Viel Staub hat die ÖVP-Idee eines „unabhängigen Bundesstaatsanwalts“ am Montag aufgewirbelt. Für die einen ist es ein Ablenkungsmanöver inmitten der Korruptionsermittlungen gegen den Finanzminister, für die anderen ein grundsätzlich sinnvoller Vorstoß, der aber reichlich spät komme. Richtig dagegen ist niemand. Vielsagend die Reaktion des Regierungspartners: „Offenbar hat es eine Hausdurchsuchung fürs Umdenken gebraucht“, befand die grüne Klubofrau Sigrid Maurer. „Auch o.k., Hauptsache es kommt.“
Seit Jahren plädieren SPÖ, Grüne und NEOS für einen Bundesstaatsanwalt. Bisher stets auf der Bremse: die ÖVP, die nun die Flucht nach vorne antrat. Klubchef August Wöginger forderte am Montag die Schaffung einer solchen Position, dazu solle es „eine Diskussion mit Rechtsanwälten, Richtern, Staatsanwälten, der Wissenschaft und dem Parlament“ geben. Anlass sind offenbar die Ermittlungen gegen ÖVP-Finanzminister Gernot Blümel, die trotz diffuser Verdachtslage zu einer Hausdurchsuchung geführt hatten.
Kogler: „ÖVP gibt endlich nach“
Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), derzeit auch Justizminister in Vertretung der in Babypause weilenden Alma Zadic, meinte zum Wöginger-Vorstoß, die ÖVP gebe dem grünen Druck „endlich“ nach. Nun solle eine weisungsfrei gestellte, entpolitisierte oberste Staatsanwaltschaft entstehen. Klubobfrau Maurer ergänzte, dass die ÖVP in den türkis-grünen Koalitionsverhandlungen einen entsprechenden Schritt noch „vehement blockiert“ habe.
SPÖ fordert auf zwölf Jahre bestellten weisungsfreien Bundesstaatsanwalt
Die SPÖ verwies darauf, dass man schon seit mehr als 20 Jahren einen Bundesstaatsanwalt fordere. Justizsprecherin Selma Yildirim fordert konkret einen vom Parlament gewählten, unabhängigen und weisungsfreien Bundesstaatsanwalt als Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden. Dieser soll auf eine Dauer von zwölf Jahren bestellt werden und nicht wiedergewählt werden können.
NEOS süffisant: „Wir sehen, was in diesem Land plötzlich möglich ist“
Skeptisch gab sich die FPÖ. „Das wird man sich anschauen, wie dieser Bundesstaatsanwalt ausgestattet sein soll“, sagte der blaue Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss, Christian Hafenecker. „Unabhängig und ÖVP, das passt nicht zusammen“, meinte Klubchef Herbert Kickl. Die NEOS reagierten spöttisch: „Wir sehen, was in diesem Land plötzlich möglich ist, wenn die ÖVP unter Druck gerät und von den laufenden Ermittlungen gegen Finanzminister Blümel ablenken will“, so Justizsprecher Johannes Margreiter.
Staatsanwälte warnen vor „Justizminister mit anderem Namen“
Schon konkrete Vorstellungen hat die Vereinigung der Staatsanwälte. Deren Vorsitzende Cornelia Koller plädiert dafür, dass eine vom Bundespräsidenten eingesetzte Kommission mit Experten aus der Justiz den geplanten Bundesstaatsanwalt einsetzt. Noch besser wäre die Einrichtung eines „Rats der Gerichtsbarkeit“, der sämtliche Höchstrichter sowie den neuen Bundesstaatsanwalt ernennt, so Koller gegenüber der APA. Dieser müsse jedenfalls weisungsfrei und von der Politik komplett unabhängig sein, sonst wäre es nur „ein Justizminister, der einen anderen Namen trägt“.
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