Weltweite Debatte

Corona-Impfung: Freiheit oder Pflicht?

Ausland
27.11.2020 13:59

Je greifbarer die diversen Impfstoffkandidaten gegen das Coronavirus werden, desto hitziger wird die weltweite Debatte über eine Impfpflicht geführt. Auch wenn in Österreich laut Umfragen zuletzt die Impfbereitschaft gestiegen ist, gibt es hierzulande zahlreiche Menschen, die sich nicht impfen lassen werden. Eine verpflichtende Corona-Impfung wird es laut Bundeskanzler Sebastian Kurz nicht geben. Aber es gibt indirekte Wege, über die man wohl versuchen wird, die Menschen dazu zu bewegen.

Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery spricht sich für eine allgemeine Impfpflicht aus, sobald ein Serum gegen das neuartige Coronavirus zur Verfügung steht. Wer sich nicht immunisieren lasse, stelle ein hohes Risiko für seine Mitbürger dar, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden könnten, warnte Montgomery vor einem halben Jahr. Für Impfgegner ist diese Ansage eine Kriegserklärung, denn für sie gelten Impfungen als bestenfalls unnötig und schlimmstenfalls gefährlich.

Frank Ulrich Montgomery (Bild: Wikipedia/StagiaireMGIMO, stock.adobe.com, krone.at-Grafik)
Frank Ulrich Montgomery

Doch wie sieht die Debatte in einzelnen Staaten aus?

Österreich: Es gibt nach wie vor einen großen Anteil an Impfskeptikern. Einer Impfpflicht hat die Bundesregierung, wie bereits erwähnt, eine Absage erteilt, es werde aber eine „dringende Empfehlung“ geben, sich impfen zu lassen. Die Regierung geht davon aus, dass die große Mehrheit der Bevölkerung bereit ist, sich freiwillig impfen zu lassen. Zudem gibt es auch indirekte Anreize, sich impfen zu lassen - wie etwa den Nachweis einer Impfung vor Antritt von Reisen. Eine Impfpflicht gibt die Gesetzeslage laut Experten nicht her. Es gibt auch gegen keine andere Krankheit eine Impfpflicht. Es kann aber im Einzelfall der Arbeitgeber eine bestimmte Immunisierung fordern. Dann muss der Dienstgeber aber auch für die Kosten aufkommen. Liegt kein Immunitätsnachweis vor, ist das aber kein Kündigungsgrund. Seit Jahren gibt es die Forderung nach einer Impfpflicht zumindest im Gesundheitsbereich.

(Bild: APA/Helmut Fohringer)

Deutschland: Zwar wird das Gesundheitsministerium im kürzlich beschlossenen Infektionsschutzgesetz dazu ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates besonders bedrohte Teile der Bevölkerung unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Impfung zu verpflichten, Experten gehen allerdings nicht davon aus, dass es dazu kommt. Schon gar nicht wird es zu einer allgemeinen Corona-Pflichtimpfung kommen.

USA: Eine verpflichtende Corona-Impfung mit einem zugelassenen Mittel ist nicht ausgeschlossen. Ein solcher Beschluss würde aber nicht bundesweit, sondern pro Bundesstaat getroffen werden. So verabschiedete die New Yorker Anwaltskammer Anfang November einen Beschluss, der eine Impfpflicht für den Fall empfehlen würde, dass nicht genug Menschen das Präparat freiwillig nehmen sollten. Einer solchen Maßnahme könnte dadurch Nachdruck verliehen werden, dass nicht-geimpfte Personen zum Beispiel keine Bars oder Restaurants besuchen dürften. Auch Arbeitgeber können ihre Angestellten Experten zufolge zu einer Impfung veranlassen, solange sie einen berechtigten Grund dazu haben.

(Bild: AP)

Australien: Premierminister Scott Morrison hat schon im August betont, er wolle eine Impfpflicht für alle Bürger, sobald ein Impfstoff vorhanden sei. Die nationale Fluggesellschaft Qantas will zumindest auf Interkontinentalflügen eine Impfpflicht für ihre Passagiere einführen. Sobald ein Impfstoff verfügbar sei, würden die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Airline entsprechend angepasst, sagte Qantas-Chef Alan Joyce.

Australiens Premierminister Scott Morrison (Bild: AFP/David Gray)
Australiens Premierminister Scott Morrison

Argentinien: Es besteht eine Impfpflicht gegen eine ganze Reihe von Krankheiten wie die üblichen Kinderkrankheiten, Hepatitis A und B, Rotaviren, Diphtherie, Tetanus und Gelbfieber. Diese Impfungen stehen im Nationalen Impfkalender und sind damit kostenlos und obligatorisch. Ohne Impfnachweis können Kinder zum Beispiel nicht eingeschult werden. Die Impfung gegen das Coronavirus soll zunächst nicht verpflichtend sein. Sie könnte aber noch später in den verpflichtenden Impfkalender aufgenommen werden, wenn sich die neuen Vakzine als effektiv und sicher herausgestellt haben.

Brasilien: Im Land des Corona-Skeptikers Jair Bolsonaro sind zahlreiche Impfungen verpflichtend. Doch es bleibt eine spannende Frage, ob der rechtspopulistische Präsident, der selbst eine Covid-19-Erkrankung hinter sich hat, nach all der Kritik an den weltweiten Pandemie-Maßnahmen die Corona-Impfung in auf die Liste von Pflichtimmunisierungen setzt. Er hat auf jeden Fall eine starke Basis hinter sich. Als São Paulos Gouverneur João Doria zuletzt eine Impfpflicht ins Gespräch brachte, kam es zu Protesten. Auf einem Transparent war zu lesen: „Wir sind keine Versuchskaninchen.“

Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro (Bild: APA/AFP/Evaristo Sa)
Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro

Schweiz: Bei den Eidgenossen ist eine partielle Impfpflicht denkbar. „Ein Obligatorium kann je nach Lage in speziellen Situationen Sinn machen“, sagte die Chefin des Bundesamtes für Gesundheit, Anne Lévy, zuletzt im „Sonntagsblick“. Gemeint ist aber höchstens die Impfpflicht für bestimmte Gruppen, wie die Gesundheitsrechtlerin Franziska Sprecher von der Universität Bern dem Sender SRF sagte. „Impfobligatorien sind nach dem geltenden Recht möglich. Allerdings nur für spezifische Gruppen wie etwa Personen, die mit vulnerablen Gruppen zu tun haben, insbesondere das Gesundheitspersonal“, erklärte Sprecher.

Freiwilligkeit in den meisten EU-Staaten
Die meisten anderen europäischen Länder hingegen setzen auf Freiwilligkeit. „Ich werde die Impfung nicht verpflichtend machen“, sagte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in dieser Woche in einer TV-Ansprache. Die Impfungen gegen das Coronavirus sollen in Spanien freiwillig, kostenlos und zuerst Risikogruppen vorbehalten sein, wie es in dem Impfplan der Regierung steht.

Italiens Ex-Premier führt Kampf gegen Impfgegner
Auch in Tschechien sieht die nationale Impfstrategie vor, dass die Teilnahme an der Immunisierung freiwillig sein wird. Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte in einem Fernsehinterview des Senders „LA7“, er favorisiere eine freiwillige Entscheidung. Ex-Premier Matteo Renzi hingegen setzt sich für eine verpflichtende Immunisierung ein.

Matteo Renzi (Bild: APA/AFP/Andreas Solaro)
Matteo Renzi

„Sollte ein Impfstoff gegen Covid-19 auf den Markt kommen, muss die Impfung für jeden in Italien Pflicht sein“, forderte Renzi. Der Ex-Premier hatte in den vergangenen Jahren eine Kampagne gegen die sogenannte No-Vax-Bewegung geführt. Diese besteht zum Großteil aus Eltern, die sich trotz der 2017 gesetzlich eingeführten Pflicht weigern, schulpflichtige Kinder gegen zehn Krankheiten, darunter Diphtherie, Tetanus und Masern, impfen zu lassen. Sie behaupten, das massive Injizieren von Impfstoffen sei für die Gesundheit gefährlich.

Geldbußen und Haftstrafen
Weltweit gibt es laut einer Studie der kanadischen McGill University in etwa der Hälfte aller Länder verpflichtende Impfprogramme gegen mindestens eine Krankheit. In 62 Staaten gibt es irgendeine Art von Strafe für Menschen, die sich der Impfpflicht widersetzen - das kann von Belehrungen über Geldbußen bis hin zu Haftstrafen reichen. „Impfprogramme sind das kosteneffektivste und erfolgreichste Werkzeug im öffentlichen Gesundheitswesen. Gerade in einer Pandemie ist eine hohe Durchimpfung im globalen Maßstab wichtig“, sagte die leitende Autorin der Studie, Katie Gravagna.

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