Am Sonntag wählen mehr als 120.000 Menschen in der Steiermark eine neue Vertretung in der Landwirtschaftskammer. Welche Rolle hat diese Institution - und vor welchen Herausforderungen und Chancen steht die heimische Agrarbranche? Das haben wir den Agrarökonomen Franz Sinabell vom Wifo-Institut gefragt.
Welche Rolle spielt die Landwirtschaftskammer im Jahr 2021 für den Agrarbereich? Hat sie politische Relevanz?
Die Landwirtschaftskammer spielt eine große Rolle als Vertretung der Interessen, heuer vor allem bei der Entwicklung des Strategieplans der Gemeinsamen Agrarpolitik (auf EU-Ebene, Anm.). Da werden in den nächsten Monaten wichtige Entscheidungen vorbereitet. Ein Aspekt dabei ist, wie viel in Zukunft in Bildungs- und Beratungsmaßnahmen investiert wird. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, dass die Kammer auch in Zukunft ein wichtiger Serviceanbieter sein kann.
Inwieweit kann Agrarpolitik regional gesteuert werden? Oder fallen die wesentlichen Entscheidungen ohnehin auf nationaler und europäischer Ebene?
Die Agrarpolitik ist im Kern Aufgabe der Länder. Dies führt dazu, dass wir in Österreich eine Landwirtschaft haben, die sich regional stark unterscheidet. Im Burgenland etwa beobachteten wir einen starken Strukturwandel. Andere Länder setzen mehr Akzente, die zum Fortbestand von Betrieben beitragen. Ein wichtiger Hebel ist auch die Raumordnung. Damit werden Investitionsentscheidungen und somit die langfristige Produktion stark gesteuert.
Hat die gesellschaftliche Relevanz durch Corona (Stichwort: Selbstversorgung) wieder zugenommen?
Die Corona-Krise hat für viele Bereiche aufgedeckt, dass eine Versorgung vor Ort Vorteile hat. Aber wir brauchen den internationalen Handel, weil etwa importierte Maschinenelemente oder Futterinhaltsstoffe Voraussetzung für die heimische Produktion sind. Ich nehme jedenfalls wahr, dass die Wertschätzung für lokale Produkte gestiegen ist. Ich mache mir aber keine Illusionen, dass eine generelle Trendwende eingetreten ist, weil ja im Bereich der Lebensmittelversorgung alles ganz gut klappt.
Was sind aus Ihrer Sicht derzeit die größten Herausforderungen im heimischen Agrarbereich?
Die größte Herausforderung ist der Verlust von Boden durch Verbauung und Verkehrsflächen. Damit verbunden sind die hohen Bodenpreise, weil dazu noch eine große Nachfrage von außerhalb der Landwirtschaft kommt.
Wo liegen aus Ihrer Sicht in Zukunft die größten Chancen für die heimische Landwirtschaft?
Ich beobachte zwei Ansätze. Eine Gruppe von Betrieben entwickelt sehr spezifische Produkte und sucht den direkten Zugang zu den Verbrauchern. Die andere Gruppe setzt auf Spezialisierung und die Vorteile größerer Einheiten. Beide Zugänge sind für mich sehr erfolgversprechend, wenn sie konsequent verfolgt werden.
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