Darum gibt‘s Öffnungen

Kurz bei „Bild“: „Lockdown hat Wirkung verloren“

Politik
24.02.2021 23:01

Während sich unser Nachbarland Deutschland noch immer im harten Lockdown befindet, haben in Österreich zumindest seit zweieinhalb Wochen Handel, körpernahe Dienstleister und Schulen wieder offen. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Mittwochabend im TV-Interview mit der „Bild“-Zeitung erklärt, warum sich Österreich - trotz eines doppelt so hohen Inzidenzwerts wie Deutschland - zu diesem Schritt entschlossen hatte. „Die objektive Situation war in Österreich schlicht und ergreifend, dass nach sechs Wochen der Lockdown seine Wirkung verloren hat. Die Menschen haben sich immer weniger daran gehalten, es hat immer mehr Verlagerungen in den privaten Bereich gegeben. Und ein Lockdown, wo keiner mitmacht, der hat natürlich auch wenig Sinn“, betonte der Bundeskanzler.

Der Kanzler verwies im Zuge der erfolgten Öffnungsschritte unter anderem auf die österreichische Teststrategie, die auch in Deutschland mittlerweile medial großes Gehör gefunden hat. „Wir führen in unserem kleinen Österreich, mit nicht mal zehn Millionen Einwohnern, jede Woche über 2,5 Millionen Tests durch. Das heißt, dass rund ein Viertel unserer Bevölkerung wöchentlich getestet wird“, sagte Kurz im Gespräch mit „Bild“-Vize Paul Ronzheimer.

„Haben Ansteckungsgeschehen ganz gut unter Kontrolle“
Die nun erreichte hohe Zahl an Tests sei ein probates Mittel aus der Krise. „Je mehr man testet, desto mehr Positive kann man aus dem Verkehr ziehen, ohne dass sie andere infizieren“, so der ÖVP-Chef. Das sei allerdings kein Allheilmittel, das Virus gebe es trotzdem. „Es wächst auch, aber wir schaffen es durch die Tests, das Wachstum zu bremsen und die Öffnungsschritte vorsichtig vorzunehmen. Also durch viele Tests gibt es ein Stück weit mehr Freiheit als ohne Testungen.“ Derzeit habe man das Ansteckungsgeschehen trotz der Öffnungsschritte ganz gut unter Kontrolle. Über weitere Öffnungsschritte (Stichwort: Gastronomie) werde laut Kurz am Montag entschieden.

Bundeskanzler Sebastian Kurz im Gespräch mit der deutschen „Bild“: „Wenn Lockdown an Kraft verliert, macht er keinen Sinn.“ (Bild: Screenshot: bild.de)
Bundeskanzler Sebastian Kurz im Gespräch mit der deutschen „Bild“: „Wenn Lockdown an Kraft verliert, macht er keinen Sinn.“

„Lockdown macht dann Sinn, wenn die Menschen mitmachen“
Man könne, so Kurz, in einer dritten Welle sein und dennoch die Geschäfte geöffnet haben. „Die Frage ist, wie hoch steigen die Zahlen und wie schnell steigen sie. Das ist natürlich ein Wettlauf gegen die Zeit und mit jeder Person, die geimpft wird, kommen wir ein Stückchen mehr in Richtung Normalität.“ Einen neuerlichen Lockdown könne man grundsätzlich dennoch nicht ausschließen. „Wenn sich das Wachstum der Zahlen beschleunigt, wird es notwendig, auch wieder Verschärfungen durchzuführen. Ich kann nur sagen, ein Lockdown macht dann Sinn, wenn die Menschen mitmachen.“ In Österreich habe man gesehen, dass sich die Situation in den letzten beiden Lockdown-Wochen nicht mehr verbessert habe. „Es war eine Seitwärtsbewegung.“

„Menschen vereinsamen“
Der Kanzler habe aber Verständnis, dass die Leute wegen der Lockdowns frustiert seien. „Wir kämpfen jetzt seit einem Jahr mit der Pandemie. Das ist zermürbend. Das ist anstrengend. Viele Menschen vereinsamen. Wirtschaftlich ist es eine extreme Belastung. Also, dass da die Menschen unglücklich und unzufrieden sind, das ist ganz klar.“

„Verhindern, dass Intensivkapazitäten übergehen“
Man müsse sich aber trotzdem immer die Frage stellen, was die Alternative dazu sei. „Die Situation eskalieren zu lassen, eine Situation, die außer Kontrolle ist, das kann keine positive Alternative sein.“ Deshalb müsse man verhindern, dass die Intensivkapazitäten übergehen. „Wir müssen verhindern, dass unschuldige Menschen sterben, die nicht sterben müssen. Und insofern ist es einfach notwendig, dass wir uns einschränken und Maßnahmen setzen.“ Würden die Infektionszahlen wieder „explosionsartig steigen“, wäre laut Kurz in der Bevölkerung wieder „mehr Kraft da, um einen Lockdown mitzutragen“.

Video: Kurz will EU-weiten Impfpass, sonst Alleingang

Kanzler für europäischen Impfpass nach Vorbild Israels
Kurz sprach sich - wie einige Stunden zuvor im „Krone“-Gespräch - auch im „Bild“-Interview für einen europäischen Impfpass nach dem Vorbild Israels aus. „Ich setze mich dafür ein, dass wir in Europa einen ,Grünen Pass‘ zusammenbringen, wie es ihn in Israel gibt, am besten digital am Handy, wo jeder wieder alle Freiheit zurückbekommt, die wir so sehr schätzen“, sagte der ÖVP-Chef.

Den Grünen Pass gibt es auch ausgedruckt in Kartenform. (Bild: AFP)
Den Grünen Pass gibt es auch ausgedruckt in Kartenform.

„Wer geimpft ist, soll volle Freiheit haben“
In Israel können seit Sonntag von einer Corona-Infektion genesene und gegen das Virus geimpfte Menschen mit dem „Grünen Pass“ unter anderem wieder Fitnessstudios, Theater und Sportereignisse besuchen sowie in Hotels übernachten. „Wer geimpft ist, der soll volle Freiheit haben. Aber genauso auch jene, die gerade Corona hatten und von daher immun sind. Und auch all jene, die einen Test machen und durch den Test nachweisen können, dass sie negativ sind“, sagte Kurz. Durch einen EU-Impfpass sei auch eine Rückkehr zur Reisefreiheit in Europa möglich. Für den Sommer sei er daher optimistisch: „Die Durchimpfungsrate wird eine hohe sein. Wir werden zur Normalität zurückkehren können.“

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