Nagelprobe Pandemie

„Comeback“ nötig: Corona trifft Familien hart

Österreich
21.04.2021 21:49

„Der Familienbericht kommt zu einer schwierigen Zeit für uns alle“, betonte Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) einleitend bei dessen Präsentation. Der Bericht soll Transparenz schaffen, wie Familien in Österreich aussehen, und ein „Radar für Familienpolitik“ sein. Raab erinnerte auch an die finanziellen Hilfen für Familien in der Corona-Krise. Viele Eltern sind am Limit. Erschöpfung macht sich immer mehr breit. Wie es für die Familien weitergehe, ist laut Dr. Wolfgang Mazal vom Institut für Familienforschung offen und hängt wohl weniger von politischen Maßnahmen als von uns allen ab. Familien sind am Limit - und das schon lange.

Familien haben in der Pandemie „unglaublich viel geschultert“, erklärte die 36-jährige Familienministerin bei der Präsentation des sechsten österreichischen Familienberichts, der eigentlich die Jahre von 2009 bis 2019 abbildet. Von den angekündigten Branchenöffnungen im Mai verspricht sich die Familienministerin eine „große Entlastung“ für Familien. Ob es auch zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen für Familien für solch ein „Comeback“ geben wird - darauf hieß es: Die bestehenden Hilfen werden noch bis Ende Juni laufen. So wurden beispielsweise aus dem Familienhärtefonds bisher fast 130 Millionen Euro an 97.000 Antragsteller ausbezahlt. Im Juni werde evaluiert, um Hilfsmaßnahmen dementsprechend anzupassen. 

Die Stimmung daheim ist oftmals am Tiefpunkt
Die Politik habe in den letzten Monaten viel geholfen und werde auch weiterhin insbesondere finanziell und in der Beschäftigung unterstützen, betonte Dr. Wolfgang Mazal vom Institut für Familienforschung.

Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung, Wolfgang Mazal. (Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)
Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) und der Leiter des Österreichischen Instituts für Familienforschung, Wolfgang Mazal.

„Entscheidend wird sein, als Angehörige, Nachbarn und in den Unternehmen Familien im Alltag zu unterstützen und Mut zu machen, die zweifellos bestehenden Belastungen gemeinsam zu bewältigen. Für das gesellschaftliche Mindset und ein familienfreundliches Klima sind wir alle verantwortlich.“

SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek forderte in einer Aussendung eine rasche und wirkungsvolle Hilfe für Alleinerzieherinnen. So sei die Umsetzung der staatlichen Unterhaltsgarantie für Kinder, die keinen oder nur geringen Unterhalt bekommen, „längst überfällig“. Ein positives Signal sei hingegen, dass der neue Sozial-und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) am Mittwoch die hohe Armutsgefährdung von Alleinerzieherinnen angesprochen habe. „Jetzt müssen rasch Taten folgen.“

Durch die Corona-Krise haben es viele Menschen besonders schwer, unter anderem Alleinerzieherinnen. (Symbolbild) (Bild: Caritas/Presse & Foto Franz Gleiß)
Durch die Corona-Krise haben es viele Menschen besonders schwer, unter anderem Alleinerzieherinnen. (Symbolbild)

Pandemie ist eine Nagelprobe
Fest steht: Die Corona-Krise ist ein Stressor für Eltern und ihre Kinder. Familientherapeutin Martina Leibovici schlägt Alarm. Familien sind am Limit - und das schon lange. Viele Jugendliche haben Angst vor der Zukunft, verweist die Expertin auch auf Studien. Ein Drittel sehe keine Zukunft für sich - eine bedenklich hohe Zahl. Sie glauben, sowieso später einmal nichts zu erreichen. 
Und die Eltern sind indessen enorm belastet. Alles unter einen Hut zu bringen - Homeschooling und Homeoffice - das zehrt an den Nerven.

Die Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Wiener AKH sei voll, so Leibovici. Immer mehr Kinder und Jugendliche würden der Familientherapeutin zufolge an Essstörungen oder Depressionen leiden. Betroffen seien auch Menschen ohne Vorbelastungen und aus intakten Familien, die nun unter schweren Störungen leiden. „Corona ist eine Nagelprobe für Familien, für Partner, für uns alle“, so Leibovici im Gespräch mit der „Krone“.

Die Mehrfachbelastung bleibt dabei oft an den Frauen hängen. Warum? Weil sich Frauen erst langsam hineinemanzipiert hätten, „in die Erlaubnis von Berufstätigkeit“. Leibovici weiter: „Männer hatten die angesehenere Arbeit. Dieser Schritt einer real gelebten Gleichberechtigung ist noch nicht in allen Familien vollzogen. Denn der zweite Teil wäre auch eine gerechte Aufteilung der Familienarbeit.“

(Bild: stock.adobe.com)

„Ziel, dass Schulen bald wieder fünf Tage offen sind“
„Ziel sollte es sein, dass Schulen bald wieder fünf Tage die Woche offen sind“, betonte indessen Bildungspsychologin Christiane Spiel. „Eltern und Kinder sind am Limit. Der Nachwuchs vermisst seine Mitschüler und Lehrer.“ 
Der Weg zurück in die Schule für alle Schüler - und das von Montag bis Freitag - könnte mit drei PCR-Gurgeltests die Woche gelingen, meinen einschlägige Experten. „Das wäre eine enorme Entlastung für Familien“, erklärt Spiel.

Bildungsexperte Andreas Salcher dazu: „Vor allem für berufstätige Eltern ist diese Dreifachbelastung Homeoffice, Ersatzlehrer und Elternrolle auf Dauer fast nicht mehr zu bewältigen. In den vielen Gesprächen, die ich führe, dominiert immer stärker das Wort ‘Erschöpfung‘“. Die Kluft zwischen den Bildungsschichten, die schon vor Corona manifest war, habe sich weiter vergrößert. Salcher: „Wir haben keine verlorene, sondern eine tief gespaltene Generation.“

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