Nachdem der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Sterbehilfe-Verbot gekippt hat, muss sich die Politik nun überlegen, wie sie das Gerichtserkenntnis rechtlich umsetzt. Kardinal Christoph Schönborn erhofft sich vom Parlament, dass es „mit Weisheit nach guten Lösungen sucht“ und Hospiz- und Palliativeinrichtungen ausgebaut werden, „dass das Töten nicht zur Routine wird“.
Kardinal Schönborn nennt gegenüber der „Krone“ ein klares Beispiel: „Wenn jemand von der Brücke springen will, wird man versuchen, ihn davon abzuhalten. Soll es jetzt erlaubt sein, ihm den letzten Schubs zu geben? Und dass alle das gut finden?“ Selbstmord sei eine tiefe Wunde für Familie und Freunde, auch im Alter. „Es gibt unerträgliche Situationen, in denen Schwerkranke sich den Tod wünschen. Ich habe solche Kranke erlebt“, so der Kardinal: „Die wirklich menschliche Antwort aber ist Nähe, Schmerzlinderung, Zuwendung.“
„Österreich war hier Vorbild“
Bisher herrschte zwischen den Parlamentsparteien ein Konsens, dass Sterbebegleitung, Palliativmedizin und Hospize „der gute Weg“ sind: „Österreich war hier Vorbild. Die schreckliche Erinnerung an die Masseneuthanasie von ,lebensunwertem Leben‘ in der Nazi-Zeit hat immer als Warnung gegolten. Der überraschende Spruch der Höchstrichter ist da ein Dammbruch.“
Meine größte Sorge? Dass es zu einem immer größeren Druck kommt, sich als Hindernis für die anderen zu empfinden.
Kardinal Christoph Schönborn
Seine Sorge sei, „dass es zu einem immer größeren Druck auf kranke, müde, leidende Menschen kommen wird, sich als Hindernis für die anderen zu empfinden: moralischer Druck, sich durch einen Suizid selber aus dem Weg zu räumen“.
Der unbedingte Vorrang des Lebens bis zum natürlichen Tod sei bisher österreichischer Konsens gewesen: „Dafür nehmen wir auch die Maßnahmen auf uns, die der Kampf gegen die Corona-Pandemie von uns fordert“, erinnert Schönborn. Und er verweist auf die Worte Kardinal Franz Königs: „Menschen sollen an der Hand eines anderen sterben und nicht durch die Hand eines anderen.“
Menschen sollen an der Hand eines anderen sterben und nicht durch die Hand eines anderen.
Kardinal Franz König
Auf den Gesetzgeber wartet viel Arbeit: Er muss den jetzt teilweise aufgehobenen Paragrafen 78 des Strafgesetzbuches (Mitwirkung am Selbstmord) neu formulieren. Die Frage ist: Wem darf bei der Selbsttötung geholfen werden, wer überprüft die Voraussetzungen? Und wer darf helfen? Angehörige, Ärzte oder auch ein Verein wie in der Schweiz?
Silvia Schober und Peter Grotter, Kronen Zeitung
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