Impfstreit-Treffen

Kurz: „Impfen kann noch Erfolg für EU werden“

Politik
16.03.2021 15:17

Im Streit über die Verteilung von Impfstoffen innerhalb der EU hat sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstagnachmittag in Wien mit mehreren EU-Amtskollegen beraten. Im Vorfeld hatten sowohl SPÖ als auch NEOS scharfe Kritik an der Bundesregierung geübt. Dass der Kanzler nicht voll über die Impfstoffbeschaffung informiert gewesen sei, sei „unglaubwürdig“, schoss sich der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried vor allem auf Kurz ein. Kurz selbst gab sich im Anschluss an das Treffen mit seinen Amtskollegen optimistisch, dass die Corona-Impfung für die EU doch noch ein Erfolg werden kann (siehe auch Video oben). Der Kanzler und seine vier EU-Amtskollegen pochten in Wien auf einen „Korrekturmechanismus“.

Während also innenpolitisch am Dienstag die Kritik an Kanzler und türkis-grüner Regierung in Sachen Impfstoffbeschaffung in die nächste Runde ging, sprach Kurz mit seinen EU-Amtskollegen über die Causa. „Malta hat Impfdosen verabreicht, die fast 30% der Bevölkerung entsprechen, Bulgarien nicht einmal 5%. Das widerspricht der Idee, alle 450 Millionen Europäer gleich zu versorgen“, schrieb Kurz im Vorfeld des Treffens auf Twitter. „Im Rat hatten wir besprochen, dass alle Länder gleich viel Impfstoff pro Kopf zur gleichen Zeit bekommen.“

Die Ministerpräsidenten Bulgariens, Tschechiens und Sloweniens, Bojko Borissow, Andrej Babis und Janez Jansa, waren zu Mittag zu einem Arbeitsgespräch im Bundeskanzleramt in Wien zum Thema „Impfstoffverteilung in der EU“ vom Kanzler empfangen worden. An dem Termin nahmen per Videokonferenz ebenso der Ministerpräsident von Lettland, Krisjanis Karins, und der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenkovic teil.

Kurz pocht auf gemeinsame Beschaffung von Impfstoffen
Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern es liege ein Problem vor, dass gelöst werden sollte, sagte Kurz im Anschluss an das Arbeitsgespräch bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Die Corona-Impfstoffe sollten demnach immer gemeinsam beschafft werden, betonte er. Es sei bewusst auf die Symbolik geachtet worden, dass etwa alle gleichzeitig starten, erinnerte der Kanzler, für den feststeht: „So wie es ist, so soll es nicht bleiben“.

Alle Staaten sollten ihren Impfanteil pro Kopf erhalten, so der Kanzler. Das Bild zeige aber ein anderes. Österreich liege im Mittelfeld auf dem 12. Platz. „Wir sind im Moment davon kaum betroffen“, sagte Kurz mit Blick auf die ungleiche Verteilung der Impfstoffe. Österreich sei „weder bei den Verlierern noch bei den totalen Profiteuren“, so Kurz. In anderen Ländern sehe die Situation jedoch anders aus, etwa in Malta - das schon zuvor vom Kanzler kritisiert worden war.

„Impfen kann nach wie vor Erfolg für EU werden“
Dass die Durchimpfung der Bevölkerung in gewissen Ländern länger dauern würden, könnte laut Kurz zu Spannungen innerhalb der EU führen. Es sei von den zuständigen Behörden ein anderer Vereinbarungsschlüssel verhandelt worden. „Es ist wichtig, dass wir gemeinsam einen Korrekturmechanismus zustande bringen“, forderte der Kanzler. Damit sollen die Unterschiede in den Durchimpfungsraten der Mitgliedsstaaten behoben werden. „Wir sprechen immer von europäischer Solidarität. Das Impfen kann nach wie vor ein Erfolg für die EU werden“, gab sich Kurz optimistisch.

Konkrete Vorschläge blieben die vier Regierungschefs am Dienstag aber schuldig. „Wenn eine Situation kompliziert ist, dann ist sie auch nicht einfach aufzulösen“, sagte der Kanzler. Er deutete an, dass dabei auch die zuvor von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekanntgegebene zusätzliche Lieferung von zehn Millionen Dosen des Biontech/Pfizer-Impfstoffes für das zweite Quartal eingesetzt werden könnte.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (rechts im Bild) und die Ministerpräsidenten von Bulgarien, Tschechien und Slowenien bei einem Arbeitsgespräch zur Impfstoffverteilung innerhalb der EU. (Bild: AFP)
Bundeskanzler Sebastian Kurz (rechts im Bild) und die Ministerpräsidenten von Bulgarien, Tschechien und Slowenien bei einem Arbeitsgespräch zur Impfstoffverteilung innerhalb der EU.

Die von der APA gestellte Frage, ob auch Österreich zugunsten der benachteiligten Länder verzichten könnte, konnte der Kanzler nicht beantworten. Er räumte ein, dass Länder „wenig Freude haben, etwas abzugeben“. Gerade „als Regierungschef im Herzen Europas“ wünsche er sich aber einen Korrekturmechanismus, weil es nichts bringe, wenn Nachbarländer stärker betroffen seien. „Das ist für niemanden positiv, wenn es hier eine große Ungleichheit gibt“, betonte er.

„Widerspricht dem Geist der europäischen Solidarität“
Die fünf EU-Regierungschefs hatten am Wochenende in einem gemeinsamen Brief auf die Ungleichverteilung hingewiesen und Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs gefordert.  „Aus unserer Sicht widerspricht das nicht nur unserer Vereinbarung, sondern auch dem Geist der europäischen Solidarität“, hieß es in dem Schreiben. Kurz hatte in der Vorwoche mit Blick auf die Verteilung der Impfstoffe auf EU-Ebene scharfe Kritik geübt und die Vermutung von Nebenabsprachen einzelner EU-Länder mit Pharmafirmen geäußert. Der Vorwurf von Nebenabsprachen und Intransparenz wurde von der EU-Kommission und mehreren Regierungen umgehend zurückgewiesen.

Clemens Martin Auer (Bild: APA/ROBERT JAEGER)
Clemens Martin Auer

Die Causa sorgt seither auf internationaler und nationaler Ebene für Aufregung. Erst am Montag hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) den Rückzug des zuständigen österreichischen Spitzenbeamten Clemens Martin Auer aus dem zuständigen EU-Lenkungsausschuss verkündet.

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