Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!
Aliceissleeping - Completely Fine
Der Retro-Rock hat schon vor einigen Jahren bei jungen Bands Einzug gehalten. Besonders attraktiv wirkte er auf skandinavische Bands, die längst eigene Festivals mit derartigen Bands füllen können. Die Londoner von Aliceissleeping sind mit ihrem Debütalbum „Completlely Fine“ schon ein bisschen spät dran, zumal die erste EP „Space Wanders & Bleeding Hearts“ schon fast drei Jahre alt ist und man nie nachgelegt hat. Die Range der einzelnen Songs ist weitreichend. Von 70er-Prog-Zitaten über Grunge-Anleihen bis hin zum klassischen Stoner Rock verbrät die Truppe rund um Frontfrau Alice alles, was Fans der Stromgitarre in den letzten Dekaden schätzten. Alles zusammengemixt erbit aber freilich nicht automatisch Qualität und so mäandern die Tracks bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus. Hängen bleibt dabei so gut wie nichts. Schade, aber diesen Sounds gibt es schon x-fach besser. 4/10 Kronen
Angelus Apatrida - Angelus Apatrida
Es spricht gemeinhin nicht gerade für den Metal, wenn Bands, die seit 20 Jahren fleißig auf Tour sind, noch immer im Newcomer-Segment verortet werden. Etwa die Spanier von Angelus Apatrida, die zu ihrem 20-Jahre-Jubiläum eigentlich eine EP veröffentlichen wollten, aber aus bekannten Gründen plötzlich massig Zeit hatten. So haben sie ihr siebentes Studioalbum nicht nur nach sich selbst benannt, sondern eben auch gleich in die Länge gezogen. Und fürwahr - wo alte Hasen wie Megadeth, Annihilator oder Testament beständig Abnutzungserscheinungen zeigen, brillieren Guillermo Izquierdo und Co. mit frischen Ideen, knackigen Songs und eruptiven Ausritten. Songs wie „Indoctrinate“, „The Age Of Disinformation“ oder „Through The Glass“ zählen mitunter zum Besten, was das Genre in den letzten Jahren hergegeben hat und auch wenn nicht jeder Song und jede Idee zündet - es wird Zeit, die Staffelübergabe im Genre zu vollziehen. Dieses Album ist dafür der beste Beweis. 8/10 Kronen
Black Country, New Road - For The First Time
Der Musikfanatiker sucht stets das Neue und nicht Dagewesene. Je mehr Klänge bereits auf Polycarbonat gepresst wurden und durch den Äther schwirren, umso schwieriger wird es mit Innovation. Das britische Septett Black Country, New Road beweist auf dem Debütalbum „For The First Time“ aber eindrucksvoll, dass man sich nur ein bisschen Mühe geben muss, um etwas Neues zu erschaffen. Wer mit einem „Instrumental“ benannten Instrumental in Album startet, der hat Mut. So ungreifbar und revolutionär geht es weiter. Der derzeit angesagte, raue Post-Punk duelliert sich mit Modern-Jazz-Ausflügen. Die Songs gehen Jamsession-artig in puren Wahnsinn über, Gesang und Spoken-Word-Einlagen halten sich die Waage. Hier ein Saxofon, dort die Transzendenz. Hier etwas klangliche Freakshow, dort ein unwiderstehlicher Rhythmus. Was soll das sein? Egal, es ist neu, es ist virtuos, es ist kreativ. Black Country, New Road steht die Popwelt offen. 8,5/10 Kronen
John Carpenter - Lost Themes III: Alive After Death
Horrorlegende John Carpenter hat zwar unlängst seinen 73. Geburtstag gefeiert, ist aber nimmermüde im Business unterwegs und überlegt Gerüchten zufolge, künftig wieder als Regisseur in Erscheinung zu treten. Zuerst gibt es aber Musik, denn „Lost Themes III: Alive After Death“ ist das erste Nicht-Soundtrack-Album des Großmeisters seit fünf langen Jahren. Laut dem Veteranen sollte das Album als „Soundtrack für die Musik in unseren Köpfen“ dienen. Die Single „Weeping Ghost“ leitet mit Synthwave-Klängen gleich einmal direkt in die so gerne wiederbelebten 80er-Jahre, seine Kompagnons Cody Carpenter und Daniel Davies wissen mit Gitarren- und Synthie-Duellen samt gruseliger Horrorästhetik gut zu überzeugen. Ein weiteres feines Werk aus dem Hause Carpenter, das die Sehnsucht nach Clubnächten steigert. 7,5/10 Kronen
Kate Ceberano - Sweet Inspiration
Die Australierin Kate Ceberano ist seit gut 40 Jahren eine nicht wegzudenkende Konstante auf dem fünften Kontinent. Mit ihrer Mischung aus Jazz, Soul, Pop und R&B berührt sie unterschiedlichste Musikfans und heimste auch zahlreiche Auszeichnungen ein. Während der Pandemie hat sie sich mit ihren persönlichen Favoriten auseinandergesetzt und mit „Sweet Inspiration“ ein famoses Coveralbum eingespielt, das durchaus mit einer eigenen Note aufzutrumpfen weiß. Dabei sind es gar nicht die allzu großen Hits wie Whitney Houstons „I Will Always Love You“ oder der persönlich mit einem Umzug konnotierte Beatles-Klassiker „The Long And Winding Road“, sondern die Songs aus der „B-Reihe“, die besonders gut klingen. Etwa Elbows „Mirrorball“, eine wundervolle Version von Paul Wellers „You Do Something To Me“ oder das stimmliche Highlight „Hold On“, eine Lockdown-Eigenkomposition. Triumphal! Ohne Bewertung
A.J. Croce - By Request
Nach 24 gemeinsamen Jahren wurde Pennsylvania-Musiker A.J. Croce 2018 das Familienglück entrissen. Seine geliebte Frau verstarb an einem plötzlichen Herzleiden und der sympathische Vollblutmusiker musste die Hiobsbotschaft erst einmal verkraften und verarbeiten. Verarbeitet hat er das tragische Ereignis mit dem Album „By Request“, auf dem er ausschließlich Songs spielt, die er sonst vor Freunden feilbietet, wenn es denen schlecht geht oder sie durch dunkle Zeiten schreiten. So tröstet sich Croce mit durchaus fröhlichen und herzhaften Songs, die in der Live-Atmosphäre noch vor der Pandemie eingespielt wurden, teilweise selbst. Ein schönes Album mit Klassikern und Preziosen, das selbst in düsteren Zeiten wie diesen ungebrochen Lebensfreude vermittelt. Ohne Bewertung
DeWolff - Wolffpack
Die Holländer von DeWolff sind echte Workaholics und haben schon lange vor der Pandemie mit einem unglaublichen Tempo und beneidenswerter Beharrlichkeit Alben veröffentlicht und Konzerte gespielt. Dass jetzt noch mehr Zeit für neue Songs blieb, tut dem Material durchaus gut, denn „Wolffpack“ versammelt einmal mehr schräge Fuzz-Gitarren, psychedelische Ausritte und liebevolle 60s- und 70s-Referenzen mit einer zeitgemäßen und trotzdem warmen Produktion, die quasi das beste beider Welten vereinbart. Das van den Poel-Brüderduo Pablo und Luka lässt in Songs wie dem Opener „Yes You Do“ auch mehr Platz für Swing und ließ sich allgemein stärker von der „Black Music“ der funky 70er inspirieren. Das ultra-nostalgische „Hope Train“ am Ende ist da fast schon zu viel des Guten, aber in ihrem Retro-gerichteten Soundkosmos bleiben die Niederländer superb. 7,5/10 Kronen
Felgrave - A Waning Light
M.L. Jupe stammt eigentlich aus Australien, ist aber mittlerweile im norwegischen Viken beheimatet und kein großer Freund von Teamwork. Das macht zumindest den Anschein, wenn man sich mit Felgrave befasst. Das bereits letzten Sommer digital erschienene und nun auch physisch erhältliche Debütalbum „A Waning Light“ ist nämlich eine Eigenproduktion, die sich gängigen Stilskalen verweigert und unter dem Überbau Doom Metal Death-, Black-, Funeral- und Post-Rock-Elemente integriert. Vier der fünf Songs pendeln zwischen neun und 15 Minuten und verwursten so viele verschiedene Ideen, dass man sich schon mal ungewollt vergaloppiert. Die norwegische Kühle paart sich mit britischer Doom-Eleganz, doch die verqueren, oft dissonanten Songeinsprengsel sind auch extrem fordernd. Felgrave erfordert Zeit und Geduld - und sehr viel Toleranz. 6/10 Kronen
Rainald Grebe - Popmusik
Rainald Grebe ist der deutsche Alleskönner. Der Kölner reüssiert seit vielen Jahre als Liedermacher, Kabarettist, politische Spitzfeder, Schauspieler und Autor. Böse Zungen behaupten, zum Kunst- und Kulturallrounder fehle ihm nur mehr das Talent des Malens, doch das kann uns nur recht sein, solang seine Ergebnisse so gut erklingen. „Popmusik“ ist ein bittersüßer Ritt durch aktuelle Probleme und Verwerfungen des politischen und gesellschaftlichen Alltags und klingt mal nach H.GichT, dann wieder nach Bodo Wartke. Zeitgemäß erklingt auch der Sound, der sich vor anderen, bekannten Produktionen nicht zu verstecken braucht. Was dem Werk langfristig natürlich auf den Kopf fallen wird, ist seine stringente Aktualität in den Texten. Das könnte schnell altfadrisch werden, aber dieses Berufsrisiko geht Grebe bewusst und mit Freude ein. 7/10 Kronen
Kiri Ra! - Kiri Ra!
Ein nordisches Konglomerat steckt hinter dem Free-Jazz-Gespann von Kiri Ra! Die finnische Experimentalkünstlerin Lau Nau, die finnische Jazz-Saxofonistin Linda Fredriksson und der schwedische Pianist Matti Bye haben das Projekt ins Leben gerufen, um für das schwedische Filminstitut Musik zur Verfügung zu stellen, die über experimentelle Amateurfilme aus dem dortigen Dokumentationsarchiv gelegt werden sollen. Dementsprechend Ambient-lastig, artifiziell und naturbezogen klingen die sanften, instrumental mäandernden Songs schlussendlich auch, die zum träumen und schwelgen einladen, ohne dabei allzu sehr in nostalgische Gefilde abzurutschen. Ein fast schon metaphysisches Erlebnis, das sich gängigen Schemen entzieht. 7/10 Kronen
Korpiklaani - Jylhä
Schunkeliger Humppa-Metal mit schalem Bier- oder Wodkabeigeschmack erfreut sich in der Metalszene seit mittlerweile mehr als 20 Jahren großer Beliebtheit - und das ungebrochen. Die Finnen von Korpiklaani waren in diesem Segment auch stets Vorreiter und auch auf Album Nummer elf gibt es gewohnte Kost: eine gute Stunde lang wird geschunkelt, sich gegenseitig zugeprostet und zum fröhlichen Einhängetanz ums Lagerfeuer geladen. „Jylhä“ ist dabei schon das zweite Album mit Überlänge und kommt Spaßkapellen wie Russkaja mit Songs wie „Leväluhta“ schon beträchtlich nahe. Mit traditionellen Instrumenten setzt die Spaßgesellschaft auf eingängige Melodien und ein warmherziges Miteinander-Gefühl. Eh lieb, eh tröstlich. Aber auch schon so abgelutscht wie ein altes Nimm Zwei. Bei Korpiklaani kann man auch die alten Scheiben aus den 00er-Jahren entstauben und es wird nicht auffallen. 5,5/10 Kronen
Femi Kuti - Stop To Hate
Ein besonderes Familienprojekt erblickt diese Woche das Licht der Welt. Der Sohn der Afrobeat-Legende Fela Kuti, Femi Kuti, veröffentlicht am selben Tag ein neues Album wie dessen Sohn Made. Beide Werke tragen den Übertitel „Legacy+“ und sollen an das unsterbliche Vermächtnis des Familienoberhaupts erinnern. Femis „Stop The Hate“ ist dabei das spielerische, politische und in gewisser Weise auch lebensbejahende Teil. In zehn Songs feiert der begnadete Saxofonist trotz der schweren Lage und der ernsten Thematik das Leben und die Liebe. Sohn Made ist natürlich auch Bestandteil des ambitionierten Familienprojekts, das Fans der Afrobeat-Kultlegende mit Sicherheit begeistern wird. Ein schönes und leichtfüßiges Album für eine schwierige Gegenwart. 7/10 Kronen
Made Kuti - For(e)ward
Während Papa Femi sich auf die leichtfüßigen und fröhlichen Tracks beschränkt, sorgt die jüngste Kuti-Generation namens Made für die progressiveren und nachdenklicheren Klänge. „For(e)ward“ ist deshalb freilich kein unzugängliches Werk, dafür ist die Melodieverliebtheit viel zu hoch, aber im Direktvergleich muss man hier doch mehr Konzentration und Toleranz an den Tag legen. Auf dem Album befasst sich Made unter anderem mit der Tatsache, wie sich politische Nachlässigkeit und die weit verbreitete Korruption in allen Bereichen auf verschiedene Bereiche des Alltagslebens auswirken. All das verpackt er trotz allem in musikalisch schöne und nachvollziehbare Songs - jedes einzelne Instrument hat er übrigens selbst gespielt. Dadurch geht er im Direktvergleich mit dem Papa auch als Punktesieger über die Ziellinie. 7,5/10 Kronen
Lutto Lento - Legendo
Hinter dem einfach zu merkenden Pseudonym Lutto Lento steckt der polnische Klangtüftler und Produzent Lubomir Grzelak, der auf seinem Debütalbum die Welten obskurer elektronischer Soundkaskaden austestet. Lento dekonstruiert darauf Songstrukturen, um sie mittels schwerem Bass, orchestralen Einsprengseln und einer gemütlichen Dub-Stimmung wieder zu etwas völlig Neuem zusammenzusetzen. Streicher haben auf „Legendo“ genauso Platz wie Horror-Synths und Percussion, die in ihrer Direktheit beinahe neoklassisch anmuten. Die schmelzende und in sich zusammenfallende Kerze auf dem Cover-Artwork ist Programm: hier wird bewusst zerstört, um wieder neu aufzubauen. Ein interessanter Ausflug in die düstere Welt der Elektronik. 6,5/10 Kronen
Milliarden - Schuldig
Unter den vielen Rockbands mit politischem oder sozialkritischem Gewissen stehen die Berliner Milliarden in Deutschland durchaus an vorderer Stelle. Ben Hartmanns Stimme ist natürlich auch am Drittwerk noch immer stark an Rio Reiser angelehnt, die Post-Punk-Vergleiche kann man in Songs wie „Wenn ich an dich denke“ oder „Ich schieß dir in dein Herz“ freilich noch ziehen, aber auf dem ersten Werk unter dem eigens gegründeten Label wirkt das Duo auch etwas inklusiver und indierockiger. Am Besten klingen die Milliarden immer dann, wenn sie das Tempo rausnehmen. Etwa in der zermalmenden Verliererballade „Swing“ oder dem mit einem Schlaflied-Teil ausgebauten „Die Fälschungen sind echt“. Auch in Deutschland lässt sich qualitätsvoller Pop machen - man muss ihn nur finden. 7,5/10 Kronen
Mourners - Act I: Tragedies
Ein kapuzenbehangenes, an einen Druidenzirkel erinnerndes Sextett steht in einer nebeligen Waldlichtung mystisch über einem frisch ausgehobenen Grab mit einer in eine weiße Decke gewickelte Leiche. Schon das Cover-Motiv der Mourners entführt in eine Welt voll beängstigender Dunkelheit. Die Truppe aus dem rumänischen Timisoara lässt sich auf dem Debütalbum „Act I: Tragedies“ mehr als ausreichend Zeit, um ihren sakralen Funeral-Doom mit kellertiefen Growls und repetitiven Songstrukturen zu vermengen. Dass in den bleischweren Songs immer wieder Gothic-Metal-Zitate á la früher Paradise Lost eingewoben werden, verleiht dem wuchtigen Treiben noch mehr Stringenz. Dieses Album bitte nicht anhören, wenn die Grundstimmung gen Depression neigt. Das tut bestimmt nicht gut. 6,5/10 Kronen
Neorhythm - Evils EP
In Russland gehen derzeit fast täglich zigtausende Menschen auf die Straße, um für den vergifteten Alex Nawalny zu demonstrieren und da System Vladimir Putin zu hinterfragen. Metal kennt man aus dem größten Staat der Welt für gewöhnlich eher aus dem Black-Bereich und mit leidvoll rechtem Mief. Neorhythm sind anders und kümmern sich inhaltlich um die Erdgeschichte ihrer Heimat. Das vier Songs stark Häppchen „Evils“ ist eine kleine Jause zwischen dem Debüt und dem bald folgenden zweiten Full-Length und wartet einmal mehr als Death/Thrash-Gebräu mit einem untrüglichen Gespürt für Groove auf. In den besten Momenten erinnern die Osteuropäer an Gojira, ohne aber an deren außerordentliche Klasse heranzureichen. Trotz allem ein schönes Lebenszeichen aus dem Metal-Brachland. Ohne Bewertung
Charles Pasi - Zebra
Auch schon wieder vier Jahre her, dass der französischer Chansonnier Charles Pasi mit „Bricks“ sein Debüt am renommierten Kultlabel Blue Note gab. Auf „Zebra“ zeigt sich der 36-Jährige, der unter anderem Carla Bruni auf Tour begleitete, noch ausgereifter, vielseitiger und nachhaltiger. In den raueren Momenten überzeugt er mit hemdsärmeligem Blues, all die Songs durchzieht eine kräftige Prise klassischer Soul und wenn es poppig und eingängig wird, dann rückt er Steely Dan und diversen Yachtrock-Bands aus den 70ern beträchtlich nahe. Aufgenommen hat Pasi das Album übrigens in so unterschiedlichen Städten wie Istanbul, Paris, Casablanca, New York und Mauritius, was uns einmal mehr leidvoll vor Augen führt, wie ungezwungen und schön das Leben früher einmal war. Genau so, wie „Zebra“, eine absolute Perle im Kanon klassischer Populärkulturalben. 8/10 Kronen
Psychedelic Porn Crumpets - SHYGA! The Sunlight Mound
Irgendwo muss im australischen Grundwasser sein, dass gerade von dort so viele abgedrehte Bands kommen, die sich irgendwo zwischen obskurer Tonalität und Psych-Rock einordnen lassen. Die Psychedelic Porn Crumpets zeigen schon im Bandnamen Mut zur Andersartigkeit und legen mit „SHYGA! The Sunlight Mound“ ihr insgesamt viertes Werk vor. Anstatt quer um den Globus zu touren pandemiebedingt eben ein neues Album eingeschoben - warum auch nicht? Dass einem sofort „Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band“ der großen Beatles in den Sinn kommt, liegt an psychdelisch-poppigen Stampfern wie „Mr. Prism“ oder „Pukebox“. Auch wenn der Band laut Eigenbekunden Nirvanas „Nevermind“ Pate stand, dreht sich der Sound weg vom Mainstream-Grunge und kommt wesentlich eingängiger und fröhlicher ums Eck. Die fuzzigen Gitarren und sanft eingewobenen Jamsessions tun das Ihre, um sich die Platte beim sommerlichen Grillabend vorzustellen. Hoffentlich bald! 7/10 Kronen
Puma Blue - In Praise Of Shadows
Jacob Allen aka Puma Blue hat sich in den letzten Jahren mehrfach wirkungsvoll in der Öffentlichkeit vorgestellt. Zwei EPs, einige Singles, ein abgespecktes Live-Album und viele Auftritte in den angesagtesten Städten der Welt zieren seine Vita. Eine Schande, dass sein Debütalbum „In Praise Of Shadows“ von der Pandemie überschattet wird. Andererseits passen die introvertierten und sanften, an D’Angelo erinnernden Songs wunderbar in diese Zeit der Lethargie. Grob dreht sich das Werk um seine jahrelange Schlaflosigkeit und die Folgen daraus, die Songs selbst sind fein gegossen und vermitteln ein sanftes Singer/Songwriter- und R&B-Feeling, das mit extrem sanft akzentuierter Elektronik angereichert ist. Währenddessen stülpt Allen sein Inneres nach außen und lässt den Hörer teilhaben an seiner persönlichen Tour de Force. Ein Werk für den gegenwärtigen Zeitgeist. 7,5/10 Kronen
Die Regierung - Da
Hamburger Schulde - sie ist nicht kaputtzukriegen und wir können froh darüber sein. Die Regierung sorgte anfangs als NDW- und später als Alternative-Rock-Band schon in den 80er- und 90er-Jahren für Furore, nach dem Ende 1995 hat Mastermind Tilman Rossmy seine alte Spielwiese 2006 mit neuer Besetzung reformiert und liefert mit „Da“ nun das dritte Album in dreieinhalb Jahren ab. Ein ordentliches Tempo, das glücklicherweise nicht zulasten der Kreativität geht. Rock’n’Roll, Krautrock, Dub und intelligenter Pop ergänzen sich hier perfekt und dienen als meist leichtfüßige und flotte Unterlage für die durchdachten Texte über Transzendenz, die ewige Suche nach sich selbst und die Poesie, die in der Kunst steckt. „Da“ ist eine spacige Reise in ferne Klangwelten, die bewusst aus dem Irdischen holen und in eine bessere Welt entführen will. Hamburger Schule eben - unkaputtbar. 7/10 Kronen
Revulsion - Revulsion
Strenggenommen hat dieses Krachkommando 16 Jahre zwischen Bandgründung und Debütalbum gebraucht, aber da hier ohnehin alles im Hobby-Sektor stattfindet, wollen wir mal nicht so streng sein. Die Finnen erfinden das Rad auf den etwas mehr als 30 Minuten nicht neu, gehen aber dermaßen knackig und kurzweilig ans Werk, dass man sich als Fan von altherkömmlichem US-Death Metal und der geradlinigen Schwedenschule durchaus auf den Kauf freuen kann. Innovationen oder allzu große Spannungsbögen bleiben außen vor, doch die Vermischung aus der genau richtigen Portion Technik á la Cannibal Corpse und stumpfem Gewalze geht runter wie Öl. Nicht zu viel Technik, keine Breakdowns, keine zähen Slam-Einlagen - einfach voll drauf. Warum nicht? 7/10 Kronen
Rosa Rendl - Opportunity Lover
Es ist viel zu schade, dass so viele talentierte Kreativgeister in Österreich nie die Beachtung finden, die sie verdient hätten. Hoffen wir für Rosa Rendl das Beste, denn die klassisch ausgebildete Pianistin reüssiert nicht nur musikalisch, sondern designt auch zeitgemäße Bademode und betätigt sich gerne als Produzentin. Als Teil des Electropop-Duos Lonely Boys ist Rendl kein Szene-Frischling, aber das träumerische „Opportunity Lover“ ist dennoch ihr Soloeinstand. In den zwölf elektronisch aufgeladenen Songs, die mal ruhig im Ambient-Gewässer schwimmen und dann auch wieder aufbreche können, geht es um Fragilität, Feminismus, die Liebe und schonungslose Selbstreflexion. Ein Werk, das musikalisch als auch inhaltlich nichts für den gemütlichen Zeitvertreib ist, sondern fordert und schlussendlich fördert. Wer hätte gedacht, dass Wien so visionär und international klingen kann? 7,5/10 Kronen
The Ruins Of Beverast - The Thule Grimoires
Im deutschen Extreme Metal nimmt das Soloprojekt The Ruins Of Beverast seit fast 20 Jahren eine Sonderstellung ein. Vier Jahre nach dem exzellenten „Exuvia“ kehrt Mastermind Alexander von Meilenwald (in den 90er-Jahren mit Nagelfar zum Black-Metal-Kult geworden) mit einem 70-minütigen Bastard von Album zurück, das mit einer berstenden Schwere und enormer Detailverliebtheit die volle Aufmerksamkeit einfordert. Wer sich mit eruptiven Ausritten, dissonanten Songstrukturen oder überlangen Songs schwertut, der kann gleich weitergehen. Bandliebhaber werden auf „The Thule Grimoires“ aber einmal mehr wunderbar bedient. Mit der massigen Mischung aus Doom-, Black- und leichten Death-Metal-Einschlägen gelingt Meilenwald bravourös das, was Primordials Alan Averill so gerne hätte - eine umwerfende, kathartische Atmosphäre. Ein Glanzstück moordurchtränkter Dunkelheit. 8/10 Kronen
Sarin - You Can’t Go Back
Irgendwas zwischen Post Metal, Sludge und Groove ist das, was uns die Kanadier von Sarin auf ihrem neuen Werk „You Can’t Go Back“ vorlegen. Dabei überraschen die vier Burschen schon einmal angenehm mit einer akkuraten Spielzeit. In gut 35 Minuten ist die Fahrt durch die persönlichen Schmerzen und Erlebnisse der jüngeren Vergangenheit erledigt und angesichts des druckvollen und kurzweiligen Materials merkt man wieder einmal, dass weniger oft mehr ist. Die Songs changieren zwischen entrückten Doom-Phasen, Corey Taylor-artigen Shouts und tiefen Growls in den besonders schwermütigen Passagen. Sarin fehlt zwar die Eigenständigkeit, um aus dem Wulst der zahlreichen Post-Schwermetallbands auszubrechen, bei Prosthetic haben die Burschen aber die richtige Heimat gefunden. 7/10 Kronen
The Staves - Good Woman
Aufgrund der künstlerischen Omnipräsenz der erfolgreichen US-Schwestern von Haim vergisst man schnell, dass es ja auch in Großbritannien eine mehr als talentierte Familie mit weiblichen Mitgliedern gibt. Von den Staves hat man fast sechs Jahre nichts mehr gehört, was mehrere Ursachen hatte. Emily bekam ihr erstes, die geliebte Mutter verstarb und zahlreiche Beziehungen zerbrachen. „Good Woman“ ist dementsprechend ein Statement für Liebe, Familie, Zusammenhalt und das Überstehen von Krisen. Die Guinness-Liebhaberinnen zeigen sich dabei durchaus zeitgemäß und würzen ihren akustischen Folk mit poppigen Zitaten und der Schönheit von choraler Dreifaltigkeit. Ein bisschen wie bei den Corrs, nur moderner. 7/10 Kronen
Aaron Lee Tasjan - Tasjan! Tasjan! Tasjan!
Na aber hallo! Für einen solchen Albumtitel braucht man jedenfalls eine gehörige Portion Selbstvertrauen, aber das ist in gewisser Hinsicht auch gerechtfertigt. Der aus Delaware stammende Aaron Lee Tasjan ist längst in der Musikmetropole Nashville beheimatet und beweist, dass man dort auch ohne Stetson und dicke Gürtel mit Adlerschnallen überzeugen kann. Sein viertes Album ist eine leichtfüßige Reise durch die Pop-Historie. Da eine Prise psychedelische 60er-Referenz, dort die Leichtfüßigkeit der 70er, dann auch mal wieder sanft im Tom Petty-Kosmos der frühen 90er gewildert. Die Single „Up All Night“ orientiert sich dann schon etwas zu sehr an den großen und viel zu früh verstorbenen Songwriter, ansonsten macht das Album aber uneingeschränkt Spaß und verneigt sich demütig vor ELO, den Beatles und den Byrds, ohne sie alle zu sehr zu kopieren. Weiter so! 7,5/10 Kronen
The Telescopes - Songs Of Love And Revolution
Seit fast 34 Jahren pflegt der Brite Stephen Lawrie sich mit großer Liebe im düsteren Popsegment aufzuhalten. Mit den Telescopes kreiert er Musik ganz im Stil von Velvet Underground, Suicide, den 13th Floor Elevators oder auch Sonic Youth und Wire. Möglichst verschroben und basslastig, dissonant und obskur darf es durchaus auch sein. Für die Telescopes ist „Song Of Love And Revolution“ auch eine interne Zäsur, verstarb Originalgitarrist David Fitzgerald doch kurz vor Weihnachten an den Folgen seiner Krebskrankheit. Die Songs mäandern wie auf einem endlosen Gleis vor sich hin und überzeugen mit bewusst eingesetzter repetitiver Monotonie. So dreckig und unterwürfig ist Rockmusik heute leider nur noch selten. Es würde ihr aber gut stehen. 7/10 Kronen
Todd La Torre - Rejoice In The Suffering
Fans des US-Power-Metal wissen, mit welch durchdringender Stimmkraft Todd La Torre ausgestattet ist. Das bewies er vor einigen Jahre bei Crimson Glory und seit 2012 auch bei den immer noch auftretenden Prog/Power-Metal-Legenden Queensryche. Für sein Solodebüt „Rejoice In The Suffering“ hat sich La Torre immer wieder Zeit freigeschaufelt. Der Pandemie sei Dank konnte er sein persönliches Lebensprojekt nun wohl auch schneller abschließen als gedacht. Die Härteschraube wird hier gewaltig angezogen. Der Sound erinnert mehr an Nevermore, teilweise auch an Accept und als visuelle Stilmittel orientiert sich La Torre bei Gruselpapst Alice Cooper. Nicht die schlechtesten Referenzen für ein Werk, das neben stampfenden Metalhymnen vor allem mit einer unglaublichen Stimmleistung besticht. Um Welten besser und spannender als die neue Accept! 7/10 Kronen
Transatlantic - The Absolute Universe: Forevermore / The Absolute Universe: The Breath Of Life
Die Pandemie ist ein guter Zeitpunkt, um sich mit Geduld und Beharrlichkeit an die Arbeit zu machen. Das dachten sich auch die Prog-Wunderwuzzis Neal Morse (keys) und Mike Portnoy (dr) samt Anhang, die das erste Transatlantic-Lebenszeichen seit mehr als sechs Jahren gleich einmal in zweifacher Ausfertigung vorlegen. „The Absolute Universe: The Breath Of Life“ ist auf 60 Minuten komprimiert, die „Forevermore“-Edition geht mit gut 90 Minuten über die Ziellinie. Beide Varianten wurden unterschiedlich aufgenommen und umgesetzt und ziehen gleichermaßen in das üppige Treiben des galaktischen Prog-Schlachtschiffs. Angeblich handelt sich sowieso nur um ein Stück, das auf viele Unterkapitel aufgeteilt ist. Außerhalb der Prog-Sphäre ein kaum fassbares, üppiges Werk, das Genre-Fans freudig jauchzen lässt. Ich ziehe dann mal weiter. Ohne Bewertung
Frederik Valentin - 0011001 & 0011000
Mit zwei Binärcodes als Albumtitel wartet der dänische Elektroniker Frederik Valentin auf und entpuppt sich sogleich öffentlich als Nerd. Das ist freilich nichts Schlechtes, sondern ein Kompliment für ein musikalisches Chamäleon, das voll zutrifft. Konzeptionell stehen die zwei Alben aber erdiger und realistischer zueinander als man vielleicht vermuten würde. Es geht um den Platz zwischen null und eins, oder in Valentins Fall um die schmalen emotionalen Grad zwischen dem er erstmals Vater wurde und kurz darauf seine geliebte Mutter verlor. Dementsprechend meditativ, ruhig und paralysierend sind die Songs geraten, die mit einigen skandinavischen Gästen aufwarten und die Schönheit der Songs stimmlich stärken. Eine schräge, aber auch emotionale Fahrt durch elektronische Klanggefilde. Wäre ein super Act für das Donaufestival in Krems. 7/10 Kronen
Cristian Vogel - The Rebirth Of Wonky
Erinnert ihr euch noch an die stickigen Clubs, wo das Neonlicht so grell flackerte, dass man sich nicht mehr ganz sicher sein konnte, welches Getränk jetzt vor einem steht und der Schweiß der Person daneben mit stringenter Beharrlichkeit durch die Nüstern zieht? Nein? Kein Problem, so geht es wohl allen. Wie sehr Clubmusik fehlt, macht etwa „The Rebirth Of Wonky“ klar, Cristian Vogels erstes Album seit vier Jahren. Das mittlerweile 25. Album des Designers, Kompositeurs und Soundarrangeurs ist natürlich die Kopfgeburt eines manischen Kenners und Könners, der sich in elektronischen Gefilden so behände bewegt wie eine Katze am Simsvorsprung. „Post-Clubbing“ nennt man das Werk - der Name ist Programm. Schön und schaurig zugleich. 7/10 Kronen
The Weather Station - Ignorance
Die in ihrer Heimat Kanada rundum bekannte Künstlerin Tamara Lindeman hat The Weather Station 2009 als Folk-Projekt gegründet. Vier Jahre nach dem letzten, selbstbetitelten Album ist vor den Ursprüngen kaum noch etwas übrig. Die 36-Jährige hat schon länger die Kraft der Kollaborationen und neuen Aufnahmetechniken für sich entdeckt und macht „Ignorance“ zu einem Indiepop-Feuerwerk, das handgemachte und digitale Musik unpeinlich vermengt und nur mehr am Rande mit dem folkigen Ursprungsgedanken des Projekts zu tun hat. Auf Pomp und Bombast verzichtet The Weather Station zwar noch immer, doch Songs wie „Atlantic“, „Parking Lot“ oder „Trust“ fürchten sich nicht mehr davor, eine gesunde Dosis Pathos mitzubringen. So hätte Taylor Swift auf ihren beiden letzten Meisterwerken klingen können, wenn sie noch einen Schuss Fröhlichkeit in die Soundsuppe gekippt hätte. 7,5/10 Kronen
White Nights - Solanaceae EP
Eine astreine Corona-Band sind die US-Amerikaner von White Nights, die ihr erstes Lebenszeichen im April 2020 veröffentlichten und nun zu Jahresbeginn die interessante, aber auch krude EP „Solanaceae“ nachlegen. Programmierte Beats treffen hier auf Black-Metal-Atmosphäre, Death-Rock-Gestus und etwas Goth-Flair. Psychedelisch und paralysierend sind die einzelnen Songs, die musikalisch sehr primitiv, aber auch ohrwurmträchtig dargeboten werden. Ein bisschen abgedreht und weird sind nicht nur Songtitel wie „Halluncinogenic Black Cubes“ oder „Nightshade Mornings In Bloodred Satin“, sondern auch die ausgespielten Stücke selbst. Ein bisschen so, als würden von LSD vollgepumpte 60s-Rock-Bands die Technik von heute entdecken. Interessante Angelegenheit. Ohne Bewertung
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.