Aufregung um Gesetze, Maßnahmen, Verordnungen: Die Bundesregierung erfuhr im Jahr 2020 mehrere Rückweisungen beim Verfassungsgerichtshof. Experten orten eine Mischung aus fehlender juristischer Kompetenz sowie ineffizienten Strukturen und Mechanismen.
Im Namen der Dosen fliegen die Fetzen. Nach Freitesten reiht sich Impfen als Neujahrskracher ans Corona-Jahr 2020. Verordnungen, Streitereien, Rechtswidrigkeiten. Spätestens beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist Endstation. Dort erfuhr die Regierung manche Abfuhr.
Maßnahmen, die im Frühjahr galten, waren gesetzeswidrig: Verbot von Veranstaltungen mit mehr als zehn Personen (betrifft etwa Diskotheken); Maskenpflicht an öffentlichen Orten in geschlossenen Räumen; Betretungsverbote für selbstständige Waschstraßen; Beschränkungen betreffend Einlass in Gaststätten; auch wischte der VfGH die Mindestabstandsregel (ein Meter zwischen „Verabreichungsplätzen“, wie es im Juristendeutsch heißt) vom Wirtshaustisch.
Der jüngste Streich
Jüngster Streich des VfGH: Die Covid-Maßnahmen in Schulen (Maskenpflicht und Schichtbetrieb) sind rechtswidrig. Überall fehlte die Begründung für die Notwendigkeit der Maßnahmen.
Dies sei auch das Grundproblem, sagt Rechtsanwalt und Ex-Politiker Alfred Noll. „Was da rauskommt, entspringt einer Blackbox, die für die Öffentlichkeit nicht einsehbar ist.“ Immerhin sehe man, dass der Gesetzgeber „nicht fähig ist, ausreichend klare Entscheidungen zu treffen, und er überlässt diese deshalb den Ministern.“
Eilverfahren sind erwünscht
Die scheitern oft am Covid-19-Maßnahmengesetz bzw. am Epidemiegesetz. „Das stammt in seinen Grundzügen aus 1913, wurde 1950 erneuert, ein paarmal adaptiert, ist aber nicht zeitgemäß“, sagt Verfassungsrechtsprofessor Heinz Mayer. Das Gesetz sei auf regionale Ereignisse bei Scharlach etc. ausgelegt, nicht auf Pandemien.
Zudem müsse die Regierung unter immensem Zeitdruck agieren. „Es gab Hunderte Verordnungen in kürzester Zeit, das hat es noch nie gegeben. Bei Schnellschüssen passieren Fehler.“ Dennoch konstatiert Mayer gravierende Fehler der Regierung, die er auch auf einen Mangel an legistischer Kompetenz in Ministerien zurückführt. Ein weiteres Problem benennt Noll: „Wir brauchen Eilverfahren wie in Deutschland, damit der VfGH zeitnah die Verordnungen prüfen kann.“
Damit könnte monatelange Gültigkeit von Gesetzeswidrigkeit verhindert werden. Abseits von VfGH-Rückweisungen gab es aber auch Rückzieher. Stichwort Ostererlass, der auf Familienfeiern abzielte. Der Erlass war rasch erloschen. „Sorry für die Verwirrung - Kritik verstanden“, sprach Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne). Es war nicht die einzige Entschuldigung 2020. Fortsetzungen für 2021 dürfen befürchtet werden.
Erich Vogl, Kronen Zeitung/krone.at
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.