eingeleitet“, erklärte die Polizei zudem. Dass das unheimliche Geschehen nicht schneller bzw. unmittelbar unterbunden wurde, wurde in etlichen Kommentaren kritisiert.
Aufklärung gefordert
Gemeinderat Al-Rawi kritisierte auch die Aktion selbst scharf: „Wir brauchen die Spalter auf beiden Seiten nicht.“ Den Urhebern der Aktion sei gesagt, „Schleicht‘s euch, ihr Arschlöcher“ - in Anlehnung an jene Worte, die sich als Absage an den Terror in Wien etabliert haben. Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) forderte via Twitter ebenfalls Aufklärung über das Geschehen.
Warum die Polizei nicht sofort eingegriffen habe „als klar war, dass die Kundgebung einzig dem Zweck dient, die Bevölkerung in Angst zu versetzen und Hetze zu verbreiten?“, fragt auch die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch in einem Tweet.
540 Notrufe waren in der Schreckensnacht binnen nur einer Stunde eingegangen, nachdem Kujtim F. am Montagabend erstmals das Feuer eröffnet hatte. Die „Krone“ erhielt Einblick in das beklemmende Echtzeit-Funkprotokoll der Wiener Terrornacht.
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