Wolfgang Mückstein tritt ein schwieriges Erbe an: Mitten in der dritten Corona-Welle übernimmt der Allgemeinmediziner ein Mammutressort. Gemessen an älteren Aussagen vertritt der 46-Jährige eine ähnliche Linie wie der am Dienstagvormittag zurückgetretene Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), der - zur Entlastung der Intensivstationen - ebenfalls stets für strengere Maßnahmen eingetreten, aber oft am Widerstand von Landeshauptleuten oder Koalitionspartner gescheitert war. Mückstein, der über Nacht zum Corona-Minister wurde und auf den nun große Aufgaben zukommen, sei ebenfalls bereit, „unpopuläre Entscheidungen zu treffen“.
Die jüngsten Lockdown-Maßnahmen seien „zu spät“ getroffen worden, sagte Mückstein erst vor drei Wochen in einer TV-Debatte. Schon bei der zweiten Welle hatte er eine zu späte Reaktion der Politik gerügt. Vor der Entscheidung von Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig (SPÖ) und Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), den Lockdown erneut zu verlängern, habe er deshalb großen Respekt. Es sei eine unpopuläre Entscheidung, aber „sie ist richtig“. Auch er wolle so handeln, habe er sich als Leitlinie vorgenommen.
Ich werde unpopuläre Entscheidungen treffen, wenn es nötig ist. Weil ich mich als Gesundheitsminister und Arzt dazu verpflichtet sehe.
Der neue Gesundheitsminister Mückstein
Bei Corona-Gipfel am Freitag ist noch Kogler am Ruder
Am kommenden Freitag, wenn die Bundesregierung mit Experten, Opposition und Ländern zusammentrifft, wird Mückstein noch nicht in seiner neuen Funktion auftreten - bis zur Angelobung am kommenden Montag, die Zustimmung der grünen Gremien vorausgesetzt, wird das Ministerium von Vizekanzler Werner Kogler geleitet, der Mückstein Dienstagmittag, nur zwei Stunden nach der Rücktrittserklärung Anschobers, als Nachfolger präsentierte.
Bachelor in Traditioneller Chinesischer Medizin
Danach warten große Aufgaben auf Mückstein, der medial und auch auf dem politischen Parkett nicht ganz unbekannt ist. 2019 verhandelte er Teile des türkis-grünen Regierungsprogramms mit. Auch mit der Sache ist der Vater von zwei Töchtern durchaus vertraut: In der Ärztekammer sitzt der Arzt mit zusätzlichem Bachelor-Abschluss in der nicht unumstrittenen Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) für die Grünen seit mehr als einem Jahrzehnt, zwischenzeitlich sogar im Vorstand und der Vollversammlung.
Erfüllung der Erwartungen nicht einfach aus Arztkittel zu schütteln
Kogler würdigte ihn ob seines Pioniergeists bei den Primärversorgungszentren als Macher und Mann der Praxis - als „Mann, der das kann“. Das ist zu hoffen, denn die ersten Erwartungen aus der Politik und dem Gesundheitsbereich wurden bereits formuliert und sie sind nichts, das man einfach so aus dem Arztkittel schüttelt: Vorrangig erschallen Rufe nach schnelleren Impfungen, der Umsetzung der Pflegereform, Öffnungskonzepten für alle Bereiche und Investitionen für den niedergelassenen Ärzte-Bereich.
Große Aufgaben mit nicht minder hohen Erwartungen auch abseits der Corona-Pandemie und der Hoffnung auf baldige Normalität warten auf den neuen Minister:
Bundespräsident zählt zu Patienten von Mücksteins Gruppenpraxis
Mückstein ist einer der Leiter des ersten Wiener Primärversorgungszentrums, und zu seinen Patienten zählt einer, der ihn angeloben wird: Bundespräsident Alexander Van der Bellen - allerdings war dieser in Mücksteins Kassen-Gruppenpraxis im sechsten Wiener Bezirk bisher nur in Ausnahmefällen. Zu Mücksteins Themenfeldern gehört die Substitutionstherapie. Er war in jüngeren Jahren auch beim bei Anrainern mäßig geliebten Drogenberatungszentrum Ganslwirt, heute Jedmayer, aktiv. Auch im Neunerhaus, einer Hilfsorganisation für Obdachlose, engagiert er sich.
„Wenn du keine Bedenken hast, fehlt der Respekt vor der Aufgabe“
Bei seiner Präsentation als Anschobers Nachfolger trug Mückstein Jeans, grüne Turnschuhe, keine Krawatte und er hatte den obersten Hemdknopf offen. „Ich stehe jetzt hier so, wie ich heute eigentlich in die Ordination gegangen wäre“, sagte er. Der Anruf Koglers sei am Vorabend gekommen. Er habe sich die Entscheidung gut überlegt, es sei schwierig gewesen, denn: „Wenn du keine Bedenken hast, mitten in der Pandemie Gesundheitsminister zu werden und damit oberster Krisenmanager, dann fehlt dir der Respekt vor der Aufgabe.“
Wenn du keine Bedenken hast, mitten in der Pandemie Gesundheitsminister zu werden und damit oberster Krisenmanager, dann fehlt dir der Respekt vor der Aufgabe.
Wolfgang Mückstein
Der erste Appell des neuen Gesundheitsministers an die Bevölkerung lautete, sich impfen zu lassen. Wann allerdings jeder ein Vakzin erhält, wollte sich Mückstein nicht festlegen. Ob Juli oder August, werde man sehen, aber er verspreche, alles für eine gute Zusammenarbeit aller Akteure zu tun.
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