Nach deutschem Vorbild

ÖVP will jetzt „unabhängigen Bundesstaatsanwalt“

Politik
15.02.2021 11:12

Nach den jüngsten Vorwürfen gegen Finanzminister Gernot Blümel sowie den Wirrungen rund um das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) fordert die Volkspartei nun einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt nach deutschem Vorbild. Man wolle hier „westeuropäische Standards“ schaffen, hieß es dazu aus dem ÖVP-Parlamentsklub am Montag. 

Seit Jahren steht Österreichs Justiz im Fokus, nicht zuletzt wegen Verfahren, in denen hochrangige Politiker als Beschuldigte geführt werden. Jüngstes Beispiel: Finanzminister Gernot Blümel, bei dem im Zuge der Casinos-Affäre eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Und auch beim BVT wurde eine Razzia durchgeführt, welche klar „rechtswidrig“ war, wie ÖVP-Klubchef August Wöginger in einer Aussendung meinte.

Wöginger will „doppelte Kontrolle“
Zudem ortet er „gegenseitige Abhörmanöver und Anzeigen innerhalb der Beamtenschaft“ sowie „immer wieder Leaks, die dazu führen, dass Verfahren medial ausgetragen werden und es zu einer Vorverurteilung von unschuldigen Betroffenen kommt“: „Es gibt andere europäische Länder, die diese Probleme nicht und deutlich bessere Systeme haben. An denen sollten wir uns ein Beispiel nehmen. Ich denke hier an Deutschland oder die Schweiz.“ Wöginger will hier „eine doppelte Kontrolle der Staatsanwaltschaften durch Richter im Vorverfahren und parlamentarische Kontrolle“.

„Haben keine Freude, dass Ermittlungsvorhaben publik werden“
Zuletzt waren, wie berichtet, mehrere interne Anzeigen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft - etwa gegen Oberstaatsanwalt Johann Fuchs oder Sektionschef Christian Pilnacek - öffentlich geworden. Jurist Norbert Wess beschrieb die Situation in Österreich gegenüber der „Krone“ gar als „fast einzigartig in Europa. Meine deutschen Kollegen etwa schütteln den Kopf darüber.“ René Ruprecht von der (WKStA) stellte klar: „Wir haben keine Freude damit, dass unsere Ermittlungsvorhaben publik werden. Denn die werden dadurch behindert.“

Zitat Icon

Wir haben keine Freude damit, dass unsere Ermittlungsvorhaben publik werden. Denn die werden dadurch behindert.

René Ruprecht, Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft

Auch SPÖ forderte „weisungsfreien Bundesstaatsanwalt“
Die SPÖ hatte vor einigen Monaten ähnliches gefordert, SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim meinte dazu, es brauche einen weisungsfreien Bundesstaatsanwalt. Stein des Anstoßes war damals die Kritik von Vera Jourova, der Vizepräsidentin der EU-Kommission, am Weisungsrecht des Justizministers gegenüber den Staatsanwälten in Österreich. „Ein unabhängiger Bundesstaatsanwalt ist in anderen Ländern gang und gäbe, Österreich hinkt hier deutlich hinterher - die Regierung muss endlich handeln!“, forderte Yildirim.

(Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER)

Chef-Ankläger und „Rechtswahrer“ - die Spitzen der Justiz
Der Generalbundesanwalt in Deutschland vertritt grundsätzlich die Anklage in allen Strafverfahren, die vor den Bundesgerichtshof, als das deutsche Höchstgericht kommen. Zudem ist er zuständig für eine Reihe von Delikten, die sich gegen den Staat selbst richten, etwa in Terrorismusverfahren. Allerdings ist dazu auch zu sagen, dass es sich bei dem Generalbundesanwalt um einen politischen Beamten handelt, der jederzeit von der amtierenden Bundesregierung ohne Angabe von Gründen in einen „einstweiligen Ruhestand“ versetzt werden kann. Auch hat der Generalbundesanwalt kein Weisungsrecht gegenüber den Staatsanwälten in den deutschen Bundesländern. Er selbst ist allerdings sehr wohl an Weisungen seiner vorgesetzten Behörde, des Bundesjustizministeriums gebunden.

In Österreich ist die Staatsanwaltschaft als Verwaltungsbehörde an die Weisungen der vorgesetzten Behörde gebunden. Eine vergleichbare Instanz zum deutschen Generalbundesanwalt ist die Generalprokuratur, welche die Geschäfte der Staatsanwaltschaft vor dem Obersten Gerichtshof vertritt. Allerdings tritt sie nicht als Anklägerin, sondern laut eigenen Angaben als „Rechtswahrerin“. Auch hat die Generalprokuratur keine Weisungsbefugnis gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft oder der Staatsanwaltschaft. 

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